Die Gurke kostet 2 Euro? Sie ist aus dem Treibhaus und schmeckt nach nichts? "Einfach liegenlassen", empfiehlt Dr. Maike Hamacher bei einem Rundgang durch die Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarktes. Das Angebot ist überwältigend: Es gibt ganzjährig Tomaten, Gurken, Südfrüchte, sogar Erdbeeren, Ananas und Spargel im Winter, die einen langen Lieferweg hinter sich haben. Es stellen sich die Fragen: Ist das nachhaltig, brauchen wir das und ist das die Mühe und den Preis wert?
Maike Hamacher hat als Projektmanagerin der Ökomodellregion Rhön-Grabfeld die Lebensmittelsituation im Blick. Regional und saisonal einkaufen – dazu fordert sie die Verbraucherinnen und Verbrauchern immer wieder auf. Eine Reihe von Hofläden sind in den letzten Jahren entstanden, viele verkaufen Obst und Gemüse der Saison, Eier und Fleischerzeugnisse, oft in Bioqualität.
Kunden sollen auf den Transportweg achten
Auch in den Supermärkten ist das Bio-Sortiment in den letzten Jahren vergrößert worden – die Nachfrage bestimmt das Angebot. Aber auch hier heißt es: genau hinschauen. Bio steht drauf, aber das Gemüse kommt aus Spanien, Italien oder Israel? Wenn man auf regionale Produkte zugreifen kann, sollte man die bevorzugen, die keinen umweltschädlichen langen Transport hinter sich haben, empfiehlt Hamacher.
Vieles kann man auch im Winter unbesorgt aus regionalen Beständen und möglichst unverpackt kaufen: Kartoffeln, Zwiebeln, Äpfel, Kohlsorten, Feldsalat, Mohrrüben, Rettich, Schwarzwurzeln, Rote Beete, Steckrüben, Sellerie und Porree, dazu kommen Getreide- und Trockenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen.
Es lohnt sich genau hinzuschauen. "Regional kann man überall draufschreiben, 'Weiderind' ist auch kein geprüfter Begriff", nennt Hamacher als Beispiel. Wer schaut nach, ob das Rind wirklich auf einer Wiese stand, vielleicht war es draußen, aber in einem schlammigen Gatter? Man sollte sich an den Biosiegeln orientieren, auch die Dachmarke Rhön ist geprüfte Qualität, erklärt sie.
Warum Bio-Produkte nicht immer teurer sind
Wer genau auf die Kilopreise schaut, stellt fest, dass Bio-Produkte manchmal preiswerter sind oder nicht so hohe Preissprünge mitmachen, wie konventionell erzeugte Lebensmittel. Das erklärt sich durch die geringere Abhängigkeit der Bio-Bauern von teuren Düngemitteln und Energiepreisen.
Corona hat viele Verbraucher zum Nachdenken über regionale Kreisläufe gebracht und gezeigt, dass nicht immer alles verfügbar sein muss und kann. Wieviel Sonnenblumenöl kommt aus der Ukraine? Die explodierenden Speiseölpreise zeigten die Zusammenhänge und Vernetzungen. Rapsöl aus der Region wurde plötzlich zu einem begehrten Artikel.
"Regionale Kreisläufe halten auch das Geld in der Region", sagt Hamacher und weist auf einen weiteren Aspekt hin: Die Produktion von Nahrungsmitteln oder Futtermitteln in armen Ländern entzieht dort Ackerflächen für deren eigene Ernährung, aber auch Nährstoffe aus dem Boden.
Warum Maike Hamacher eine Mehrwertsteuerbefreiung skeptisch sieht
Was hält die Projektmanagerin von der Forderung des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir, gesunde Lebensmittel wie frisches Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte von der Mehrwertsteuer zu befreien? Das würde Rentnern, Sozialhilfeempfängern und Geringverdienern besonders helfen, hatte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VDK mitgeteilt.
Hamacher begrüßt eigentlich den Vorschlag, sagt sie, sieht aber die Schwierigkeiten im Detail. Wer entscheidet, was gesund ist, spielen Kriterien wie bio, konventionell und regional eine Rolle? Darf die Politik überhaupt Ernährungsgewohnheiten mitbestimmen? "Ich traue den Menschen zu, sinnvolle Entscheidungen zu treffen, vorausgesetzt, sie sind genug informiert. Die Aufklärung muss schon im Kindergarten und in der Schule beginnen", antwortet Maike Hamacher auf diese Frage.
Mehr Wertschätzung für gesunde Lebensmittel wünscht sich die Projektmanagerin, die den Landkreis auf einem guten Weg bezüglich der ökologisch bebauten Flächen sieht. Mit 21 Prozent laut Pressemitteilung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) gehört der Landkreis zu den Regionen mit dem höchstem Bio-Anteil in Bayern. "Wir haben das gesteckte Ziel bereits erreicht", ist ihr Fazit.