Es gibt wahrlich angenehmere und erfreulichere Aufenthaltsorte als ein Krankenhaus. Trotzdem verbringt Heidrun Weber viel Zeit dort – es ist ihr "Hobby", wie sie sagt. Die Mellrichstädterin engagiert sich im Rahmen der ehrenamtlichen Klinikseelsorge am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt. Einmal in der Woche besucht sie Patientinnen und Patienten der Neurologischen Klinik, setzt sich an ihre Betten, redet mit ihnen oder schweigt.
"Manchen Patienten halte ich einfach nur die Hand", erzählt Weber. "Solchen, denen das Sprechen schwerfällt." Die rüstige Seniorin ist seit 14 Jahren Ehrenamtliche. Ihr machen die vielen Krankenhaus-Besuche nichts aus. Im Gegenteil: "Als mein Mann zwei Gehirnblutungen und einen Schlaganfall hatte, habe ich auch viel Zeit in der Neurologischen verbracht."
Das war auch der Grund, warum sich Heidrun Weber engagieren wollte: "Ich habe durch meinen Mann das Umfeld kennengelernt", und es hat sie interessiert, sagt Heidrun Weber. "Ich persönlich sehe es als Herausforderung, meinen Horizont zu erweitern", erklärt Weber ihre Motivation zum Ehrenamt.
Kommunikation ist das A und O
Vielen mache es aber auch einfach Freude, beispielsweise nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben, eine sinnvolle Aufgabe zu haben, weiß Pfarrer Joachim Barth. Er gehört zum ökumenischen Seelsorgeteam am Rhön-Klinikum Campus und ist zusammen mit dem katholischen Kollegen Thomas Hart und der evangelischen Pfarrerin Marion Ziegler Ansprechpartner für Ehrenamtliche.
Wer sich für das Ehrenamt interessiert, nimmt zuerst an einem "Basiskurs" teil, erklärt Barth. Hier lernen die Teilnehmer, wie sie mit fremden Menschen in Kontakt kommen und ein Gespräch führen. "Kommunikation findet nicht nur mit Worten statt", weiß Barth. Wichtig sei auch die Körpersprache. Dazu zählen Mimik und Gestik, die Körperhaltung oder der Blickkontakt.
Diese Erfahrung haben auch die Mitglieder der Besuchsgruppe der Neurologischen Klinik gemacht. Zwölf Frauen und Männer zwischen Mitte 50 und Anfang 80 sind es derzeit. Jeder besucht mindestens einmal wöchentlich seine ihm zugeteilte Station, geht in die Zimmer oder setzt sich an einen Tisch, wo jemand dankbar für ein offenes Ohr ist. "Ich stelle mich erst vor und frage dann, ob Interesse an einem Gespräch besteht", erzählt Heidrun Weber ihre Vorgehensweise. Wenn dem so ist, spricht man über Dies und Das.
"Es ist jedes Mal anders", berichtet Weber weiter, das mache die Tätigkeit sehr interessant. Manchmal geht es darum, nur zuzuhören und manchmal darum, einfach ein bisschen zu plaudern. Oder sie versucht, die Patienten untereinander ins Gespräch zu bringen. "Katalysator" sein, nennt sie das. Und wenn ein Patient keinen Besuch will? "Das respektiere ich natürlich", so Weber. Dennoch möchte sie bei all ihren Besuchen eines ganz besonders vermitteln: "Ich bin da."
"Für die Patienten ist es eine besondere Wertschätzung, dass jemand, der eigentlich nicht kommen müsste, ein Ohr für sie hat und sich Zeit nimmt", so Pfarrer Joachim Barth. Vor allem jetzt, nach der langen Coronazeit. Zweieinhalb Jahre durften die Ehrenamtlichen nicht ins Krankenhaus kommen. "Ich habe die Unterstützung durch die Ehrenamtlichen vermisst", so Barth. Erst seit wenigen Wochen sind sie zurück.
Die Schicksale der Patienten
Auch Heidrun Weber besucht seit September wieder Station 1, die weiterführende Rehabilitation. Viele eindrucksvolle Begegnungen habe sie über die Jahre erlebt. Die Seniorin erzählt von einem alleinstehenden Mann, der sich mühevoll ins Leben zurückgekämpft hat, nachdem die Ärzte ihn schon für einen Pflegefall gehalten hatten.
Sensibel und offen muss man für diesen Dienst sein, sagt die Mellrichstädterin. Ihr hilft dabei ihre christliche Einstellung. "Der Glaube ist ein fester Halt in mir." Die Ehrenamtlichen holen die Patientinnen und Patienten auch auf ihren Zimmern ab, bringen sie zum Gottesdienst und anschließend wieder zurück auf Station, erzählt Pfarrer Barth. "Sie haben auch einen Blick auf die Patienten", sagt Barth, was natürlich sehr wichtig sei.
Ein Ende mit Nachhall
Wenn der Patient entlassen ist, ist die Arbeit für die Mitglieder der Besuchsgruppe zu Ende. "Es ist schon schade, dass man nicht weiß, was aus demjenigen wird", gesteht Heidrun Weber. Sie hat viel über den Menschen erfahren, über Sorgen gesprochen und muss dann loslassen. Manchmal verfolgt es einen, sagt Weber. Aber das Positive überwiege meistens. Sie habe auch schon viel gelernt. Wie manche mit ihrem Schicksal umgehen, beeindruckt sie.
Rückmeldung sind eher die Ausnahme, bestätigt auch Joachim Barth. "Ich kann mich an sehr wenige Fälle in 22 Jahren erinnern." Viel wichtiger sei der Austausch mit anderen Ehrenamtlichen. Dafür gebe es regelmäßige Gruppentreffen, bei denen die Arbeit auf Station reflektiert wird und auch Belastendes seinen Platz finden kann, sagt Barth. "Dabei kann man schon vieles davon loswerden, was einen bedrückt." Zum Ehrenamt gehört, dass man sich Auszeiten nehmen soll und darf. Da ist jemand Mal längere Zeit verreist oder muss wegen eigener familiärer Belastungen das Ehrenamt pausieren. "Wir fragen unsere Ehrenamtlichen regelmäßig nach einem Jahr, ob sie ihren Dienst weitermachen wollen", so der evangelische Pastor.
Auch aus Altersgründen scheiden beim Krankenhausbesuchsdienst immer wieder Ehrenamtliche aus. Deshalb würde sich das Team über weitere neue Mitglieder sehr freuen. Was man für das Ehrenamt mitbringen muss? Heidrun Weber: "Dafür braucht man Zeit, Geduld und Mitgefühl." Aber das aller wichtigste ist einfach gut zuhören zu können, sagt Pfarrer Joachim Barth. Als Ansprechpartner steht er zusammen mit Thomas Hart und Marion Ziegler Interessierten gerne zur Verfügung. Nähere Infos auch unter www.klinikseelsorge-bad-neustadt.de