Was einst vor über 20 Jahren mit Rudolf H. Herget begann, fand am Samstagabend mit einer von sechs Veranstaltungen der „Sternen-Poeten 2018“ in etwas anderer Form seine Fortsetzung am Frickenhäuser See. Poesie zum Sonnenuntergang oder poetisches Erzähltheater unter dem Sternenzelt waren angekündigt worden. Das Aktive Mellrichstadt (AM) hat diese Veranstaltung in seine Veranstaltungshighlights eingebaut.
Hadulla und Hub vor 300 Gästen
AM-Vorsitzender Wolfgang Pfeiffer begrüßte die Protagonisten des Abends, die Schauspielerin Christine Hadulla und ihren Kollegen Peter Hub, beide mit unterfränkischen Wurzeln. Der Wetterbericht hatte passenderweise für die folgende Nacht viele Sternschnuppen in Aussicht gestellt, denn die Perseiden kreuzen die Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Der Zuspruch mit nahezu 300 Zuhörerinnen und Zuhörern, die sich am Westufer des Frickenhäuser Sees niedergelassen hatten, war besser als im Vorjahr.
Mit zarten Flötentönen eröffnete Christine Hadulla die – noch nicht ganz dunkle – Nacht der Poesie. Die erste Geschichte erzählte vom Affen, der zum Menschen wurde. Viele Tiere versammelten sich, um ihm etwas Liebes mitzugeben. „Halte mein Bild stets in Deinem Herzen“, sprachen zu ihm Nashorn, Schaf, Kamel, Ochs, Esel, Schwein, Pfau und Wolf und als letzte Löwe, Adler und Schlange. Der Affe wurde Mensch, Adam und Eva verbreiteten ihr Geschlecht und das Vermächtnis der Tiere wirkt heute noch ungeschwächt unter seinen Nachkommen fort.
Tiere immer wieder Thema
In kurzen Versen waren Tiere immer wieder Thema. Ein Hirsch bewunderte sein prächtiges Geweih, hatte aber nur sehr dünne Beine, die ihn allerdings vor dem Jäger retteten. So lernte er, das Nützliche dem Schönen vorzuziehen, schrieb einst Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Wilhelm Busch meinte: „Will das Glück nach seinem Sinn dir was Gutes schenken, sage Dank und nimm es hin ohne viel Bedenken.“ „Wer weiß, ob dies ein Unglück ist?“, fragt Mascha Kaléko in der „Chinesischen Legende“. Und schreibt in einem anderen Gedicht „Sie warfen nach ihm mit Steinen, daraus baute er dann sein Haus“. Und weiter erzählt sie, die zur künstlerischen Boheme um Kurt Tucholsky gehörte, ironisch, „dass sie ein kluges Embryo war, das nicht auf die Welt wollte“.
Von Menschen, die ihre Sorgen in einem Paket an einen Baum hingen und dafür eines der anderen Sorgenpakete mitnahmen und von weisen Geistern, die im Baum wohnten, handelte eine andere Geschichte. Wolf Erlbruch erzählt in seinem Buch, wie eine Ente den Tod trifft und sich mit ihm anfreundet. Stirbt die Ente, stirbt auch der Teich, ist das Ende vom Lied. „Das Schicksal setzt den Hobel an und hobelt alle gleich“ sang schon weiland Paul Hörbiger. Peter Hub versuchte das im wienerischen Idiom. Auch Wilhelm Busch kam erneut zu Wort, mit einem unentbehrlichen Vereinsmeier, ohne den nichts ging. „Gestern, als sie ihn begruben, war er richtig auch dabei“, endete sein Lebenslauf.
Ich und Du - zweimal Singular
„Sommerbild“ von Friedrich Hebbel brachte des Sommers letzte Rose in Erinnerung. Und noch einmal Mascha Kaléko mit ihrem schönsten Gedicht, das sie nicht schrieb und „Ich und Du“ als zwei Singulare, die kein Plural sind, da blitzte wieder der Humor durch. Mit Theodor Storms Nachtigall und dem Wegweiser von Michael Ende ging es weiter, dazu die Story einer Touristin, die in einem Hafen einen Fischer zu größeren Fängen animieren und ihn reich machen will, damit er am Hafen sitzen und auf das Meer blicken kann. Aber das tut er ja jetzt schon – bis sie ihn gestört hat.
Natürlich musste auch Schiller sein. „Der Handschuh“ schildert die Heldentat des Ritters, der den Handschuh von Fräulein Kunigund aus dem Käfig zwischen Tiger und Löwe herausfischt, die liebeshungrige Kunigunde aber zur selben Stunde verlässt. Und ein letztes Mal Mascha Kaléko, die sozusagen grundlos vergnügt ist. Ein kurzes Flötenspiel, am Himmel sind längst unzählige Sterne zu sehen. „Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es wie ein Fest“, ließ Rainer Maria Rilke rezitieren, dazu „Mein Herrgott ist kein Bürokrat“ von Fred Endrikat.
Nächtliches Ambiente
„Wo wohnt der liebe Gott?“, bei diesem Kinderlied von Wolfgang Borchert zeigten Peter Hub und Christine Hadulla ihre schauspielerischen Fähigkeiten im Duett. Sehr besinnlich von Rudolf Otto Wiener die Engel, die nicht immer Männer mit Flügeln sein müssen oder noch einmal Rilke mit „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“. Dazu sein Blick in die Sterne, Mondschein, zu Hause zwischen Tag und Traum, es passte gut zum nächtlichen Ambiente unter dem Sternenhimmel. Und die „Melodie der Nacht“ und weitere Sternenlieder kündigten das Ende der Veranstaltung an.
„Gute Nacht, gute Nacht, schlummert, bis der Tag erwacht“ – mit diesem alten Volkslied verabschiedeten sich die Künstler, die mit ihrem bunt gemischten Repertoire und wandelbaren Stimmen abwechselnd Besinnliches, Entspannendes, auch Humoristisches boten und fast die Kühle der Nacht vergessen ließen. Zart klang die Flöte beim „Guten Abend, gute Nacht“, nach dankbarem Applaus ein Blick in den sternenklaren Himmel, dann packten die Zuhörer Decken und Stühle zusammen und zogen heimwärts.