Im Sommer ging Christoph Helm an die Öffentlichkeit. Die Betreuerin seines Freundes Stefan S. (Name von der Redaktion geändert) hatte ihm die Auskunft darüber verweigert, warum der 81-Jährige im Koma liegt und zwei gebrochene Beine hat. Nach langen Auseinandersetzungen bekam er seine Antworten – und ein Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung.
Was war geschehen? Seit Juni liegt Stefan S. im Koma. Erst im Klinikum Meiningen, dann in einer Betreuungseinrichtung für beatmungspflichtige Patienten in Suhl. Kürzlich wurde er in eine ähnliche Einrichtung nach Coburg verlegt.
Krankheit hat sich verschlimmert
Stefan S.‘ Gesundheitszustand hat sich laut Christoph Helm in den letzten Monaten verschlimmert. Die Vorgeschichte liest sich so: Der alleine in der oberen Rhön lebende Diabetiker war am 28. Mai beim Transport zu einem ambulanten Arzttermin in Meiningen vom Tragestuhl gefallen. Dabei brach sich der 81-Jährige beide Beine unterhalb des Knies. Am Tag danach fiel er ins Koma, aus dem er bislang nicht erwacht ist.
Als Christoph Helm seinen Freund kürzlich in Coburg besuchte, musste er feststellen, dass das linke Bein nun unterhalb der Hüfte amputiert wurde: „Er reagiert nicht. Sein Blick ist an die Decke gerichtet. Nur wenn man ihn streichelt, erhöht sich die Pulsfrequenz.“
Die Vorsorgevollmacht, die Stefan S. der Geschäftsführerin des ihn ambulant betreuenden Pflegedienstes aus der oberen Rhön 2014 unterschrieben hatte, ist nicht mehr gültig. Im Juli 2019 hat das Betreuungsgericht Bad Neustadt die gesetzliche Betreuung, insbesondere die Vermögensverwaltung, in die Hände eines Berufsbetreuers aus der Rhön gelegt. Die Geschäftsführerin des Pflegedienstes war somit nur noch für die medizinische Versorgung zuständig und übte das Aufenthaltsbestimmungsrecht aus.
Neue Betreuerin
Auch das hat sich geändert. Nach der Verlegung des 81-Jährigen in eine Coburger Einrichtung hat das dortige Betreuungsgericht die in der Stadt praktizierende Anwältin Ines Göhring zur alleinigen Betreuerin des Komapatienten bestimmt.
Christoph Helm hatte sich im Juli 2019 nicht nur deshalb an die Öffentlichkeit gewandt, weil die Geschäftsführerin des Pflegedienstes ihm keine Auskunft geben wollte und ein Besuchsverbot gegen ihn erwirkt hatte. Er fand es auch unhaltbar, dass Beamte der Polizeiinspektion Mellrichstadt der Geschäftsführerin den Schlüssel für den Waffentresor des Komapatienten ausgehändigt hatten (wir berichteten).
Seiner Ansicht nach hätte dies aus waffenrechtlichen Gründen niemals passieren dürfen. Helm, selbst Jäger, stützt sich bei seiner Aussage auf die Einlassung einer Juristin des Bayerischen Jagdverbandes. Ihres Erachtens nach war es nicht statthaft, einer zum Waffenbesitz nicht berechtigten Person den Waffen- und Munitionszugang inklusive der zugehörigen Waffenbesitzkarten zu überlassen.
Ermittlungen
Helms Gang an die Öffentlichkeit hatte rechtliche Konsequenzen. Wie Elmar Hofmann, der Leiter der Polizeiinspektion Mellrichstadt, bestätigte, ermittelte seine Behörde aus eigener Initiative wegen falscher Verdächtigung gegen Christoph Helm; zudem gegen Nikolaus Schmidt, ebenfalls aus der oberen Rhön.
Schmidt war von 1993 bis 2012 Leiter der Abteilung Wohnungslosenhilfe am Heimathof Simonshof. Nach der Veröffentlichung des Artikels „Streit um Vollmacht: Freunde dürfen nicht zu Komapatienten“ entschloss er sich, Anzeige gegen den Pflegedienst zu erstatten. Er tat dies, weil ihm „der Vorgang dubios erscheint und in vielen Details Anzeichen auf ein kriminelles Agieren aufweist“ . So formulierte er seinen Eindruck in einer Stellungnahme an die Polizei.
Wie kam Schmidt zu dieser Einschätzung? In einem Gespräch mit dieser Redaktion berichtet er, dass er den 81-Jährigen seit 1995 kennt und ihn öfters besuchte. Vor einigen Jahren habe er wiederholt mit Stefan S. über Vorsorgevollmachten im Allgemeinen gesprochen. Dabei habe S. mindestens zweimal erklärt, dass ihn der Pflegedienst wiederholt mit diesem Thema konfrontiert und die Übernahme der Betreuung angeboten habe. Dabei habe Stefan S. sinngemäß gesagt, „dass die für so was absolut nicht in Frage kommen“, erläutert Schmidt.
War es eine Unterstellung?
Die Polizei ging in ihren Ermittlungen auch der Frage nach, ob Schmidt der Geschäftsführerin unterstellt, sie habe widerrechtlich über das Vermögen des schwerkranken 81-Jährigen, insbesondere die Jagdwaffen, verfügt.
Stutzig macht Schmidt auch, dass neun Tage nach dem Unfall von Stefan S. ein Mann aus dem familiären Umfeld der Geschäftsführerin des Pflegedienstes persönlich bei einem Geschäftsmann angefragt hatte, ob er Interesse am Erwerb von Jagdwaffen habe. Dieser Vorgang, der der Polizei und der Staatsanwaltschaft bekannt ist, ist nach Schmidts Rechtsverständnis "ein unzulässiger Vorgriff auf die Nachlassverwertung" des 81-Jährigen.
Das sieht die Staatsanwaltschaft anders. Alleine das Äußern einer Verkaufsabsicht sei nicht strafbar und schaffe damit keine Grundlage für Ermittlungen, war von dem leitenden Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Schweinfurt zu erfahren. Weihprecht teilte auch mit, dass die Verfahren gegen Christoph Helm und Nikolaus Schmidt wegen falscher Verdächtigung dieser Tage eingestellt wurden. Die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass sowohl Helm als auch Schmidt nicht wider besseres Wissen gehandelt hätten.
wenn ich "einfach nur ohne weiteren Zusammenhang" darauf verweise, dass laut Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei ca. jeder zweite Mord in Deutschland unentdeckt bleibt?