Streitgespräche, persönliche Anfeindungen, Beharren auf Formalitäten und der Abbruch eines Vortrags – wie groß die Unzufriedenheit innerhalb des Rhönklubs ist, wurde bei der Delegiertenversammlung in Poppenhausen deutlich. Zwischen Teilen der Basis und dem Hauptvorstand, beziehungsweise Rhönklub-Präsident Jürgen Reinhardt, besteht offensichtlich eine große Diskrepanz. Ihm gelang es auch in Poppenhausen nicht, versöhnend und verbindend zu agieren. Im Gegenteil: Er ging seinerseits engagierte Mitglieder der Saale-Sinn Region verbal heftig an.
Wichtige Posten im Hauptvorstand müssen offen bleiben
Dabei wurde Reinhardt bei dieser Versammlung als Präsident im Amt bestätigt, mit 117 Stimmen von 155 Delegierten. Doch bei der Besetzung der weiteren Positionen zeigte sich, wie schwach der Hauptvorstand ist. Offen bleiben müssen die Posten des Hauptwanderwartes und des Hauptnaturschutzwartes. Kandidaten für diese Kernfunktionen des Rhönklubs fanden sich nicht. Der Hauptwegewart wird nicht vom Rhönklub selbst gestellt, diese Aufgabe übernimmt Alvaro Sanchez, ein beim Naturpark und Biosphärenreservat bayerische Rhön angestellter Hauptwegekoordinator. Er darf für den Rhönklub mit beschränkter Arbeitszeit tätig sein.
Mit eigenem Personal bestückt der Rhönklub den Posten des Hauptkulturwartes, um den sich Matthias Flory (Hünfeld) bewarb, sowie Hauptfamilienwartin Alexandra Klemm (Unterelsbach). Sie wurde ebenso im Amt bestätigt wie Edith Zink (Unterelsbach) als Schriftführerin. Die Kassengeschäfte werden auch nicht mehr von einem Mitglied, sondern von einem Steuerbüro geführt. Die Schriftleitung für die Vereinszeitschrift liegt weiterhin in den Händen von Bernd Müller-Strauß.
Über zehn schriftliche Anträge lagen vor
Bevor die Wahl überhaupt stattfinden konnte, ja bevor sich die Delegierten auf die Tagesordnung einigen konnten, gab es schon Reibereien. Über zehn schriftliche Anträge lagen dem Hauptvorstand vor, sie standen auf der Tagesordnung als letzter Punkt. Die Vorsitzende des Rhönklub Zweigvereins Gersfeld, Margit Trittin, hatte den Antrag gestellt, dies alles vor der Wahl zu behandeln. Das seien wichtige zukunftsweisende Themen. Unter anderem begründete sie ihren Antrag mit der Sorge, dass sich die Versammlung zu lange hinauszögern werde und keine Zeit und Geduld mehr vorhanden sei, die Zukunftsthemen des Rhönklubs zu behandeln. Mehrere Abstimmungen, aufgrund von Unklarheiten unter den Delegierten waren notwendig, bis Trittins Antrag mit 85:72-Stimmen abgelehnt war.
Für weiteren Zündstoff sorgte der nachträglich eingeschobene Vortrag von Benjamin Günder (Eichenzell), dem Sohn des ebenfalls wieder gewählten Vize-Präsidenten Bernd Günder, zur Digitalisierung. Sein Referat zur Geschichte der Digitalisierung wurde als zu ausufernd und nicht ausreichend vorbereitet kritisiert - und nach über einer halben Stunde abgebrochen. Dabei stellten die Antragsteller klar, dass sie nicht gegen die Digitalisierung des Rhönklubs seien, sondern dieses wichtige Thema über einen Arbeitskreis aufbereitet sehen wollen. Zumal unklar erschien, welche Art der Interessenverquickung Günders möglicherweise gegeben sei.
Vor seiner Wiederwahl wurde der Rhönklub-Präsident von Georg Will (Mellrichstadt) aus der Region Saale-Sinn gefragt, welche Ziele er sich für die nächste Wahlperiode stelle und wie er zu den kürzlich von der Region vorgeschlagenen Zukunftszielen stehe. "Es geht um die Frage, ob sie mit ihrer Person den Rhönklub in die Zukunft führen können. Es hat sich in den vergangenen Jahren herausgestellt, dass Sie relativ wenig Ziele hatten. Wir sind mehr ein Altherren- und Altdamen-Verein geworden. Es hat sich nichts bewegt", so Will.
Vorschläge aus der Saale-Sinn Region schriftlich vorbereitet beantwortet
Die Vorschläge aus der Saale-Sinn-Region beantwortete Reinhardt mit seinem schriftlich vorbereiteten Statement. 30 Zweigvereine zählt die Saale-Sinn-Region, 18 beteiligten sich am Zukunft-Workshop, sechs hatten sich entschuldigt. Der Rhönklub-Präsident sprach den Vertretern ab, für ihre Vereine zu sprechen, sondern zählte sie als Privatpersonen, und damit seien sie nur 0,15 Prozent der Gesamtmitglieder. Persönlich griff er den kommissarischen Vorsitzenden der Saale-Sinn-Region, Bernhard Walter (Oberweißenbrunn), an, unterstellte ihm die Vereine zu manipulieren, sprach von "Täuschungsmanövern" und vermutete, dass es Walter nur darumginge ihn als Präsidenten loszuwerden. "Dafür ist ihm jedes Mittel recht. Er schreckt auch nicht vor Verleumdung und Lügen zurück." Proteste aus der Delegiertenversammlung würgte Reinhardt mit einem herrischen "Ruhe" ab.
Als "perfides Pamphlet" bezeichnete Reinhardt ein Schreiben Walters, in dem er ihm nahe gelegt habe, sich von der Rhönklub-Arbeit zurückzuziehen. "Vereinsterrorismus", so Reinhardt. Walter kommentierte: "Ich stehe zu diesen Ohrfeigen. Wir wollen uns als Regionsvorstand mit dem Hauptvorstand zusammensetzen und habe keine Rückmeldung bekommen und warten jetzt auf die Einladung des Hauptvorstandes und sonst gar nichts. Es soll über Inhalte gesprochen werden, sachlich über die Zukunft des Rhönklubs."
Anträge zur Geschäftsordnung
Ein ganzes Bündel an Anträgen lag dem Hauptvorstand vor. So beantragte der Zweigverein Mellrichstadt eine Änderung der Geschäftsordnung. Neben Fragen der Ausstattung der Geschäftsstelle ging es um die Besetzung offener Stellen. Der Bewerberauswahl müsse der geschäftsführende Hauptvorstand zustimmen, um für die notwendige fachliche Eignung des Personals zu sorgen. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass ausschließlich der Präsident Posten besetzt, so der Inhalt des Antrags.
Ein heftiger Wortwechsel entspann sich zum Thema Personal-Qualifikation und Vetternwirtschaft. Der Präsident wollte den Antrag wegen Nichtigkeit von der Tagesordnung nehmen, da sich der Hauptvorstand ohnehin auf Basis der Satzung die Geschäftsordnung selbst gibt. Letztlich wurde abgestimmt und der Antrag abgelehnt. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten schon viele Delegierte den Saal verlassen. Ob überhaupt eine Beschlussfähigkeit gegeben war, wurde nicht überprüft.
Hauptvorstand strebt aus Kostengründen "Billiglösung" an
Der Antrag aus Mellrichstadt sollte auch den Weg bereiten, um einen qualifizierten hauptamtlichen Geschäftsführer einzustellen. Dieser Antrag wurde von der Saale-Sinn Region gestellt. Laut Reinhardt habe dies der Hauptvorstand schon beschlossen, doch aus Kostengründen und sozialer Verantwortung werde eine "Billiglösung" angestrebt. Eine der Damen der Geschäftsstelle solle diese Funktion übernehmen. "Der Hauptvorstand bestimmt die Modalitäten", sagte Reinhardt und entfachte damit erheblichen Diskussionsstoff.
Über mehrere Anträge von Zweigvereinen, unter anderem aus dem Zweigverein Gersfeld, namentlich aufgeführte Mitglieder als Beisitzer in den Hauptvorstand zu berufen wurde nicht abgestimmt. Vorgeschlagen waren Bernhard Walter (Oberweißenbrunn), Kathi Cavallo (Walddörfer), Margit Trittin (Gersfeld) und Georg Will (Mellrichstadt). Laut Reinhardt nehme ausschließlich der Hauptvorstand Berufungen vor, und zwar Manfred Jordan (Region Fulda), Klaus Neißer (Region Saale-Sinn), Lothar Schmitt (Region Ulster) und Dr. Silvio Hartmann (Region Werra).
Über den Antrag von Margit Trittin eine Zukunftswerkstatt "Zukunft und Kommunikation" für den Gesamtrhönklub nach dem Vorbild der Saale-Sinn Region ins Leben zu rufen, wollte der Rhönklub-Präsident nicht abstimmen lassen. "Weil schon genug über Kommunikation gesprochen wurde." Die Delegierten bestanden auf Abstimmung und sprachen sich für eine solche Zukunftswerkstatt aus.
Nicht realisierbar sei der Antrag von Margit Trittin zu Informationen der Mitgliederentwicklung des Gesamt-Rhönklubs in den Jahren 2010 bis 2020 aufgeschlüsselt nach Altersstruktur und Geschlecht. Da keine Unterlagen geführt werden, seien Informationen nur über die Jahre 2020 und 2021 zu geben, so der Präsident. Der Antrag des Würzburger Zweigvereins, den Kalender-Versand über den Hauptvorstand zu organisieren, wurde abgelehnt. Dies würde den Hauptvorstand 30 000 Euro kosten. Eine Versendung mit der Vereinszeitschrift sei organisatorisch nicht möglich, erklärte Reinhardt.
Nächste Versammlung beim Zweigverein Bischofsheim
Angenommen wurde der Antrag von Margit Trittin künftig wieder ganztägige Hauptversammlungen zu organisieren, um mehr Raum für Austausch und Impulsvorträge zu bieten. Angenommen wurde der Antrag des Präsidenten den Zweigverein Elm aus dem Rhönklub auszuschließen, da seit 2015 keine Vereinstätigkeit mehr erfolge und unklar sei ob der Verein überhaupt noch existierte. Zugestimmt wurde der Fusion der Zweigvereine Reichenhausen und Kaltensundheim.
Die nächste Hauptversammlung des Rhönklub wird am 10. Juli vom Rhönklub Zweigverein Bischofsheim in Frankenheim (Rhönhalle) ausgerichtet. Ausgezeichnet wurden mit der silbernen Ehrennadel des Deutschen Wanderverbandes Werner Schindlauer (Hilders), mit dem goldenen Klubabzeichen des Rhönklub Georg Fischer (Gersfeld), Edith Zink (Unterelsbach) und Manfred Woditschka (Poppenhausen).