Jens Waschke ist Anatomie-Professor, Sachbuchautor, Mitgründer einer Lernsoftware für Medizinstudierende. Er leitet den Lehrstuhl für Anatomie I (vegetative Anatomie) an der LMU München, ist Vorsitzender in der Anatomischen Gesellschaft und Mitherausgeber des bekannten Sobottas-Anatomieatlasses, einem Standardwerk im Medizinstudium. Und: Jens Waschke ist Krimifan. Da verwundert es nicht, dass der ehemalige Bad Neustädter nun einen eigenen Krimi geschrieben hat.
Erst im vergangenen Jahr hat der 46-Jährige, der in der Rhön aufgewachsen ist, sein erstes Anatomie-Sachbuch veröffentlicht: "Mensch – einfach genial: Die Anatomie zwischen Locke und Socke". Da erklärt er den Aufbau des menschlichen Körpers – unterhaltsam und für jedermann verständlich. Als Wissenschaftler habe er in der Theorie bereits "alles abgehakt", sagt Waschke. "Also warum nicht einen Krimi schreiben?" Schließlich habe das auch mit Anatomie zu tun und greife ineinander.
In seinem Krimi "Einbein" gehe es vor allem um die moralischen Aspekte im Handel mit Leichen und Körperteilen und die Geschichte des Münchner Anatomischen Instituts, "die konnte ich im Krimi besser rein bringen und mich gleichzeitig von den Figuren distanzieren", sagt Waschke.
Hauptfigur ist der alternde Anatomie-Professor Nodus. Ein desillusionierter, zynischer und messihafter Wissenschaftler, der seine Feierabende in den Biergärten der Stadt verbringt. Die Idylle wird unterbrochen, als auf dem Hinterhof des Instituts ein Bein gefunden wird. Im skurrilen Geschäft mit Leichenteilen wird Nodus selbst Opfer einer unerbittlichen Verfolgung.
Die Handlung sei Hollywood-reif und gar nicht so abwegig, wie es manchem Leser vielleicht scheinen mag, sagt Waschke. "Der Handel mit Leichenteilen existiert tatsächlich. Wir Anatomen werden immer wieder damit konfrontiert."
Für jemandem, der im medizinischen Bereich tätig ist, sei es "kein Problem, Leichenteile zu kaufen". Es gebe Firmen, die Menschen dafür sogar Geld anbieten. "Die Präparate werden aus den USA oder anderen Ländern importiert." Gerade Kliniken würden Körperteile von solchen Firmen kaufen, beispielsweise für eigene Weiterbildungskurse oder zu Übungszwecken.
Unter Anatomen werde das argwöhnisch betrachtet: "Mir kann keiner erzählen, dass die Körper am Ende wieder zurückgebracht werden und alle Körperteile zusammen bestattet werden. Das tolerieren wir als Anatomen gar nicht. Alles, was wir einem Körper entnehmen, wird am Ende gesammelt und zusammen bestattet."
Denn anders als bei kommerziellen Anbietern müsse man eigentlich dafür zahlen, um seinen Körper der Forschung und Lehre zu vermachen. Das sei auch ein Grund, warum die Zahl der Körper in den Anatomischen Instituten begrenzt ist, sagt Waschke, "das beschreibe ich auch kritisch im Buch."
Jens Waschke: Maschine oder Mann?
Eigentlich habe er gar keinen so "schweren" Krimi schreiben wollen, sagt der Familienvater. Die Idee dazu sei ihm 2019 im Oster-Urlaub gekommen. "Das Wetter war so schlecht, dass wir wenig machen konnten, also habe ich angefangen und jeden Tag eine Stunde geschrieben."
Jens Waschke ist ein Macher. Was er sich vornimmt, zieht er durch. So auch bei seinem Krimi-Erstling. Innerhalb weniger Wochen schreibt er "Einbein", mitten im ersten Corona-Lockdown: "Wir konnten zwei Wochen lang nicht wirklich arbeiten, und dann kamen noch die Semesterferien. Da habe ich mich hingesetzt und das Buch an einem Stück geschrieben."
Und das an einem sehr ungewöhnlichen Ort: zuhause, aber im Minibus – "um eine andere Perspektive zu haben". Am Ende des Lockdowns ist sein Krimi fertig.
Krimi schreiben als Hobby
Wissenschaftler und Dozent, Sachbuchautor, Unternehmer und jetzt noch Schriftsteller. Was ihn antreibe, das wisse er auch nicht so richtig, sagt Waschke: "Ich bin sehr fokussiert. Ich überlege mir sehr genau, was ich machen möchte und dann organisiere ich auch, dass ich dafür genug Zeit habe."
Für die Sachbücher nehme er sich zuhause immer gezielt ein paar Stunden – "das geht nicht nebenbei". Aber am Krimi, "da habe ich immer wieder in der Freizeit geschrieben". Die Veröffentlichung seines Krimis wollte der Mediziner "dann auch durchziehen". Kurzerhand beschloss er im Herbst, das Buch selber zu verlegen, statt einen Verlag zu suchen.
Fortsetzung ist schon in den Startlöchern
Derzeit arbeitet der umtriebige und unermüdliche Anatomieprofessor an der Jubiläumsausgabe des Sobotta-Atlasses, auch das Nachfolge-Manuskript von "Mensch – einfach genial" ist bereits fertig. Wird es einen zweiten Krimi geben? "Ich sammle bereits Ideen für einen zweiten Teil", sagt Waschke auf die Frage. In der Fortsetzung wolle er das, was er während des literarischen Schreibens gelernt habe, besser umsetzen: "Ich bin ja doch ein Sachbuchautor. Die Handlungsstränge auszubauen ist mir schwergefallen. Das kann ich jetzt besser machen."
Erhältlich ist "Einbein" von Jens Waschke unter www.quowadis-anatomie.de sowie in den Buchhandlungen Ruprecht in Bad Neustadt und Knodt in Würzburg.
In einer früheren Version waren der Name der Uni und des Instituts falsch benannt. Dies haben wir mittlerweile aktualisiert und ausgebessert.