
Zu den Bürozeiten, die per Ansage auf dem Anrufbeantworter mitgeteilt werden, steht das Telefon nicht still. Am anderen Ende der Leitung sind Mütter, von den manche schon der Verzweiflung nahe sind, weil die ersehnte Kur mit ihrem Kind nicht zustande kommen kann. Denn seit die Corona-Pandemie Einzug gehalten hat in Deutschland, geht auch im Haus am Kurpark nichts mehr. Dort wird normalerweise gestressten oder kranken Müttern, die oft auch mit einem schwierigen sozialen Umfeld zu kämpfen haben, mit ihren Kindern geholfen. Aber was ist schon noch normal in diesen Zeiten? Seit dem 17. März ist das Haus geschlossen, drei Kuren sind mittlerweile ausgefallen und auch die vierte, die am 19. Mai beginnen sollte, wird nicht stattfinden.
120 Familien konnten wegen der Schließung die Kur nicht antreten
Das bedeutet auch, dass 120 Familien auf die dringend notwendige Auszeit verzichten müssen und frühestens im Januar 2021, wenn der Erweiterungsbau eröffnet ist, mit einem Termin rechnen können. Denn selbst, wenn es bald wieder losgehen würde, können nicht einfach Kuren eingeschoben werden, weil das Haus für die Saison ausgebucht ist.
Haus-am-Kurpark-Leiterin Evi Bindrim spricht gegenüber dieser Zeitung von regelrecht herzzerreißenden Geschichten, die ihr da am Telefon erzählt werden, ohne dass Sie aktuell Hilfe leisten könne. Was soll man einer Frau antworten, die am Telefon fleht: "Bitte nehmen Sie mich, ich brauch die Kur ganz dringend." Denn jene Mütter und zum Teil auch Väter, die schon vor Ausbruch der Pandemie gesundheitlich angeschlagen waren, sind jetzt noch viel mehr betroffen, weil die Belastungen durch die Corona-Krise ihre Situation noch deutlich verschlechtert haben.
Alle Mitarbeiter sind in Kurzarbeit
Evi Bindrim geht davon aus, dass ihr Haus dann mit dabei ist, wenn auch Schwimmbäder und Kindergärten wieder öffnen dürfen. Dann werden die rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder aus der Kurzarbeit dazu stoßen. Derzeit hält nur ein Notdienst mit einer Sekretärin, einem Techniker und der Heimleiterin selbst die Stellung. Evi Bindrim rechnet auch damit, dass bei einem Start zunächst Gesichtsmasken-Pflicht für alle bestehen wird und nicht die gewohnte Anzahl aufgenommen werden kann. In diesem Fall würde sie zunächst auf die kleinsten Kinder verzichten, weil mit den Kleinen die Hygienevorschriften am schwersten umgesetzt werden könnten.

Auch wenn der normale Betrieb nicht läuft, zu tun gab es für die Heimleiterin in den vergangenen Wochen genug. Alle Mutter-und Kind-Einrichtungen seien zunächst nicht unter den Rettungsschirm gefallen, aus dem zum Beispiel für Krankenhäuser ein Teil der pandemiebedingten Einnahmeverluste finanziert werden, sagt sie. Und dies, obwohl für das Haus am Kurpark eine "behördlich angeordnete Betriebsunterbrechung" vorlag. Woher aber das Geld nehmen, um Heizung, Strom und Versicherungen zu bezahlen?
Staatlicher Rettungsschirm zunächst ohne die Mutter-und Kind-Einrichtungen
Um so dankbarer ist Evi Bindrim für den Einsatz, den das Müttergenesungswerk, Bürgermeister Thomas Helbling und Landrat Thomas Habermann an den Tag gelegt haben, um doch noch zu erreichen, dass über den staatlichen Rettungsschirm 60 Prozent des ausgefallenen Erlöses bezahlt werden. Noch nicht geklärt ist allerdings, ob die mit einem Unternehmen der Privatwirtschaft abgeschlossene Versicherung zahlt, die für den Fall einer "Betriebsunterbrechung" abgeschlossen worden war. Bislang jedenfalls ist laut Evi Bindrim noch kein einziger Cent geflossen.
All diese Probleme hätten aber auch gezeigt, wie stark das 1950 von der Bundespräsidenten-Gattin Elly Heuss-Knapp gegründete Müttergenesungswerk ist. Deren Enkel, Professor Professor Dr. Ludwig Theodor Heuss, hatte sie im Februar bei einer großen Veranstaltung zu Beginn des Jubiläumsjahres in Berlin kennen gelernt. Die mit Wissenschaftlern, Ärzten und Ministeriums-Vertretern hochkarätig besetzte Veranstaltung drehte sich um das Image des Müttergenesungswerkes, das auch in Zukunft allen Familienformen gerecht werden soll.