Novemberwetter, Nebel, viele Gastronomiebetriebe haben Betriebsurlaub: An den bekannten Ausflugszielen der Hochrhön ist etwas Ruhe eingekehrt. Doch mit aufklarendem Himmel oder gar Schnee auf den Rhöner Bergen kommen die Besucherströme wieder und hinterlassen nicht nur, aber auch unliebsame Spuren in der Landschaft.
Vertreter der Regierung von Unterfranken, des Landratsamts und der Wildland-Stiftung Bayern, der Naturschutzstiftung des Bayerischen Jagdverbands, nutzen das kurze Zeitfenster nach der Herbst- und vor der Wintersaison, um bei einer Pressekonferenz dringend an die Besucher der Rhön zu appellieren, aus Rücksicht auf die Tierwelt in den Naturschutzgebieten der Hochrhön die Wegegebote einzuhalten und ausschließlich das für die entsprechende „Disziplin“ vorgesehene Wegenetz nutzten. Das gelte nicht nur im Sommer, sondern ebenso im Winter.
Lebensbedrohlicher Energieverlust
„Natürlich freuen wir uns, wenn Gäste in die Rhön kommen“, machte Landrat Thomas Habermann deutlich. Allerdings müssten diese sich dringend an die Gebote und Regeln halten, die hier nicht willkürlich, sondern mit viel Bedacht aufgestellt worden seien, so der allgemeine Tenor. Häufige Störung sensibler Arten führten zu Verhaltensänderungen von Tieren, die ihren natürlichen Tageszyklus ändern und damit zum Beispiel Futtersuche einschränken, erläutert der Gebietsbetreuer der Langen Rhön, Torsten Kirchner.
Kirchner machte besonders deutlich, dass gerade das in Mode gekommene Schneeschuhlaufen querfeldein und auf im Winter gesperrten Wegen gegen die Verordnung des Naturschutzgebiets Lange Rhön verstößt und untersagt ist. Die Tatsache, dass die traumhaft schöne Landschaft der Hochrhön für Bewegung und Naturgenuss genutzt werden kann, werde durch ein umfangreiches Wegeangebot für Wanderer, Skilangläufer und Radfahrer gewährleistet. Und wer Schneeschuhlaufen möchte, könne das im Bereich Kreuzberg, Arnsberg oder Wasserkuppe tun.
Speziell in der Winterzeit führe erhöhter Energieverlust durch Flucht zu lebensbedrohlichen Situationen, da der Stoffwechsel der Wildtiere dann auf „Energiesparen“ eingestellt sei. Werde ein Reh aufgescheucht, verbrauche es die Energie, die in 10 000 Knospen stecken, ergänzte Raphael Blum, Wildland-Berufsjäger in der Langen Rhön. Hier, so Landrat Habermann, lebten etwa 40 Vogelarten, die sich auf der Roten Liste der bedrohten Tiere finden, und die bräuchten unseren Schutz. Das Leben eines kleinen, seltenen Vogels sei davon abhängig, dass er im Winter nicht unnötig gestört werde.
Ökonomischer Schaden
Thomas Keller von der Höheren Naturschutzbehörde bei der Regierung von Unterfranke betonte die hohe Bedeutung der Langen Rhön als Bayerns größtem außeralpinen Naturschutzgebiet. Hier werde über das Vertragsnaturschutzprogramm sehr viel Geld zum Erhalt von besonders geschützten Lebensräumen und Arten investiert. Es sei nicht hinzunehmen, dass all die Aufwendungen durch unnötige Störungen zunichtegemacht werden.
Die Probleme hätten sich durch moderne Entwicklungen besonders in den letzten Jahren verschärft, so Habermann, und führte als Beispiele Schneeschuhlaufen, E-Bikes oder das Geocaching an. Mit der weiten Verbreitung von E-Bikes seien deutlich mehr Menschen mit dem Fahrrad auf den Wegen der Hochrhön unterwegs, ergänzte Biologe Kirchner. Durch die technische Unterstützung verschöben sich die Reichweite und auch die Uhrzeiten der Aktivität. „Der ambitionierte E-Biker schafft auch nach Feierabend noch große Strecken und taucht noch in der Dämmerung an Orten in der Landschaft auf, die früher aufgrund ihrer Abgeschiedenheit nicht erreicht wurden“, weiß der Gebietsbetreuer aus vielen Erfahrungen. Erschwerend käme hinzu, dass viele Radfahrer Routen von Internetportalen herunterladen, die überhaupt nicht zur Freizeitnutzung vorgesehen seien.
Verständnis statt Strafe
Auf die neuen Entwicklungen müsse man reagieren. Kirchner forderte, auszuloten, ob man nicht mit den Anbietern der Internetportale in Kontakt treten oder gegen sie vorgehen könne. Thomas Keller könnte sich vorstellen, im Zuge der Offensive „Bayern digital“ ein Onlineangebot zu schaffen, das Rhönbesuchern im Vorfeld mit den entsprechenden Informationen versorgt. Entscheidend für den Landrat ist es, Besucher für die empfindliche Natur der Rhön zu sensibilisieren, sie zu informieren und so Akzeptanz für die Einschränkungen zu schaffen. Wer Verständnis habe, sei auch bereit Rücksicht zu nehmen, so der Habermann.
Als richtigen Weg auf Verstöße zu reagieren, plädiert der Landrat grundsätzlich dafür, zu informieren, Einsicht zu schaffen und zunächst nicht zu strafen. Wenn natürlich jemand mit einem Quad im Naturschutzgebiet unterwegs sei, gebe es keine Milde. Die Menschen mitnehmen, statt zu sanktionieren, ist auf für Thomas Keller der einzig richtige Weg. Dass der funktioniert, bestätigt die Sachgebietsleiterin Umwelt am Landratsamt, Doris Dellert. Bei Verstößen würden zunächst kostenfreie Verwarnungen ausgesprochen und die Namen der Betroffenen registriert. Dass das wirke, belege, dass es praktisch keine Wiederholungstäter gebe. Bei groben Verstößen würden natürlich auch Bußgelder fällig. Die Zahl der Bescheide pro Jahr liege allerdings unter zehn, so Regierungsdirektor Manfred Endres.
Üble Pöbeleien
Dass der zurückhaltende Umgang in der Praxis nicht so einfach ist, wusste Torsten Kirchner aus Berichten der Ranger. Immer wieder würden sie einfach ignoriert oder übel angepöbelt, wenn sie Rhönbesucher auf Verstöße ansprechen. Und die Feststellung der Personalien sei schwierig, wenn zum Beispiel ein mit Helm und Brille vermummter Störer einfach mit seinem schnellen E-Bike davonfahre. Viele Rhönbesucher seien einsichtig, wusste Raphael Blum zu berichten. Andere würden ihn einfach links liegen lassen, häufig werde aber auch beschimpft. Und das seien oft die Einheimischen.