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Bad Neustadt
Nähe trotz Schutzanzug: Klinikseelsorge in Corona-Zeiten
Die Besuchsverbote sind nicht nur für Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige eine Herausforderung, sondern auch für die Krankenhaus-Seelsorger. Ein Blick in deren Alltag.
Das ökumenische Seelsorgeteam am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt (von links): Pfarrerin Marion Ziegler, Pfarrer Harald Richter, Barbara Demling, Gemeindereferentin Gabriela Amon, Pfarrer Jürgen Schwarz, die beiden Gemeindereferenten Heike Waldvogel und Thomas Hart sowie Pfarrer Jochen Barth.
Foto: Bildrechte Klinikseelsorge Rhön-Klinikum | Das ökumenische Seelsorgeteam am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt (von links): Pfarrerin Marion Ziegler, Pfarrer Harald Richter, Barbara Demling, Gemeindereferentin Gabriela Amon, Pfarrer Jürgen Schwarz, die ...
Sigrid Brunner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:18 Uhr

Besuchsverbote und Kontaktbeschränkungen belasten in der Corona-Pandemie viele Patientinnen und Patienten und deren Angehörige zusätzlich. Kranke Menschen brauchen für ihre Genesung auch körperliche Nähe, Zuneigung und seelischen Beistand. Wenn die Familie nicht da sein kann, wird die Arbeit der Krankenhaus-Seelsorger umso wichtiger. Aktuell sind diese, von Ausnahmen abgesehen, die Einzigen, die die Patienten besuchen dürfen. Einsamkeit und Ängste der Patienten stellen nicht nur Ärzte und Pflegekräfte vor neue Herausforderungen, sondern auch die Krankenhaus-Seelsorge.

Für die Fastenzeit wurde in der Krankenhauskapelle eine 'Klagemauer' errichtet, in der die Menschen ihre Sorgen und Nöte hinterlassen können. Das Bild zeigt die Krankenhaus-Seelsorger Heike Waldvogel und Harald Richter beim Aufbau der Mauer.
Foto: Gabriela Amon | Für die Fastenzeit wurde in der Krankenhauskapelle eine "Klagemauer" errichtet, in der die Menschen ihre Sorgen und Nöte hinterlassen können.

Das ökumenische Seelsorgeteam am Rhön-Klinikum Campus besteht aus sieben Personen. Aus den Pfarrerinnen und Pfarrern Harald Richter, Jochen Barth, Jürgen Schwarz und Marion Ziegler sowie den Gemeindereferentinnen und -referenten Gabriela Amon, Thomas Hart und Heike Waldvogel. Eingebunden ist zudem Pfarrerin Susanne Ress. Die Verwaltung obliegt Barbara Demling. Normalerweise wird das Team noch von etwa 60 Ehrenamtlichen unterstützt. Derzeit jedoch wegen Corona nicht. Das bedeutet, dass die gesamte Seelsorge am Campus auf wenigen Schultern ruht. "Das ist eine enorme Zusatzbelastung. Die Ehrenamtlichen fehlen uns", sagt Harald Richter. Nicht einfacher wird die Arbeit der Seelsorgenden außerdem durch die Corona-Erfordernisse, wenn zum Beispiel Covid 19-Patienten nur im Schutzanzug begegnet werden kann.

Die Seelsorge ist 24 Stunden am Tag errreichbar

Die sieben Seelsorgenden haben die einzelnen Stationen des Krankenhauses unter sich aufgeteilt, darunter auch die Palliativstation. Täglich machen die Frauen und Männer ihren Rundgang durch die Krankenzimmer und erkundigen sich, wie es den Patienten und ihren Angehörigen geht und wo Gesprächsbedarf herrscht. Nicht selten wendet sich die Pflege an die Seelsorger, wenn sie sieht, dass ein Patient von einer schlechten Diagnose überfordert ist. Daneben sind die Seelsorger auch Ansprechpartner für das Personal.

Im vergangenen Jahr wurden die Seelsorger, die 24 Stunden am Tag erreichbar sind, zu 292 Notfällen gerufen, führt Pfarrer Jürgen Schwarz in einem Gespräch mit dieser Zeitung aus. Die Geistlichen machen die Erfahrung, dass die Kranken nur selten zwischen katholischer und evangelischer Betreuung unterscheiden. "Sie sind froh, dass jemand da ist - egal, welcher Konfession er angehört", so Schwarz.

Trotz schwieriger Bedingungen vor Ort sein

In den vergangenen zwei Jahren wurden einige Ideen entwickelt, um trotz schwieriger Bedingungen vor Ort präsent zu sein. Eines davon ist das gerade erst angelaufene "Live aus der Kapelle". Dabei werden in einer bunten Mischung Gottesdienste, Meditationen, Geschichten, Gespräche oder auch Musik aus der Krankenhaus-Kapelle auf die Fernseher in den Krankenzimmern übertragen. Ein weiteres Projekt ist die "Klagemauer" während der jetzigen Fastenzeit. Hier können die Menschen in der Kapelle zwischen Ziegelsteinen Zettel mit ihren Klagen und Sorgen und allem, was sie belastet, ablegen, erklärt Gabriela Amon. Und im Gegenzug ein ermutigendes Bibelzitat mitnehmen.

Im Mittelpunkt stehen jedoch die Patientenbesuche.  "Wir gehen auf Wunsch der Angehörigen oder des Personals auch zu Patientinnen und Patienten, die nicht ansprechbar sind", ergänzt Thomas Hart. Die derzeitige Situation sei auch schlimm für die Angehörigen, die nicht hinein dürfen.

Wie begegnet man Schwerkranken oder Menschen, die bald sterben müssen? "Es ist wichtig, einfach nur da zu sein und es miteinander auszuhalten", betont Gabriela Amon. Oft erfahre man dabei eine große Dankbarkeit. "Wenn jemand sagt, 'das hat gutgetan, schön, dass Sie da waren', dann ist das eine Sternstunde unserer Arbeit", meint Heike Waldvogel. "Ich lerne auch von meinen Patienten, insbesondere Lebensmut", sagt Pfarrer Jochen Barth. Er erinnert sich an eine jüngere Patientin mit einem schweren Schicksal. "Woher nimmt die Frau ihre Kraft, ihre Energie und ihren Optimismus?", habe er sich gefragt.

Ein Raum für Aggression, Angst und Trauer

"Die Angst muss ihren Platz bekommen, dann kann man eher loslassen", weiß Pfarrer Richter aus Erfahrung. Es brauche eines Dritten, der das ermöglicht. Oder, wie Thomas Hart es ausdrückt: "Es ist unsere Aufgabe, Dinge in eine Sprache zu bringen, die andere nicht mehr haben." Ziel sei es, einen Raum zu bieten, in dem alles sein darf - Hoffen und Fürchten. Die Seelsorgenden sind sich einig: Es gehe nicht darum, was man sagt, sondern dass man eine Sphäre zur Verfügung stelle für Aggression, Angst oder Trauer.

Die Seelsorgerinnen und Seelsorger haben schon viele schwere Krankheitsverläufe begleitet. Woher nehmen sie ihre Kraft? "Wenn ich abends nach Hause komme, will ich mich mit etwas anderem beschäftigen", antwortet darauf Pfarrer Jochen Barth, der Tanzen zu seinen Hobbys zählt. Wichtig sei der kollegiale Austausch im Team, meint Thomas Hart. "Wir sind keine Einzelkämpfer." Außerdem nehmen die Seelsorger regelmäßig Supervisionen wahr. "Man muss das Augenmerk auf das Schöne lenken", so Harald Richter, "es gibt so viel Lebenswertes". Und Thomas Hart abschließend: "Man lernt, Dinge zu schätzen. Ich erlebe immer wieder kleine Wunder und freue mich, wenn ich auf beiden Beinen jeden Tag aus dem Krankenhaus gehen kann."

Kontakt und weitere Informationen unter www.klinikseelsorge-bad-neustadt.de.

 
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