Seit Jahre beschäftigt ein wichtiges Thema nicht nur in Rhön und Grabfeld; der drohende Hausärztenotstand. Fast zeitgleich gingen zum Beispiel 2011 drei Ärzte in der oberen Rhön in den Ruhestand. Mangels Nachfolger wurden die Praxen von Dr. Rupp in Oberelsbach, Dr. Maisch und Dr. Sperrfechter (beide Fladungen) geschlossen. Der Hausärztenotstand war beherrschender Gesprächsstoff!
Mehrarbeit für Ärzte
Gerüchte machten die Runde, dass die verbliebenen Hausärztepraxen keine neuen Patienten aufnehmen würden. Allerdings waren diese Sorgen für die Patienten unbegründet, für die Ärzte in den Nachbarorten Nordheim, Ostheim und Bischofsheim hingegen bedeutete die Entwicklung deutlich spürbare Mehrarbeit. Seit etwa 20 Jahren ist ein Bevölkerungsrückgang messbar, die Bevölkerung wird älter. Der Anteil der über 50-Jährigen und auch die Zahl der aus medizinischer Sicht betreuungsintensiveren Patienten hat zugenommen.
Weiterbildungsverbund als Lösung
Vor knapp sechs Jahren trafen sich daraufhin Landrat Thomas Habermann, der ärztliche Direktor der Kreisklinik Bad Neustadt Dr. Rainer Kuhn und als Initiator der Ostheimer Allgemeinarzt Eberhard Helm. Das Problem des drohenden Ärztenotstandes wurde diskutiert und vor allem eine mögliche Lösung angeboten: ein sogenannter Weiterbildungsverbund. Die Ärzte sensibilisierten ihre Kollegen für dieses Thema und haben weitere Mediziner für das Thema gewonnen. Im März 2012 wurde der Weiterbildungsverbund mit der Kreisklinik und weiteren 21 niedergelassenen Allgemeinärzten aus den Landkreisen Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen und Schweinfurt gegründet.
Angebot für junge Ärzte
Das Ziel der Initiative ist es, wie es damals in einer Mitteilung der Kreisklinik beschrieben wurde, „eine reibungs- und lückenlose Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für junge Ärzte sicherzustellen und mehr Medizinstudenten zu veranlassen, den Weiterbildungsweg zum Beruf des Hausarztes einzuschlagen“. Den jungen Ärzten wird angeboten, in den Praxen der Hausärzte und in der Kreisklinik fünf Jahre lang verschiedene Bereiche der Medizin zu durchlaufen, um sich zum Facharzt für Allgemeinmedizin zu qualifizieren und damit auf eine Tätigkeit als Hausarzt vorzubereiten. Eine weitere Intention ist außerdem, bereits Abiturienten für das Medizinstudium zu begeistern und durch das Angebot der Ausbildung zum Allgemeinarzt nach dem Studium wieder in die Region zu holen.
Auf Anhieb erfolgreich
Bereits ein Jahr später berichtete das Patientenmagazin der Kreisklinik unter dem Titel „Ein Jahr Weiterbildungsverbund Bad Neustadt – Ärztenachwuchs gesichert“ von einer erfreulichen Bilanz. Nach nur einem Jahr wurden schon die ersten drei Assistenzärzte eingestellt. Weitere folgten. Nach fünf Jahren bewegt sich die Zahl der Assistenten im zweistelligen Bereich.
Perspektive in Bischofsheim
Eine dieser Weiterbildungsassistenten ist Nadja Goshova aus Stockheim. Nach dem Examen arbeitete sie drei Jahre in der Inneren Abteilung der Kreisklinik, jetzt ist sie in der Gemeinschaftspraxis der Bischofsheimer Ärzte Dr. Wehming und Kahl tätig. Nadja Goshova gefällt diese Arbeit und sie ist dankbar, dass sie hier ihre Ausbildung machen kann. Zur Behandlung der Patienten in der Praxis kommen Hausbesuche hinzu. Bereits ihr Vater arbeitete als Hausarzt und für sie war es klar, dass sie ihren Beruf nicht in einer Klinik ausüben möchte.
Ein Glücksfall
In den nächsten Jahren wird Franz Wehming, einer ihrer derzeitigen Chefs, in den Ruhestand gehen und sie könnte es sich sehr gut vorstellen, dann weiterhin in der Bischofsheimer Praxis zu arbeiten. Wehmings Kollegin Helga Kahl würde künftig gerne weiter mit ihr zusammen arbeiten. „Frau Goshova ist ein Glücksfall für uns“, bringt es Wehming mit wenigen Worten zum Ausdruck. Für die Bischofsheimer Praxis hat sich das Engagement im Weiterbildungsverbund bereits gelohnt.
Noch keine Entscheidung
In einer weiteren Bischofsheimer Hausarztpraxis bei Dr. Martin Wünsch gibt es eine Weiterbildungsassistentin, Dr. Christina Hoh aus Bad Neustadt ist nach drei Jahren Arbeit in verschiedenen Kliniken bereits seit einem halben Jahr in der Praxis und wird noch weitere zwölf Monate bleiben. Sie hat bewusst eine Tätigkeit auf dem Lande der in einer Stadt vorgezogen. Sie hat noch keinen genauen Plan, wo sie nach ihrer Ausbildung zum Allgemeinarzt arbeiten wird, ist allerdings für viele Möglichkeiten offen.
Auch bei Dr. Eberhard Helm in Ostheim wird derzeit eine junge Ärztin zur Allgemeinärztin ausgebildet. Dr. Christina Leutbecher aus Mittelstreu arbeitete nach dem Examen an der Kreisklinik in Bad Neustadt, ein Jahr lang war sie in Suhl und danach als Facharzt für Anästhesie an Rhön-Klinikum Bad Neustadt. Wo sie nach ihrer Ausbildung arbeiten wird, ist auch für sie noch ungewiss, aber in der Region würde sie sicher eine Stelle finden.
Unsicherheit trotz Erfolg
Nicht gewiss ist – trotz erfolgreicher Arbeit in den vergangenen fünf Jahren – die Zukunft des Weiterbildungsverbundes, der bei seiner Gründung der erste und einzige seiner Art weit und breit war. Ungewiss ist die Zukunft deshalb, weil die ehemalige Kreisklinik mittlerweile zum Rhön-Klinikum gehört. Vorstandsmitglied und ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik, Professor Bernd Griewing, will sich nicht konkret über die künftige Zusammenarbeit mit dem Weiterbildungsverbund äußern, gibt jedoch positive Signale. „Wir haben die Absicht, weiter zusammenzuarbeiten, aufgrund der positiven Erfahrungen der letzten Jahre.“
Gespräche mit dem Rhönklinikum
In einigen Wochen wird ein Gespräch mit den Vertretern der Hausärzte, dem bisherigen Ärztlichen Direktor der Kreisklinik, Dr. Rainer Kuhn, und Professor Griewing stattfinden. Dabei soll nicht nur der Weiterbildungsverbund diskutiert werden. Griewing weist auf eine Reihe weiterer Punkte hin, wie zum Beispiel die durch Änderung des Gesetzgebers notwendige neue Regelung der Bereitschaftsdienstpraxis. Zudem kann man seiner Meinung nach noch nicht einschätzen, wie sich die Hausarztdichte künftig entwickelt.
Mögliche Win-Win-Situation
Aus der Sicht des Allgemeinarztes Dr. Eberhard Helm kann eine weitere Zusammenarbeit für die Hausärzte des Weiterbildungsverbundes und das Rhönklinikum als Partner auf Augenhöhe eine Win-Win-Situation für alle sein: „Es wird auch künftig möglich sein, junge deutsche Ärzte in den Landkreis zu holen und lässt Gutes für die Zukunft hoffen.“