
Mit der Explosion der Preise an der Strombörse ist auch der Markt der Anbieter gewaltig in Bewegung geraten. Für Schnäppchenjäger ist es nahezu unmöglich bei einem Wechsel günstigere Konditionen vorzufinden, als beim bisherigen Versorger.
Hart trifft es besonders Opfer von Insolvenzen oder von Vertragskündigungen. Sie werden zwar vom Grundversorger der Region weiter mit Strom beliefert, aber gewöhnlich zu häufig weit ungünstigeren Bedingungen als die Stammkunden. Verbraucherschutzorganisationen prangern solche Praxis inzwischen an. Das Überlandwerk Rhön hat nun seit diesem Donnerstag für Neukunden einen Sondertarif aufgelegt, der den Vergleich mit so manchem Billiganbieter nicht scheuen muss.
Über Nacht war der Vertrag gekündigt
Im Verbreitungsgebiet des kommunalen Versorgers waren es etwa 300 Abnehmer, die – manche über Nacht – plötzlich keinen Stromliefervertrag mehr besaßen. „Zu 95 Prozent private Haushalte“, erklärt Werner Schrepfer, stellvertretender Stromvertriebsleiter. Das Überlandwerk ist gesetzlich verpflichtet, die Betroffenen „aufzufangen“ und weiter zu versorgen. Das hat jedoch seinen Preis.
Die neuen Abnehmer fallen zunächst in den Grundversorgungstarif, der einen Verbrauchspreis von knapp 55 Cent je Kilowattstunde vorsieht. Bei einem Durchschnittshaushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 2500 kWh macht das monatlich nicht ganz 130 Euro aus, was etwa dem doppelten Betrag entspricht, den ein Stammkunde zu tragen hat.
Neuerdings haben die Einsteiger – aber auch Wechselkunden - drei Monate Zeit, in den „Fix-Strom-Tarif" zu wechseln, der bei 43 Cent je kWh liegt. Die monatlichen Kosten liegen wiederum für den Durchschnittshaushalt dann bei etwas über 100 Euro – also etwa in der Mitte zwischen dem Preis für Stammkunden und dem Grundpreis für Neukunden. Ein Blick auf die unterschiedlichen Vergleichsportale zeigt, dass das Überlandwerk im Ranking der Anbieter nun im Spitzenbereich zu finden ist, hält Geschäftsführer Joachim Schärtl fest. Der Preis soll bis zu einer allgemeinen Neukalkulation im Herbst gültig sein.

Werbemaßnahme der besonderen Art
Mit dem Angebot möchte das Überlandwerk natürlich die betroffenen Haushalte als dauerhafte Kunden gewinnen – bisher werden laut Schärtl etwa 15 Prozent der Anschlussnehmer im Verbreitungsgebiet nicht vom Überlandwerk versorgt. „Das soll aber nicht über Prämien laufen, wie es die Billiganbieter praktizieren.“ Vielmehr will das Unternehmen die Stammkunden nicht durch Gleichbehandlung der Neukunden oder gar Vorzugsangeboten belasten. Denn für die zusätzlichen Kunden müssen auch zusätzliche und teurere Kontingente an der Strombörse eingekauft werden.
Den moderaten Aufschlag kann sich das Unternehmen auch nur aufgrund seiner Einkaufsstrategie leisten, fährt Schärtl fort. „Der Strom, der jetzt verbraucht wird, wurde bereits im Vorjahr oder noch davor geordert – als die Preise noch auf dem niedrigen Niveau lagen.“ Zum Geschäftsgebaren gehöre es, zwei bis drei Jahre im Voraus die benötigten Kontingente einzukaufen. Somit sei das Überlandwerk nicht in diesem Maße von der aktuellen Preisexplosion betroffen. Ein Blick auf die Entwicklung des Preises an der Strombörse zeigt, dass sich der Strom bei seinem Spitzenwert vor zwei Monaten gegenüber dem Preis ein Jahr zuvor fast verzehnfacht hatte.
Großabnehmer sind besonders belastet
Schlimm ist die aktuelle Situation für Großabnehmer, die eine kurzfristigere Einkaufspolitik verfolgen. Sie müssen teilweise die horrenden Strompreise voll mittragen. Wie sich die Strompreise weiter entwickeln, kann Schärtl auch nicht sagen. Augenblick scheint sich die Lage wieder etwas zu beruhigen, aber Prognosen abgeben: „das würde einem Blick in die Glaskugel gleichen“.