Rudolf Mauder ist ein Mann mit vielen Talenten. Kein Wunder, dass Mellrichstadts damaliger Bürgermeister Oskar Herbig dem engagierten Lehrer 1983 die Leitung des neu eingerichteten Heimatmuseums in der Stadt antrug. Die Wahl erwies sich als Glücksgriff. Mit Feuereifer, Eigeninitiative und unglaublich viel Herzblut hat Rudolf Mauder das "Salzhaus" im Brügel zu einem Schatzkästchen gemacht. Für Gäste aller Altersgruppen ist ein Besuch im Heimatmuseum ein Erlebnis, insbesondere, wenn Mauder in die Rolle des gestrengen Dorfschulmeisters schlüpft oder zeigt, wie anno dazumal aus Flachs feinstes Leinen entstand.
Im Laufe der Jahre hat sich Rudolf Mauder einen immens großen Wissensschatz angeeignet. Und wird nicht müde, diesen an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Zu seinem 80. Geburtstag am Sonntag, 2. Januar, ist eine Würdigung seiner Verdienste mehr als angebracht. Zumal ihn seine Liebe zu den Schätzen der Vergangenheit auch in seinem neuen Lebensjahrzehnt begleitet.
Das Heimatmuseum ist eine Lebensaufgabe
Mit Anfang 40 hatte der passionierte Volksschullehrer die Verantwortung für den Aufbau des Heimatmuseums übernommen, das ein Herzensanliegen von Oskar Herbig war. Der damalige Stadtchef hatte eine beachtliche Sammlung an alten Schätzen zusammengetragen, die allerdings ungeordnet vor sich hinschlummerte. "Rudolf, du bist doch Lehrer. Lehrer kennen sich aus und haben nachmittags frei, das wäre doch eine Aufgabe für dich", hatte Herbig ihm die Aufgabe schmackhaft zu machen versucht. Und Rudolf Mauder fand seine Lebensaufgabe.
Er machte aus dem Salzhaus einen Ort der dörflichen Geschichte, ordnete und katalogisierte eine immer weiter wachsende Zahl an Exponaten und fasste sie zu Themenbereichen zusammen. Doch nicht nur das. Mit handwerklichem Geschick bereitete er die Ausstellungsstücke auf, reparierte und restaurierte alte Geräte und erkundete deren Funktion und Gebrauch. Und ließ im Anschluss bei seinen beliebten Vorführungen das alte bäuerliche Leben in der Region wieder lebendig werden. So lernte Mauder unter anderem, Flachs anzubauen und zeigte schließlich alle Arbeitsschritte von der Aussaat des Flachssamens bis hin zum Endprodukt, einem Leinenhemd aus Urgroßmutters Kleiderschrank.
Eintauchen in die Vergangenheit
Ganze Schülergenerationen haben im Salzhaus den Kaufladen besichtigt, Wäsche gewaschen, Seile gefertigt, mit Gänsekiel geschrieben und gekeltert. Zahllose Erwachsenengruppen sind in die Vergangenheit eingetaucht, viele haben sich an die alten Zeiten erinnert. Rudolf Mauder macht die Besuche im Heimatmuseum stets zu einem Erlebnis. Ebenso beliebt sind seine Lesungen im Sommer am Galgenturm. Alte Sagen und Geschichten rund um Mellrichstadt faszinieren die Zuhörerschar jedes Mal aufs Neue.
Für seinen beispiellosen Einsatz für den Erhalt der Geschichte wurde Mauder 2014 zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Altbürgermeister Eberhard Streit würdigte in seiner Laudatio seinen Idealismus und seine Leidenschaft beim Aufbau des Museums und bescheinigte Mauders Arbeit "einen unschätzbaren Wert". Im vergangenen Jahr kam eine weitere Auszeichnung dazu: Für seine Verdienste wurde ihm am 19. September auf Schloss Aschach der Kulturehrenbrief des Bezirks Unterfranken verliehen. Die Würdigung seiner Arbeit freute den Mellrichstädter, der den Dank schon 2014 an seine Frau Heidrun weitergab, die ihn in all den Jahren stark unterstützt hat.
Grundschullehrer aus Leidenschaft
Doch nicht nur den Besucherinnen und Besuchern des Heimatmuseums bleibt Rudolf Mauders unvergleichlich lebendige Vermittlung von altem Wissen im Gedächtnis. Zahllose junge Leute werden, wenn sie auf ihre Grundschuljahre zurückblicken, die Erinnerung auch mit seinem Namen verbinden. Der "Mellrichstädter mit Leib und Seele", wie er sich selbst bezeichnet, hat von 1975 bis 2006 vorwiegend Dritt- und Viertklässler an der örtlichen Grundschule unterrichtet und sich dabei auch stets um das Wohl seiner Schützlinge bemüht – im schulischen wie auch im menschlichen Sinn.
1968 hatte er an der Verbandsschule Hollstadt seine erste Klasse mit Abc-Schützen unterrichtet. Gern erinnert er sich an diese Zeit zurück, an die familiäre Atmosphäre im Kollegium und den engen Kontakt zu den Schulkindern. "Im Winter sind wir damals gemeinsam am Nachmittag Schlitten gefahren", schilderte er bei seinem Abschied aus dem Schuldienst. Nach 40 Jahren als Lehrer, in denen er nie als unnahbare Autoritätsperson aufgetreten war, schlüpft er in seiner Freizeit noch gern in seine Paraderolle und mimt im Salzhaus oder im Freilandmuseum in Fladungen den gestrengen Dorfschulmeister, der er im Schuldienst nie war. Bis heute freuen sich Erwachsene und Kinder auf diese Zeitreise.
Vorfreude auf die neue Saison
Ein Klassenzimmer hätte Rudolf Mauder am liebsten auch mit eigenem Nachwuchs gefüllt. "Acht Kinder hat sich mein Mann zu Beginn unserer Ehe gewünscht, aber nach einer Tochter und zwei Söhnen war dann doch Schluss", schilderte seine Frau Heidrun augenzwinkernd bei seinem Renteneintritt. Schließlich hat sich der Lehrer in 38 Jahren Schuldienst auch noch um fast tausend acht- bis zehnjährige Zöglinge gekümmert.
Wie viele Besucher in den vergangenen 40 Jahren das Heimatmuseum "Salzhaus" besucht haben, hat das junggebliebene Geburtstagskind sicher in seinen Annalen vermerkt. Doch es sollen noch mehr werden. Vor der Corona-Pandemie führte er im Schnitt 50 bis 70 Klassen durchs Museum, dazu zahlreiche private Gruppen. Und natürlich kommen viele Besucher zu den regulären Öffnungszeiten. Sie freuen sich schon auf die neue Saison, wenn Rudolf Mauder erneut in seiner unnachahmlichen Art Geschichte lebendig werden lässt.