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Ostheim
Neuer Trend "Waldbaden" im Forst von Ostheim: Was steckt dahinter und welchen Nutzen kann man daraus ziehen?
Baden kann man in vielem, beispielsweise in Wasser. In Ostheim hat nun ein neuer Wellness-Trend Fuß gefasst: das Waldbaden. Was steckt dahinter?
Benjamin Schlusche führt in Ostheim Interessierte durch den Wald. Er ist ausgebildeter zertifizierter Wald-Erlebnisführer.
Foto: Franziska Sauer | Benjamin Schlusche führt in Ostheim Interessierte durch den Wald. Er ist ausgebildeter zertifizierter Wald-Erlebnisführer.
Franziska Sauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:55 Uhr

Bei jedem Schritt gibt der weiche Waldboden nach. Die Luft riecht nach nassem, frisch gefallenem Laub. In der Ferne klopft ein Specht. "Was bedeutet euch der Wald?", fragt Wald-Erlebnisführer Benjamin Schlusche die Teilnehmer der kleinen Gruppe, die am Sonntagmorgen unterhalb der Lichtenburg mit ihm durch den Wald marschieren. Worte wie "abschalten", "runterkommen", "Kindheit" und "Sammelort" fallen. Benjamin Schlusche stoppt an einer kleinen Weggabelung und packt ein Wollknäuel aus. Und schon ist die Gruppe mittendrin im Kurs "Waldbaden".

Was Waldbaden ist und wo es herkommt

Aber außer, dass es an diesem Morgen regnet, hat Waldbaden nicht wirklich etwas mit Wasser zu tun. Vielmehr gehe es beim "Baden in der Waldluft" um Entspannung und Stressabbau. Ganz nach dem Motto "der Weg ist das Ziel", erklärt Experte Benjamin Schlusche. Der Wald soll bewusst und mit allen Sinnen erlebt werden. Das kann jeder auf eigene Faust machen, oder gemeinsam mit einem geprüften Wald-Erlebnisführer – wie es Benjamin Schlusche seit Kurzem ist.

Der 40-jährige Ostheimer ist schon von klein auf naturbegeistert. Er fährt viel Fahrrad und ist gerne draußen. "Mein Interesse wuchs im Laufe der Jahre. Das hat mich motiviert, mehr Wissen zu erlangen", sagt Schlusche. Bei der Recherche im Internet stieß er auf "Shinrin Yoku". So heißt Waldbaden auf Japanisch. In den letzten Monaten ließ er sich in Ramsthal (Landkreis Bad Kissingen) zum zertifizierten Wald-Erlebnisführer ausbilden und möchte nun seine Begeisterung für die Natur an andere weitergeben. Mitte Oktober gibt er seinen ersten Workshop rund um die Lichtenburg und bringt Interessierten den Wald von einer ganz neuen Seite näher.

Eintauchen in die Faszination Wald

Das bereits erwähnte Wollknäuel hat Benjamin Schlusche zum Kennenlernen mitgebracht. Es wandert von Teilnehmer zu Teilnehmer, so dass ein Netz entsteht, das alle miteinander verbindet. Schlusche erklärt, dass auch im Wald alles miteinander verbunden ist. "Durch ein riesiges unterirdisches Pilzgeflecht sind die Bäume im Wald miteinander verbunden." Die Teilnehmer zeigen sich sowohl von der Vielfalt der Bäume als auch von den kleinen Dingen beeindruckt.

Überall entdecken sie kleine Pilze auf dem Waldboden. "Durch das feuchte Wetter treiben die gerade überall aus dem Boden und Baumstämmen", so Benjamin Schlusche. Der erfahrene Pilzsammler erklärt, worauf es beim Sammeln ankommt und welche Pilze essbar sind. Dazu hat er verschiedene Exemplare mitgebracht. Die Gruppe zeigt besonders viel Faszination für den wohl bekanntesten Giftpilz, den Fliegenpilz.

Ein giftiger Fliegenpilz war eine der faszinierenden Entdeckungen beim ersten Kurs 'Waldbaden' in Ostheim.
Foto: Franziska Sauer | Ein giftiger Fliegenpilz war eine der faszinierenden Entdeckungen beim ersten Kurs "Waldbaden" in Ostheim.

Während des Laufens ermuntert Schlusche die Teilnehmer immer wieder dazu, kurz innezuhalten, die Augen zu schließen und genau hinzuhören. Regentropfen prasseln auf die Blätter- und auf die Nase. Der Wind rauscht. Im Hintergrund hört man leises Vogelgezwitscher. Die Gruppe lässt sich auch mit Benjamin Schlusche auf ein besonderes Experiment ein. Mit verbundenen Augen, an einem Seil festhaltend, das vom Wald-Erlebnisführer geführt wird, laufen die Teilnehmer ein Stück des Weges, den jeder plötzlich ganz anders wahrnimmt. Keiner sagt ein Wort. Keiner hat es eilig. Jeder achtet auf den anderen. 

Das gemeinsame Erlebnis schweißt die Gruppe schnell zusammen. Die Teilnehmer erzählen sich gegenseitig, was sie denken und fühlen. "Es ging besser als gedacht" und "Mit jedem weiteren Meter hat die Unsicherheit nachgelassen", heißt es oder "Ich konnte loslassen und abschalten". Benjamin Schlusche freut sich über das Feedback. "Auf diese Weise werden eure anderen Sinne geschärft und ihr erlebt den Wald nochmal viel intensiver", sagt er. Das während der Übung ein Reh den Weg der Gruppe kreuzt, verrät er erst später.

Der Wald aus neuer Perspektive

Aber auch die Augen erfahren einen neuen Fokus. Viele verschiedene Braun-, Gelb- und Grüntöne lassen die Teilnehmer auf sich wirken. "Konzentriert euch nur auf eine Farbe und blendet alles andere um euch herum aus", rät Benjamin Schlusche. Auch das Riechen und Anfassen von Nadeln, Gräsern, Rinden, Blättern und Moosen ist ausdrücklich erwünscht. Waldbaden sei ein Erlebnis für alle Sinne, erklärt Schlusche. Als der Regen stärker wird, ziehen sich alle ihre Kapuzen über und gehen weiter. Das dichte Blätterdach hält den Regen etwas ab. Die Luft ist feucht und erfrischend. "Fast wie in einem Dampfbad", findet der Wald-Erlebnisführer.

Blick ins Grüne: der Wald, durchs Bambusrohr gesehen.
Foto: Franziska Sauer | Blick ins Grüne: der Wald, durchs Bambusrohr gesehen.

Schlusche teilt der Gruppe kleine Bambusröhren aus. "Versucht damit mal eine ganz neue Perspektive", sagt er und regt dazu an, den Wald, die Bäume, das Moos, oder jeden noch so kleinen Ausschnitt am Waldboden mit all seinen kleinen Waldbewohnern, dem Laub und den Ästen durch dieses Bambusröhrchen zu betrachten. Und tatsächlich sind die Teilnehmer erstaunt über das, was sie durch das Rohr so alles entdecken. Sei es der Blick in die Baumwipfel, die der Wind leicht hin und her bewegt, das große Pilzgebilde an der Baumrinde oder das von Regentropfen bedeckte Spinnennetz.

Beendet wird die Walderlebnis-Tour mit einer kleinen Schnitzeljagd und einer letzten Dankbarkeitsübung, bevor es für die Gruppe wieder zurück in Richtung Lichtenburg geht. Auf dem Weg dorthin werden die Eindrücke untereinander geteilt. Zu Beginn waren die Teilnehmer nach ihrem aktuellem Stresslevel auf einer Skala von 0 bis 10 gefragt worden, dass wiederholt Benjamin Schlusche jetzt noch einmal. Und tatsächlich fühlen sich nun alle um einiges ausgeglichener und entspannter.

'Waldbaden' im frühmorgendlichen Wald: Ein einzigartiger Genuss, besonders für die Augen und Ohren.
Foto: Franziska Sauer | "Waldbaden" im frühmorgendlichen Wald: Ein einzigartiger Genuss, besonders für die Augen und Ohren.

Den Wald bewusst erleben

Bleibt am Ende noch die Frage: Braucht man wirklich einen Kurs im "Waldbaden", um einfach den Wald zu genießen? Eigentlich sei keine Anleitung nötig, sagt Benjamin Schlusche. Jedoch hätten die meisten Menschen verlernt, bewusst durch den Wald zu schlendern und ihre Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen. Deshalb lädt er zu Walderlebnis-Führungen ein. Zu seiner Zielgruppe zählt er nicht nur Menschen, die nach Ausgleich und Stessbewältigung suchen. Die Waldbaden-Touren können auch für Kinder- und Schulgruppen oder Firmen als Teambuilding-Maßnahme geeignet sein.

Zweieinhalb Stunden im Wald sind nicht viel. Genießt man sie bewusst, kann man Etliches mitnehmen. Und ein Waldbad – allein oder mit Anleitung – geht rund um die Lichtenburg ebenso gut wie in jedem anderen Wald: innehalten, Augen schließen und tief durchatmen - mehr brauche es laut Experte gar nicht.

 
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