Schweiß, viel Schweiß ist hier geflossen, viel tauender Schnee von Tausenden Skischuhen. Und wer genau hinsieht, findet auch ein paar Tränentropfen auf dem eiskalten Boden der Skihütte Lumumba am Arnsberg-Doppellift in der Rhön. Eine Ära ist zu Ende gegangen. Lilo und Erich Degand haben den Hüttenschlüssel für immer umgedreht. Nach 50 Jahren.
Keine Flädles-Suppe mehr für verfrorene Skifexe, keine Currywurst für die Dreikäsehochs, die auf den Hängen des Arnsbergs in die Geheimnisse von Tal- und Bergski eingewiesen werden. Was bleibt, sind Höhenmeter von guten Erinnerungen an viele Wintersportjahre.
Als der Schnee schon im November kam
Zum Beispiel der unvergessene Winter 2005/2006. "Wir wollten die Hütte neu bauen. Bis in den Oktober hat es gedauert, bis wir die Genehmigung hatten. Und dann kam schon im November genug Schnee zum Skifahren in der Rhön. Das einzige Mal schon im November, solange wir die Hütte hatten", erinnert sich Erich Degand. Seine Frau Lilo und er schworen sich, bis zu Weihnachten die neue Hütte in Betrieb zu nehmen.
Bis in die Nacht wurde gezimmert, gehämmert, gebuckelt. Früh am nächsten Morgen ging es auf die Arbeit im Industriebetrieb, um am Nachmittag wieder auf dem Berg zu stehen, damit der Neubau noch fertig wird. Rechtzeitig zu den Weihnachtsferien stand er. Der Schwur wurde erfüllt. Die neue Hütte bot erstmals einen Aufenthaltsraum und Innenverkauf.
"Naja, wir haben im Familienkreis hin und her überlegt, wie die Hütte heißen könnte. Und weil das Lieblingsgetränk meiner Mutter Erna Lumumba war, haben wir sie Lumumba-Hütte genannt", lüftet Lilo Degand das Geheimnis um den Namen. Das Heißgetränk mit Kakao, Rum und Sahnehaube passend zur Schneehöhe gehörte seitdem zum Standard-Angebot.
Ein Kiosk für den Arnsberg-Lift
Es ist fast untertrieben, wenn man Lilo Degand die treibende Kraft hinter der Lumumba-Hütte nennt. Man muss schon ein Energiebündel sein, wenn man 50 Jahre die Rhöner Winter als Hüttenwirtin verbringt. Und man muss ganz und gar ein Familienmensch sein. "Es sollte eigentlich eine Wochenend-Hütte für die Familie werden", erzählt Lilo Degand von den damaligen Plänen ihrer Eltern Helmut und Erna Enders aus Frankenheim (Lkr. Rhön-Grabfeld).
Der damalige Betreiber des Arnsbergliftes brachte die Idee ins Spiel, doch auch eine Versorgungsmöglichkeit für die Skitouristen zu schaffen. Also ging es 1971 los. "Ich habe selbst mit angepackt als junges Mädchen beim Bau. Seitdem gehört die Hütte zu meinem Leben", sagt Lilo Degand.
Heißer Tee und Brötchen mit Presssack
Drei auf drei Meter war die erste Hütte groß. "Es wurde nur nach außen verkauft, am Anfang gab es Pressack-Brötchen und heißen Tee", blickt Lilo Degand auf die Anfänge in den Siebzigern zurück. Tatsächlich gab es bis zum Schluss einen Gast aus alten Tagen, der auf Schwarzen Tee und Pressackbrötchen bestand. "Für ihn haben wir immer extra was eingepackt", lacht Degand.
1975 dann ein Schicksalsschlag: Mit 17 Jahren verliert Lilo Degand ihre Mutter, die bis dahin mit ihrem Ehemann Helmut Hauptperson im Skihütten-Betrieb war. Für die Tochter war klar: "Das muss erhalten bleiben!" Daran hielt sie sich auch 50 Jahre. Auch dann noch, als sie mit ihrem Mann Erich Degand in Bad Bocklet im Nachbarlandkreis Bad Kissingen ihre eigene Familie gründete. Der Hüttenkiosk blieb Herzenssache.
Wurst vom Metzger und der Hauptberuf in der Industrie
Bei Liftbetrieb ging es vom Kurstädtchen aus die gute halbe Stunde Richtung Arnsberglift. Auf dem Weg dorthin wurden die Siedwürste eingekauft vom Rhöner Metzger. In 5-Liter-Kanistern wurde das Wasser für den Tee hoch zur Hütte gebracht, die über keine richtige Stromversorgung verfügte. "Wir hatten immer gute Qualität, das war uns wichtig", sagt die Hüttenwirtin. Wenn die Freundin der Familie aus Bad Neustadt am Arnsberg aushalf, wurde die große Runde gefahren.
Das ging auch so, als Lilo Degand ihre beiden Kinder versorgte. Und daran änderte auch der Fabrik-Job in Münnerstadt von Ehemann Erich nichts. "Die Chefs waren immer kulant. Wenn es sein musste, habe ich eine Stunde früher zu arbeiten begonnen, damit ich nachmittags an der Hütte helfen konnte", sagt Erich Degand.
Vom Arbeitskollegen in Münnerstadt stammt auch das alte Paar Skischuhe, das eine Wand ziert. Rustikale Holzskier mit Stöcken gehörten ebenso zum Inventar wie das Kreuz über dem Türsturz, das der Bad Bockleter Pfarrer beigesteuert hat. Links neben der Geschirr-Rückgabe bollerte an den Betriebstagen der Pelletofen, der sich gegen die Rhöner Kälte ordentlich mühte.
Auf die Siedwürste und die Flädlessuppe folgte irgendwann die Currywurst, das Lieblingsgericht vor allem der Kinder. Nur Pommes gab es in all den Jahren nie. "Die Fritteuse hätte zu viel Strom gezogen", erklärt Erich Degand. Dazu kamen weitere Gerichte bis hin zum Chili con Carne. "Bis zum Abend haben wir bedient an der Hütte, und zu Hause wurde dann am Abend der Eintopf für den nächsten Tag noch gekocht. Das waren keine Acht-Stunden-Tage, das waren 18-Stunden-Tage", blickt Lilo Degand zurück. "Und wir haben nie gefehlt, in all den Jahren nicht", fügt sie an.
Die ganze Familie mischte mit
Als 1991 Vater Helmut starb, haben bis 1998 die Degands alleine die Hütte betrieben, die damals ihren exotischen Namen noch nicht trug. Zwischen 1998 und 2005 sprang Schwester Helga Strauß ein, ehe ab 2005 wieder Lilo und Erich Degand das Ruder übernahmen. Die Hütte war also immer im Familienbesitz. Und immer stand die Familie zusammen, wenn Hilfe gebraucht wurde. Bruder Rolf Enders und die jüngere Schwester Christiane, die 2020 starb, halfen mit, wo es ging.
Wer 50 Jahre auf dem Arnsberg die Winter verbringt, kann etwas zum Rhöner Schnee sagen. "Schwankungen gab es eigentlich schon immer. In den Achtzigerjahren gab es Phasen mit wenigen Schneetagen. Dann gab es wieder super Schneewinter, aber den Corona-Lockdown", zählt Erich Degand auf. Wer mit dem Winter hier ein Geschäft machen will, muss in längeren Abschnitten denken.
Lilo und Erich Degand wollen nach 50 Jahren etwas kürzertreten, das Alter mache sich langsam bemerkbar. Die Kinder aber hätten Jobs, die keine Luft für ein Engagement lassen würden. "Es war immer ein Stück Heimat", sagt Lilo Degand zu ihrer Lumumba-Hütte. Für die wird nun ein neuer Betreiber gesucht. Schließlich gehört zu einem Lift auch ein Einkehrschwung.
Es soll auf jeden Fall weitergehen, so wie es die letzten 50 Jahre war. "Mein Vater hatte es ja auch immer gesagt: Die Kinder müssen doch das Skifahren lernen". Und dazu gehört nun mal eine Currywurst von der Lumumba-Hütte.