
Das Sterben eines manchmal noch winzig kleinen Kindes im Mutterleib bleibt vom persönlichen Umfeld oft unbemerkt. Dabei ist ein solcher Abschied für die Eltern ein schwerer Schicksalsschlag. Man hat sich auf neues Leben gefreut und wird plötzlich mit dem Tod konfrontiert. Für die Trauer gibt es nun auch im Landkreis Rhön-Grabfeld einen Ort. Im Rahmen der Sanierung des Bad Neustädter Altstadtfriedhofes wurde ein Grabfeld für Sternenkinder, wie während der Schwangerschaft gestorbene Kinder genannt werden, geschaffen. Demnächst soll die im mittleren Bereich des Friedhofs gelegene Anlage offiziell eingeweiht werden. Die beiden Gräberfelder sind bereits fertiggestellt.
Wie kam es zu der Realisierung dieser besonderen Grabstelle? Die Initiative ging von der Bad Neustädter Krankenhaus-Seelsorge, die immer wieder mit den psychologischen Folgen von sogenannten "stillen Geburten", das heißt Fehl- bzw. Totgeburten, konfrontiert wird, aus. Gabriela Amon, Seelsorgerin am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt, schildert die Anfänge. Als bekannt wurde, dass der Altstadtfriedhof saniert wird, hätten ihre Vorgängerin Doris Wörner und Pfarrerin Susanne Ress die Möglichkeit gesehen, ein Grabfeld für Sternenkinder mit einzuplanen.
Sie zogen Amon zurate, die 2014 als Klinikseelsorgerin in Bad Kissingen mit der Himmelswiese bereits eine solche Stätte in die Tat umgesetzt hat. Im Oktober 2019 übernahm Amon eine Stelle am Campus und damit auch die weiteren Planungen. Zusammen mit einer zu diesem Zweck gegründeten Projektgruppe. Der gehören Pfarrerin Susanne Ress, Pfarrerin Marion Ziegler, Gemeindereferentin Heike Waldvogel und Gabriela Amon, die von Hause aus ebenfalls Gemeindereferentin ist, an.
Die Stadt Bad Neustadt übernimmt die Pflege der Anlage
Die Idee einer Grabstätte für Sternenkinder stieß bei allen Beteiligten auf offene Ohren. Die Stadt Bad Neustadt erklärte sich bereit, das Grabfeld zu stellen und anzulegen. Außerdem kümmerte sie sich um die Begrünung und übernimmt die Pflege der Anlage. Dem Rhön-Klinikum obliegen die rechtlichen und verwaltungstechnischen Grundlagen, es stellt Infomaterial zur Verfügung und trägt die Kosten für die Särge.
Von Anfang an unterstützt worden sei das Projekt auch vom Bestattungsunternehmen Suckfüll, das die Beisetzungen durchführt, zeigt sich Amon dankbar. Eine enge Kooperation findet zudem neben dem Ärzte- und Pflegeteam der Gynäkologie, insbesondere in Person von Chefärztin Dr. Daniela Hegenbarth, mit der Hebammenpraxis Eichenhäuschen statt. Letztere betreut eine offene Gruppe für Eltern von früh verstorbenen Kindern, sodass Mütter und Väter auch nach dem Klinikaufenthalt die Möglichkeit haben, ihre Trauer zu bewältigen.
Amon ist nicht zuletzt aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus davon überzeugt, dass es gut ist, nach einer Fehl- oder Totgeburt dem Abschied und der Trauer Raum zu geben. "Trauerarbeit ist nicht planbar und nicht vorhersehbar. Manchmal entscheiden sich Eltern erst nach Jahren dazu, ans Grab zu kommen und Abschied zu nehmen. Es ist gut, dass es jetzt so einen Platz und einen Ort der Trauer, des Trostes und der Erinnerung gibt."
Die Bestattung ist für die Eltern kostenfrei
Die Sternenkinder werden unabhängig von Alter und Gewicht und für die Eltern kostenfrei auf dem Friedhof bestattet. Bestattungstermine sind viermal im Jahr. "Das klingt vielleicht auf den ersten Blick unpersönlich, jedoch hilft es vielen Eltern in diesem Moment, nicht allein zu sein und oft werden bei der Bestattung Kontakte geknüpft. Die Eltern sind nicht einsam mit ihrem Schmerz und die gemeinsame Veranstaltung sorgt auch für das Gefühl bei den Eltern, dass das Kind nicht allein ist." Die Seelsorgerin ist davon überzeugt, dass eine solche Würdigung des kurzen Lebens die Gefühle der Trauernden ändern kann - zum Positiven hin.
Die Trauerfeier wird auf die besondere Situation abgestimmt. "Es gibt andere Texte und Rituale, in die die Eltern einbezogen werden können", erläutert Gabriela Amon. Sie und die drei anderen Mitglieder der Projektgruppe halten die Beisetzungen. Natürlich haben Eltern auch nach wie vor die Möglichkeit, ihr Kind einzeln bzw. im Familiengrab zu bestatten. Auf einem Friedhof und mit einem Pfarrer ihrer Wahl.
Das Thema aus der Tabu-Zone holen
Was geht in Müttern und Vätern vor, die ihr Kind noch während der Schwangerschaft verlieren? Das kann sehr unterschiedlich sein und ist auch nur schwer in Worte zu fassen. "Man hat mit der Schwangerschaft angefangen, die Zukunft anders zu planen. Dieser Plan wird unterbrochen", sagt die Klinikseelsorgerin. Gabriela Amon erinnert sich an ihre erste Beerdigung in Bad Kissingen.
Auf dem langgezogenen Weg zur Grabstätte kam der Trauergemeinde eine Frau mit einem Kinderwagen entgegen. "Dieser Anblick war in dem Moment sehr hart." Für sie ist das Grabfeld auch eine Möglichkeit, das Thema aus der Tabu-Zone zu heben. "Dass ein Kind während der Schwangerschaft sterben kann, darüber denkt keiner gerne nach."

Aufwertung durch ein Kunstwerk
Die Projektgruppe hat noch ein weiteres besonderes Ziel vor Augen: Teil des Grabfeldes soll ein Werk des Künstlers Reinhard Kraft werden. Kraft ist Bildhauer und lebt in Wolkshausen im Landkreis Würzburg. Er arbeitet schon länger bildhauerisch mit Trauernden zusammen. Das Kunstwerk besteht aus drei Elementen, die in die Liturgie einbezogen werden. Es soll durch Spendengelder finanziert werden.
Bürgermeister Michael Werner zeigt sich gegenüber dieser Zeitung zufrieden, dass das Grabfeld für Sternenkinder als letzter Teil der Sanierung des Altstadtfriedhofs verwirklicht werden konnte. "Mich freut es, dass wir dieses sensible Thema mit einer ansprechenden Kunstskulptur und schön angelegten Grünflächen darstellen können." So sei es möglich, den betroffenen Familien einen Ort zum Gedenken und Trauern anzubieten. "Mein Dank gilt dem Team der Seelsorge, das im Rahmen der Gestaltung ganz eng mit dem Stadtbauamt zusammengearbeitet hat, um dieses tolle Ergebnis zu erzielen", betont er.
Auch der Landkreis Rhön-Grabfeld unterstützt das Projekt und hat bereits einen finanziellen Beitrag für das geplante Kunstwerk zugesagt. Das Gräberfeld setze ein Zeichen der Wertschätzung der menschlichen Gesellschaft und soll den Angehörigen Trost spenden, erklärt Landrat Thomas Habermann.
Die Projektgruppe kann noch weitere Spenden gebrauchen. Sowohl für das Kunstwerk als auch für die laufenden Kosten. Spenden können auf folgendes Konto eingezahlt werden: Ev. Luth. Kirchengemeinde Bad Neustadt, IBAN: DE39 7935 30900000004937, BIC: BYLADEM1NES, Verwendungszweck: Projekt Sternenkinder ökumenische Klinikseelsorge. Es werden Spendenquittungen ausgestellt.