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Bad Neustadt
Patientenverfügung: Kurz übers Sterben nachdenken hilft beim Weiterleben
Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung: Ehrenamtliche des Hospizvereins Rhön-Grabfeld berichten, warum jeder sich mit dem Thema befassen sollte.
Beizeiten vorsorgen: Mit Vollmachten und einer Patientenverfügung werden den Angehörigen viele Entscheidungen erleichtert (Symbolbild).
Foto: Franziska Gabbert/dpa | Beizeiten vorsorgen: Mit Vollmachten und einer Patientenverfügung werden den Angehörigen viele Entscheidungen erleichtert (Symbolbild).
Martina Harasim
Martina Harasim
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:35 Uhr

Es braucht keinen Schlaganfall, keinen Herzinfarkt, keine schwere Demenz– es genügt schon ein Sturz vom Skateboard oder ein Motorradunfall – und schon wird man in eine Situation katapultiert, in der man seine eigenen Angelegenheiten für Monate, Jahre oder vielleicht sogar für den Rest seines Lebens nicht mehr selbst regeln kann.

Dann bestimmen womöglich Fremde darüber, wie die medizinische Behandlung aussieht, wo man lebt oder wie das eigene Vermögen verwaltet wird. Es sei denn, man wählt einen vertrauenswürdigen Freund oder Verwandten aus, der sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt. Mit ihm oder ihr bespricht man detailliert die eigenen Prioritäten und Wünsche für den Ernstfall.

Damit der oder die Bevollmächtigte diesen Willen auch durchsetzen kann, müssen die Wünsche und Verfügungen niedergeschrieben werden. Dazu gibt es die Patientenverfügung, die  Vorsorgevollmacht oder die Betreuungsverfügung.

Diese zu erstellen ist eine Aufgabe, vor der sich jeder gerne drückt. Doch wenn die Formulare erst einmal fertig ausgefüllt auf dem Tisch liegen, ist die Erleichterung immer riesengroß. Diese Erfahrung hat Rolf Kurz gemacht. Er ist Ehrenamtlicher beim Hospizverein Rhön-Grabfeld und berät beziehungsweise informiert ebenso wie Astrid Maul, Elsa Hartwig und Elvira Söder Menschen, die eine Patientenverfügung und/oder eine Vorsorgevollmacht ausstellen wollen.   

Sie beraten beim Hospizverein Rhön-Grabfeld über Patientenverfügungen: (von links) Elsa Hartwig, Rolf Kurz, Elvira Söder und Astrid Maul.
Foto: Martina Harasim | Sie beraten beim Hospizverein Rhön-Grabfeld über Patientenverfügungen: (von links) Elsa Hartwig, Rolf Kurz, Elvira Söder und Astrid Maul.
Frage: Warum sollte jeder Volljährige eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht haben?

Elsa Hartwig: Das würde nicht nur für ihn selbst eine Beruhigung sein, sondern auch den Angehörigen helfen und vor allem auch den Ärzten, die medizinische Entscheidungen treffen müssen.

Rolf Kurz: Es weiß ja keiner, wann die Situation eintritt, in der die Patientenverfügung notwendig wird. Daher ist es sehr wichtig, sich beizeiten, auch in guten Zeiten, über die Thematik mal Gedanken zu machen.

Astrid Maul: Ab 18 Jahren. Junge Leute können Skater- oder Autounfälle haben. Es sind nicht automatisch die Eltern, die dann bei der medizinischen Versorgung mitreden dürfen.

Elvira Söder: Liegt keine Verfügung oder Vollmacht vor, dann wird einem vom Amtsgericht ein Betreuer zugewiesen. Mit Vollmacht kann man ein Familienmitglied oder einen guten Freund einsetzen, den man kennt und dem man vertraut.

Patientenverfügungen gibt es wie Sand am Meer. Was muss man bei der Auswahl beachten? 

Kurz: Wir haben uns viele Patientenverfügungen angeschaut und uns gemeinsam für die entschieden, die unter der Federführung des Bayerischen Justizministeriums entstanden ist. Sie wird ständig aktualisiert, sie ist ausführlich und sehr verständlich. Man kann sie herunterladen oder im Buchhandel käuflich erwerben.

Wie muss man sich das Beratungsgespräch vorstellen?

Maul: Wir gehen die Vorlage Punkt für Punkt durch, erklären Sachverhalte, Hintergründe und Begriffe, damit die Menschen gut informiert ihre Entscheidungen treffen können. Ein großer Teil unserer Arbeit liegt in der Aufklärung.

Wo liegen die Grenzen der Beratung?

Maul: Wir leisten nur eine allgemeine Beratung. Bei Vermögensfragen schicke ich die Leute zum Anwalt oder zum Notar, bei medizinischen Fragen zum Hausarzt. 

Kurz: Mir ist wichtig, dass auch die Bevollmächtigten zu dem Beratungstermin mitkommen. Denn die Patientenverfügung ist das Rückgrat für den Bevollmächtigten. Es ist übrigens häufig so, dass man mehrere Beratungstermine braucht, bis die Verfügung wirklich steht, weil noch viele Fragen zu klären sind und man manches einfach nochmal überdenken muss.

Zögern junge Menschen, eine Patientenverfügung auszustellen, weil es sie in gesunden Tagen überfordert sind, detailliert zu entscheiden, wie sie bei einer schweren Erkrankung behandelt werden möchten?

Hartwig: Die Patientenverfügung gibt die Wertevorstellungen eines Patienten wider und sie gibt Ärzten und Angehörigen eine Richtung vor. Detaillierte Angaben darüber, ob man künstlich beatmet, künstlich ernährt oder wiederbelebt werden möchte, werden nur in folgenden Fällen abgefragt: Wenn der Patient sich aller Wahrscheinlichkeit nach unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befindet; wenn er sich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befindet; wenn infolge einer Gehirnschädigung seine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, nach Einschätzung zweier erfahrener Ärztinnen oder Ärzte aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich erloschen ist, oder wenn der Patient infolge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (zum Beispiel bei Demenzerkrankung) auch mit ausdauernder Hilfestellung nicht mehr in der Lage ist, Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu sich zu nehmen.

Warum kommen die Leute zu Ihren Beratungen? 

Hartwig: Keiner will gerne über den Tod sprechen. Ältere Menschen berichten häufig, dass sie über eine Patientenverfügung versuchen wollen, mit ihren Kindern darüber ins Gespräch kommen, wie sie ihre letzte Lebensphase regeln wollen.  

Kurz: Manchmal sind es auch die Kinder, die die Initiative für ein Beratungsgespräch ergreifen und sagen "Mutter oder Vater, da müssen wir was machen, das muss jetzt mal geregelt werden".

Maul: Häufig liegt ein konkreter Grund vor, eine Patientenverfügung verfassen zu wollen. Eine Erkrankung beispielsweise, oder ein Ereignis im Familien- oder Bekanntenkreis. 

Wie alt sind die Leute, die eine Beratung wünschen?

Hartwig: Das Mittelalter, meistens kommen die Leute, wenn die Kinder aus dem Haus sind und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Die ganz alten Menschen haben meist schon eine Patientenverfügung.  

Haben sie schon mal ein Feedback bekommen, wie hilfreich eine Patientenverfügung war? 

Kurz: Ich habe einen guten Freund, als er bei guter Gesundheit war, bei der Abfassung seiner Patientenverfügung beraten. Dann erkrankte er an Krebs und ich war später sein Sterbebegleiter. Ihn habe ich gefragt, ob er jetzt, nach der Chemotherapie und all den anderen Eingriffen, die Verfügung anders ausfüllen würde. Er hat mir geantwortet:  "Keinen Punkt und kein Komma würde ich daran ändern. Ich hatte die ganze Zeit während der Behandlung die Gewissheit, ich habe das alles geregelt und alles festgelegt. Und das  war eine Riesenerleichterung. "

Der Hospizverein Rhön-Grabfeld  ist erreichbar unter: Telefon: (09771) 6355984,
www.hospizverein-nes-grabfeld.de.

Verfügung und Vollmacht

In einer Patientenverfügung kann man für den Fall der Entscheidungsunfähigkeit im Voraus festlegen, ob und wie man in bestimmten Situationen ärztlich behandelt werden möchte. Schildern kann man auch persönliche Wertvorstellungen, Einstellungen zum eigenen Leben und Sterben und religiöse Anschauungen. Auf diese Weise kann man Einfluss auf eine spätere ärztliche Behandlung nehmen und das eigene Selbstbestimmungsrecht wahren, auch wenn man zum Zeitpunkt der Behandlung nicht mehr ansprechbar und nicht mehr einwilligungsfähig ist. 
Mit einer Vorsorgevollmacht bestimmt man eine oder mehrere Personen, die rechtsgültige Entscheidungen für einen treffen dürfen, wenn man alltägliche organisatorische Dinge alters- und/oder krankheitsbedingt nicht mehr eigenständig regeln kann. Diese Vollmacht kann man dem Beauftragten jederzeit entziehen oder sie inhaltlich verändern.
Die Betreuungsverfügung ist der Auftrag an das Gericht, eine gewünschte Person zum  rechtlichen Betreuer zu bestellen, wenn man seine rechtlichen oder finanziellen oder Vermögensangelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. In dieser Verfügung kann man auch festlegen, wen man auf gar keinen Fall mit dieser Aufgabe betrauen möchte. Das Gericht prüft, ob der gewünschte Vertreter für diese Aufgabe geeignet ist, entspricht dem Wunsch, wenn der vorgeschlagene Betreuer geeignet erscheint oder bestellt einen eigenen. 
Quelle: Justizministerium
 
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