
Pater Anselm Grün – dieser Name fasziniert die Menschen, lässt sie, wie an diesem Abend, in die Stadthalle strömen. Schon eine halbe Stunde vor seinem Vortrag, den er aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Hospizvereins Rhön-Grabfeld hält, ist der Saal besetzt. Man bittet ihn, der ruhig und in sich gekehrt da sitzt, um ein Selfie.
Es ist weniger der Name als vielmehr die Persönlichkeit, dieser Mensch, der hauptberuflich Mönch in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach ist, der die Massen wie magisch anzieht. Er, der vor 80 Jahren im kleinen Junkershausen geboren ist, wird vom Hospizverein-Vorsitzenden Richard Knaier begrüßt und als der „wohl bekanntester Mönch Deutschlands, der Hilfestellung in vielen Lebenslagen gibt“ vorgestellt.
Woran liegt es, dass der frühere Cellerar (Wirtschaftsverwalter eines Klosters) und meistgelesene christliche Autor unserer Tage, dessen Bücher in viele Sprachen übersetzt wurden, auch heute noch an die 100 Seminare und Vorträge jährlich im In- und Ausland hält?
Er entfaltet eine mächtige Wirkung aus Menschen
Ist es dieser sympathische, Herzlichkeit und Freundlichkeit ausstrahlende Senior mit den langen weißen Haaren und dem mächtigen Rauschebart in der einfachen Mönchskutte oder ist es doch das, was er sagt und vermitteln will? Wahrscheinlich sind es die Person Anselm Grün und seine Worte, die diese mächtige Wirkung auf die Menschen entfalten.
Auch in der Stadthalle von Bad Neustadt lauschen die Zuhörer seinen Worten, kleben förmlich an seinen Lippen, die dazu auffordern, „einfach zu leben – gerade jetzt!“ Seine ruhige, warme Stimme, seine unkomplizierte, nicht mit Fachbegriffen gespickte Sprache berühren die Menschen. Seine Offenheit, Ehrlichkeit und Herzlichkeit wirken nicht aufgesetzt, sondern echt und identisch.

Anselm Grün „Wir spielen viel zu oft Rollen“
Einfach leben heißt für Pater Anselm, einfach zu tun, was gerade ansteht, in Einklang mit sich selbst zu kommen, anstatt darauf zu schauen, was die anderen über einen denken. Immer wieder sollte man sich sagen: „Ich bin ich selbst!“, was aber nicht gleichzusetzen wäre mit Egoismus. Denn nicht aus dem Ego, sondern aus dem Selbst soll man leben. „Wir spielen viel zu oft verschiedene Rollen, passen uns an, setzen uns unter Druck, wollen die anderen für uns gewinnen.“
Sich selbst annehmen heißt auch, sich verstehen, für sich einzustehen. Allerdings sollte man auch beim einfachen Leben nicht die Augen verschließen und in Ohnmacht verfallen, sondern dennoch alles wahrnehmen und den Mut haben, so zu leben, wie es einem guttut. „Leben Sie und werden Sie nicht gelebt. Nehmen Sie den anderen wahr, ohne ihn zu bewerten, sehen Sie das Gute, das Schöne, das Geheimnis jedes einzigartigen Menschen!“
P. Anselm erinnert an die Seligpreisung Jesu, die ganz im Gegensatz zum heute steht, wo „wir alles verzwecken“. Man solle ganz im Augenblick leben. Zu wissen, ich bin da, Gottes Gegenwart umgibt mich, ich lebe bewusst. All dies gibt dem Leben eine andere Qualität, eine gewisse Leichtigkeit, eine Tiefe. Ein Spaziergang, das Beobachten der Natur machen reich. Rituale würden eine „Heilige Zeit“ schaffen, eine Zeit, „die mir gehört“.
Nach dem Vortrag signierte Anselm Grün Bücher
Rituale würden Wurzeln und Heimat geben. Sie bringen uns, so P. Anselm Grün, in den „Heiligen Raum“, wo „ich heil und ganz bin und nicht bewertet werde, wo ich ursprünglich und authentisch bin, wo wir rein und klar, ohne Schuldgefühle sind und wo ich eins bin mit meiner Seele, verbunden mit der Natur, mit Gott und den Menschen, mit den Verstorbenen verbunden durch die Liebe."
Am Ende seines einstündigen Vortrags hat er jeden Besucher mitgenommen zu diesem „einfach leben“, steht jedermann gerne auf zum abschließenden, alles umarmenden Gebet, das mit dem gemeinsam gesprochenen „Amen“ endet.
Begeisterter Applaus begleitet die Dankesworte von Vorsitzenden Knaier. Gerne reihen sich die Besucher in die Schlange derer ein, die nach dem Vortrag sich noch Bücher von Pater Anselm Grün signieren lassen.