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Mellrichstadt
Pflege-Notstand: Wie man ein geförderter Azubi wird
Überall werden sie gesucht - die Fachkräfte in der Pflege. In Rhön-Grabfeld präsentieren Caritas und Arbeitsagentur eine Win-Win-Situation, um dem Notstand zu begegnen.
Eine besondere Form der beruflichen Förderung stellten Caritas und Arbeitsagentur in Mellrichstadt vor: Gudrun Rathgeber, Sozialstation St. Peter Bad Königshofen (von links), Iris Zwierlein, Arbeitsagentur, Neu-Azubi Christopher Thomas, Altenpflegerin Gudrun Reß, Neu-Azubi Yubin Deng, Altenpflegefachkraft Gudrun Reß, Johanna Dietz, Caritas, und Andrea Ebert, Sozialstation St. Kilian.
Foto: Michael Nöth | Eine besondere Form der beruflichen Förderung stellten Caritas und Arbeitsagentur in Mellrichstadt vor: Gudrun Rathgeber, Sozialstation St.
Michael Nöth
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:59 Uhr

Christopher Thomas hat zu diesem besonderen Anlass eine kleine rote Schultüte mitgebracht. Besonders deshalb, weil der gebürtige Amerikaner 45 Jahre alt ist und nun eine Ausbildung in der Pflege begonnen hat - mit Förderung der Arbeitsagentur. Seine Azubi-Kollegin ist Yubin Deng. Die 48-Jährige hat schon eine Vorbildung in der Pflege. Beide werden unter dem Dach der Caritas in den Sozialstationen St. Kilian in Mellrichstadt beziehungsweise in St. Peter in Bad Königshofen in drei Jahren zur Altenpflege-Fachkraft ausgebildet.

Zielgruppe: Ungelernt und geringqualifiziert

Gefördert wird diese Ausbildung von der Arbeitsagentur. Iris Zwierlein von der Agentur Bad Neustadt erklärt die Hintergründe: "Das seit Anfang 2019 bestehende Qualifizierungschancengesetz bietet vielen Menschen die Möglichkeit, sich beruflich neu zu qualifizieren. Dabei geht es hauptsächlich um die Zielgruppe der ungelernten und geringqualifizierten Arbeitnehmer, die keinen verwertbaren Berufsabschluss haben." Gerade den Fachkräfte-Notstand in der Pflege habe man besonders im Fokus, und sei froh mit der Caritas in Rhön-Grabfeld einen verlässlichen Ausbildungspartner zu haben. "Wir fördern im Rahmen der Abschlussorientierten Weiterbildung oder über die Anpassungsqualifizierung auch jeden anderen Beruf - ob Lkw-Fahrer oder Dreher!", ergänzt Zwierlein.

Förderung bedeutet, dass die Arbeitsagentur die Lehrgangskosten bis zu 100 Prozent übernimmt, bei der Anpassungsqualifizierung hängt die Förderleistung an der Betriebsgröße. Bei Firmen unter zehn Mitarbeitern sind dies 100 Prozent, bei bis zu 249 Mitarbeitern 50 Prozent, bei bis zu 2499 Mitarbeitern 25 Prozent und bei Betrieben ab 2500 Mitarbeitern immerhin noch 20 Prozent. "Für uns ist das eine Win-Win-Situation", sagt Johanna Dietz, Fachbereichsleiterin der ambulanten Altenhilfe im Kreiscaritasverband. "Wir können durch diese Förderung auf den Notstand reagieren und weitere Fachkräfte einstellen!" Dieses Sonderprogramm hat seit 2012 - damals noch unter anderem Namen - schon vielen Menschen in der Region geholfen hat, sich ohne finanzielle Einbußen für den Arbeitsmarkt besser qualifizieren zu können, erläutert Iris Zwierlein.

Traumnote mit 42 Jahren

Gudrun Reß ist eine davon. Sie hat vor kurzem die Abschlussorientierte Weiterbildung in der Sozialstation St. Kilian in Mellrichstadt abgeschlossen. Mit Erfolg. Die 47-Jährige wurde dafür einerseits mit einem Buchpreis ausgezeichnet. Andererseits hat die Arbeitsagentur der Unterelsbacherin für ihre bestandene Prüfung mit der Traumnote 1,0 eine Weiterbildungsprämie von 1500 Euro überwiesen. Johanna Dietz verweist darauf, dass Gudrun Reß schon 29 Jahre als Krankenpflege-Helferin gearbeitet hatte. Diese Vorerfahrung wurde ihr angerechnet. Und ihre Ausbildung zur Altenpflegerin auf zwei Jahre verkürzt.

Die hat sie in vierwöchigen Blockunterrichten im BBZ Münnerstadt, in der Sozialstation in Mellrichstadt und bei einem stationären Praktikum im Simonshof absolviert. "Als Helferin durfte ich verschiedene Arbeiten nicht machen. Durch die Ausbildung bin ich eine vollwertige Kraft", sagt sie. Und verheimlicht dabei aber nicht, dass es schon eine besondere Ausdauer braucht, die Ausbildung durchzuhalten. Dabei ging es ihr nicht einmal darum, dass sie eine der älteren unter allen Schülern war ("Meine Bank-Nachbarin war 17; wir kamen sehr gut miteinander aus!"). Es waren die Inhalte und die Tatsache, dass man schon jahrzehntelang nicht mehr die Schulbank gedrückt hatte. "Aber mein Anspruch war, dass ich in meinem Beruf auf der Höhe der Anforderungen arbeiten konnte."

Vom Hausmann zum Pflege-Azubi

Diese Erfahrungen haben sich Yubin Deng und Christopher Thomas genau angehört. Die Chinesin, die in Mittelstreu wohnt, hatte sich per Mail in der Sozialstation St. Peter in Bad Königshofen arbeitssuchend gemeldet. Über die dortige Pflegedienstleiterin Gudrun Rathgeber hatte sie von der Ausbildungsförderung der Arbeitagentur erfahren und sich für die Maßnahme gemeldet. Und Christopher Thomas, der über die US-Army in Deutschland geblieben ist, bestritt sein Leben bisher  als Hausmann in Hohenroth mit verschiedenen Teilzeit-Jobs. "Ich hatte noch nie etwas mit Pflege zu tun, habe aber nach der Beratung in der Arbeitsagentur ein Praktikum hier gemacht. Das gefällt mir!"   

Und offensichtlich so gut, dass er zu einem weiteren Praktikum gar nicht angetreten, sondern gleich in Mellrichstadt geblieben ist, ergänzt Andrea Ebert, die Pflegedienstleiterin der Seniorentagespflege in St. Kilian. Mit seiner roten Schultüte hat der einzige Mann in der Sozialstation zum Ausbildungsbeginn schon zusätzlichen Eindruck hinterlassen.

Betriebliche Einzelumschulungen
Die Arbeitsagentur hat seit 2012 bis 2018 unter dem Sonderprogramm WeGebAU (Weiterbildung von geringqualifizierten und älteren Beschäftigten in Unternehmen) insgesamt 655 Menschen mit geförderten Umschulungen unterstützt. Davon entfielen 259 auf Pflege-, 296 auf andere Berufe. Die Zahl der Umschulungen lag in den sechs Jahren pro Jahr zwischen 32 und 50 Einzelfällen. In der Pflege sieht man im selben Zeitraum einen stetigen Anstieg von 18 auf 68 Umschulungen pro Jahr bis 2018. 
Seit das Qualifizierungschancengesetz am 1.1.2019 in Kraft getreten ist, verzeichnete die Arbeitsagentur bei den Abschlussorientierten Weiterbildungen bis dato 123 Förderungen allein in der Pflege, bei anderen Berufen waren es 68. 
Diese 2019er-Zahlen schlüsseln sich auf für Rhön/Grabfeld 57/43 (gesamt/Pflege), Bad Kissingen 49/36, Haßfurt 19/13 und Schweinfurt 66/39.
 
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