
Malte Niemeyer, blaue Arbeitsjacke und -hose, nimmt auf dem Fahrersitz Platz. Vor ihm befindet sich ein Lenkrad, rechts neben ihm ein Display mit Knöpfen, an seinen Füßen findet sich ein Gas- sowie ein Bremspedal. Was zunächst einmal recht unspektakulär klingt, ist auf den zweiten Blick komplett ungewohnt. Denn Malte Niemeyer hat nicht wie üblich die Stufen zum Fahrersitz in der Kabine des Lastkraftwagens erklommen. Nein. Er sitzt im Hauptquartier der Geis-Gruppe in Bad Neustadt vor fünf Bildschirmen in einem Büro, dem Leitstand. Das besondere: Von hier aus steuert er einen Lkw, der auf dem Hof der Geis-Gruppe aus Bad Neustadt steht. Was nach Science-Fiction oder einem Computer-Spiel klingt, ist in der Saalestadt Realität.
Nicht weniger ungewohnt ist es, wenn man einen Blick in den Innenraum des Lkw wirft, der teleoperativ bewegt wird, quasi durch Fernsteuerung fährt. Das Cockpit sieht dabei aus, wie bei anderen Brummis, abgesehen von einzelnen Schaltern und einem auffälligen, roten Buzzer auf der Mittelkonsole. Auf dem Fahrersitz sitzt Martin Plate. Er greift aber nur im Notfall ein, denn er ist dafür da, die Fahrt zu überwachen. Der Lkw soll nämlich vom Hof der Firma Geis am Rudolf-Diesel-Ring aus über eine öffentliche Straße zu einem Parkplatz in der Industriestraße fahren, dort umdrehen und den Weg wieder retour fahren. Für die Testfahrt wurden Straßen teilweise gesperrt, auch ein Beamter der Polizei ist vor Ort.
Neben Plate befindet sich auch Timo Eggers mit im Fahrzeug. Er überwacht die Streckenführung vom Rücksitz aus. Der Lkw soll nämlich nicht ausschließlich vom Leitstand aus, sondern auch teilweise vollständig autonom mittels Geokoordinaten im Testbetrieb gesteuert werden.
Testlauf im Rahmen von gefördertem Projekt
Der Testbetrieb im Gewerbegebiet "Am Dolzbach" findet im Rahmen des staatlich geförderten Projekts "5G-Innoplat-NES" statt. Die Geis-Gruppe, die mit ihrem Technologiepartner Götting KG den Lkw auf die Straße gebracht hat, schreibt in einer Mitteilung: "Dieser Testlauf ist ein entscheidender Schritt hin zu einer automatisierten und zukunftsfähigen Nahverkehrslogistik, die insbesondere den Herausforderungen des Fachkräftemangels im Berufskraftverkehr begegnen soll."

Aktuell muss eine Sicherheitsperson mit auf dem Lkw sein, um auf öffentlichen Straßen unterwegs sein zu dürfen. Zudem findet die Be- und Entladung derzeit durch den Fahrer statt. Zukünftig müssten die Mitarbeitenden also weniger qualifiziert sein. Das heißt, es muss kein Lkw-Führerschein vorhanden sein, was in Zeiten des Fachkräftemangels den Speditionen neue Möglichkeiten eröffnen dürfte.
Wie funktioniert das Fernsteuern des Lkw?
Aber wie funktioniert das alles? Das sogenannte 5G-Teleoperations-System ermöglicht es, Lastkraftwagen aus der Ferne in Echtzeit zu steuern, heißt es von Geis. Dabei soll die Kombination aus hochauflösender Bildübertragung und einer nicht vorhandenen Verzögerung bei der Übertragung für eine sichere und präzise Fahrzeugführung sorgen. Ein Operator im Leitstand hat die Umgebung des Fahrzeugs stets im Blick und kann unmittelbar auf Verkehrssituationen reagieren, so die Erklärung weiter. Sogar das autonome Abfahren einer zuvor mittels Geokoordinaten eingelesenen Route ist mit dem 5G-Netz möglich.
Bei der Testfahrt hat es da noch an einigen Punkten geruckelt, aber es hat funktioniert. Ein Problem, das vorherrschte, war zum Beispiel, dass sich das Lenkrad nicht schneller als vier Grad pro Sekunde drehen durfte. Zurückzuführend war das auf eine Softwarebeschränkung. Lösbar sozusagen.

"Unser Ziel ist es, die Automatisierung in der Logistikbranche voranzutreiben und gleichzeitig die Arbeitsbedingungen für Fachkräfte zu verbessern", wird Hans-Wolfgang Geis, Geschäftsführender Gesellschafter der Geis-Gruppe, zitiert. "Dieser erfolgreiche Testlauf zeigt, welches Potenzial in dieser Technologie steckt."
Technologie könne zum echten Game-Changer werden
Ralf Lammering, Geschäftsführer bei Geis, erklärt, dass es sich bei der 5G-Funktechnologie um eine Nahfunktechnologie handelt. Dafür braucht man viele Antennen und Funkradien, die sich überschneiden. Jetzt sollte nachgewiesen werden, ob ein Nutzfahrzeug im Nahbereich gesteuert werden kann. Er zielt damit auf den Use-Case ab, wenn Lkw im Nahverkehr regelmäßig die gleiche Strecke fahren.

"Der Moment, als sich der Lkw ohne Zutun eines Fahrers am Lenkrad in Bewegung setzte, war ein bedeutender Moment für uns alle", wird Jochen Geis, Geschäftsführender Gesellschafter der Geis-Gruppe, in der Mitteilung zitiert. "Diese Technologie kann zu einem echten Game-Changer für die Logistikbranche werden."
Das Unternehmen betont darüber hinaus, dass neben der Effizienz vor allem die Sicherheit im Fokus stehe. "Die Teleoperation erlaubt es, kritische Verkehrssituationen frühzeitig zu erkennen und sicher zu handeln", heißt es. Und: "Die Technologie bietet damit eine Lösung, um auch in anspruchsvollen Umgebungen eine zuverlässige Fahrzeugsteuerung zu gewährleisten."
Der Artikel wurde aktualisiert. In einer früheren Version hieß es, dass Malte Niemeyer von der Geis-Gruppe ist. Er ist jedoch bei der Firma Götting angestellt.
Das schafft neue Arbeitsplätze für Fachkräfte die jetzt schon Mangelware sind. Ist etwa schon 1. April oder stammt der Artikel gar vom Postillon?
"Aktuell muss eine Sicherheitsperson mit auf dem Lkw sein, um auf öffentlichen Straßen unterwegs sein zu dürfen. Zudem findet die Be- und Entladung derzeit durch den Fahrer statt."