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Meiningen/Erfurt
Nachbar Thüringen wird blau: AfD-Kandidatin siegt haushoch im Meininger Wahlkreis, der seit 1990 in CDU-Hand war
Die Landtagswahl wirbelt Thüringen durcheinander: Die AfD gewinnt klar und holt in den Nachbarregionen von Rhön-Grabfeld sämtliche Wahlkreise. Auch das BSW kann punkten.
Die Alternative für Deutschland hat die Landtagswahl in Thüringen gewonnen.  Auch in der Nachbarregion von Rhön-Grabfeld ist die politische Landkarte nun vollständig in AfD-blau gefärbt.
Foto: Hannes P. Albert/dpa | Die Alternative für Deutschland hat die Landtagswahl in Thüringen gewonnen.  Auch in der Nachbarregion von Rhön-Grabfeld ist die politische Landkarte nun vollständig in AfD-blau gefärbt.
Eike Kellermann
 |  aktualisiert: 07.09.2024 02:30 Uhr

Der Paukenschlag war ganz sicher bis nach Berlin zu hören. Denn das Ergebnis der Thüringer Landtagswahl am Sonntag lässt sich vor allem als Quittung für die vielfach kritisierte Politik der Ampel-Bundesregierung verstehen.

Die AfD unter ihrem Rechtsaußen Björn Höcke gewann mit 32,8 Prozent überlegen die Wahl – erstmals in einem Bundesland. Auf Platz 2 folgt die CDU, die sich auf 23,6 Prozent leicht verbessern konnte. Drittstärkste Kraft mit 15,8 Prozent wurde das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Die bisher nicht zum politischen Establishment gehörenden Parteien AfD und BSW haben damit rechnerisch eine Mehrheit im Erfurter Landtag. Die Wahlbeteiligung war mit 73,6 Prozent enorm hoch. Beim Tiefstand 2014 lag sie bei 52,7 Prozent.

In der Nachbarregion von Rhön-Grabfeld ist die politische Landkarte nun vollständig in AfD-blau gefärbt. Die zuwanderungskritische Partei holte hier sämtliche Wahlkreise. So jagte sie der CDU deren bisherige Hochburg, die thüringische Rhön, ab. Auch die beiden Wahlkreise im Nachbarlandkreis Schmalkalden-Meiningen, seit 1990 fest in CDU-Hand, gingen an die AfD. Die hätte wohl den berühmt-berüchtigten Besenstil aufstellen können und trotzdem gewonnen. In Meiningen etwa schnappte sich die in Erfurt lebende Juristin Vivien Rottstedt das Direktmandat vor dem in der Region verwurzelten CDU-Bürgermeister von Kaltennordheim, Erik Thürmer. 

In Thüringen gehen 29 der insgesamt 44 Wahlkreise an die AfD

Die Wahlergebnisse erinnern dabei an die guten alten CSU-Zeiten. Im Wahlkreis Hildburghausen beispielsweise holte Nadine Hoffmann für die AfD das Direktmandat mit 41,6 Prozent. Im benachbarten Landkreis Sonneberg verlor die CDU beide Direktmandate an die AfD. Landesweit gingen 29 der insgesamt 44 Wahlkreise an die Höcke-Partei. Der Spitzenkandidat selbst verlor in Greiz gegen einen CDU-Kandidaten. Nur dank der Landesliste kann er als Abgeordneter doch in den Landtag einziehen.

Der bisherige Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken gewann als einziger der Spitzenkandidaten ein Direktmandat. Seine Partei ist allerdings nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie stürzte von 31,0 Prozent bei der Landtagswahl 2019 auf 13,1 Prozent. Ihre Koalitionspartner kamen ebenfalls unter die Räder: Die SPD verlor weiter auf nur noch 6,1 Prozent, die Grünen fliegen mit 3,2 Prozent aus dem Landtag. Ramelows rot-rot-grüne Koalition, die zehn Jahre in Thüringen regierte, wurde klar abgestraft.

IHK-Chef: Wahl ist Ausdruck einer hohen Unzufriedenheit mit der Ampel-Politik

Dieter Bauhaus, Sparkassen-Chef und Präsident der IHK Erfurt, fasste den Wahl-Paukenschlag so zusammen: "Das Ergebnis ist vor allem Ausdruck einer hohen Unzufriedenheit mit der Ampel-Politik und der Minderheitsregierung in Thüringen." Das ist ein bemerkenswerter Unterschied zu Sachsen, wo zeitgleich der Landtag neu gewählt wurde. Hier konnte die Ministerpräsidenten-Partei CDU ihr Wahlergebnis von 2019 halten.

Von der Unzufriedenheit mit der Ampel profitierte neben der AfD auch Neuling BSW. Der erst im März gegründete Landesverband holte in Thüringen gleich mal 15,8 Prozent. "Es ist der helle Wahnsinn", frohlockte bei der Wahlparty TV-Moderator Steffen Quasebarth, der für das BSW auf Listenplatz 3 antrat. Die Partei hatte die Landtagswahl zu einer Abstimmung über die Außenpolitik erklärt. Sie ist gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine und gegen neue US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden. Offenkundig traf sie damit einen Nerv.

Überraschung: BSW gewinnt keinen Wahlkreis in Thüringen

Aber auch bei ihr wachsen die Bäume nicht in den Himmel. In Umfragen kurz vor der Wahl waren ihr noch bis zu 20 Prozent vorhergesagt worden. Sie gewann keinen Wahlkreis, auch nicht in ihrer Hochburg Suhl. Sie dürfte aber entscheidend für den Absturz der Linkspartei gewesen sein, aus der sie maßgeblich hervorging. Talkshow-Queen Sahra Wagenknecht war viele Jahre das Gesicht der Linken.

Wie nun eine neue Landesregierung in Thüringen gebildet werden kann, dazu gibt es vorerst mehr Fragen als Antworten. Denn eine sich ursprünglich abzeichnende Koalition aus CDU, BSW und SPD hat keine Mehrheit. Das wiederum hält Wahlverliererin Linke als mögliche Mehrheitsbeschafferin im Spiel.

Allerdings hat ein CDU-Bundesparteitag 2018 beschlossen, dass weder mit der AfD noch mit der Linken zusammengearbeitet wird. Womöglich kommt das jetzt ebenso auf den Prüfstand wie die Frage, ob die AfD und damit ein Drittel der Wählerschaft weiterhin von den etablierten Parteien ausgegrenzt werden kann und darf. IHK-Boss Dieter Bauhaus dazu: "Aus Sicht der Wirtschaft braucht es eine schnelle Regierungsbildung mit einer dauerhaften Handlungsfähigkeit, auch im Parlament."

 
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  • Alfred Mahler
    Da werden die Immobilienpreise in Thüringen weiter fallen.
    Wer will schon in eine Region investieren in der mindestens jeder vierte ungeniert Faschisten wählt? Jeder mit ein wenig Verstand sollte diesen braunen Sumpf schnellstmöglich verlassen. Soll die AfD doch zeigen was sie kann, wenn Geld und Fachkräfte fehlen und nur der dumpfe Bodensatz ewig gestriger "stolzer Deutscher" die Wirtschaft am laufen halten soll.
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  • Walter Vogt
    Bitte vermeiden Sie die den Vergleich mit der NSDAP.
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  • Dieter Hartwig
    In der Mainpostumfrage freuen sich 51% über das Wahlergebnis - das ist erschreckend
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  • Daniela Mahler
    Wenn da mal nicht im Kreml die Sektkorken knallen, wo doch 2022 so ein treffendes Strategiepapier entworfen wurde. Ziel des Papiers sei es, die Umfragewerte der AfD zu erhöhen und Mehrheiten auf allen Ebenen zu erreichen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber mit passender Propaganda hat man eben auch schon Frauen zum Glimmstengel verleitet wegen dem Gefühl von Freiheit und so.
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  • Martin Heberlein
    Nur mal zur Erinnerung: 1930 bekam die NSDAP 18,3% der Stimmen. Auch damals gab es die Sprüche "Es muss sich was ändern" und "Lasst sie doch mal probieren".
    Was daraus geworden ist, aus dem "Probieren", wissen wir ja.
    Und wenn das Volk entscheidet, dass behinderte Menschen wieder "unwertes" Leben sind, muss man das dann auch "respektieren"?
    Es MUSS einen Rahmen geben (definiert durch Menschenwürde und Menschenrechte), der auch nicht vom "Volkswillen" außer Kraft gesetzt werden darf.
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  • Helga Scherendorn
    Viel Gebrüll um nichts, die Misere die wir in D haben hat weder die AFD noch das BSW zu verantworten. Das Volk hat bei der Wahl entschieden und das muss respektiert werden, oder sind wir wieder solche Faschisten und wollen Meinungen verbieten, nur weil man denkt man ist schlauer als die anderen?
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  • Klaus - Peter Eschenbach
    Mal die Programme durchlesen und dann urteilen wer Meinung verbieten will
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  • Helga Scherendorn
    ich kenne das Programm und finde es nicht sonderlich daneben.
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Nicht sonderlich daneben heißt dann wohl nur ein bisschen daneben?
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  • Helga Scherendorn
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  • Albrecht Schnös
    Wenn man hier die Kommentare liest, bekommt man das Grausen.
    Die Wahl war frei, geheim und demokratisch.
    Wenn man mit dem Ergebnis nicht leben möchte, muß man Wahlen abschaffen.
    Ich möchte hier mal auf Harald Schmidt verweisen, welcher das sehr treffend beschrieben hat.
    Statt sich mal einen Kopf zu machen, warum das Ergebnis denn so ist, wie es ist, wird überheblich über Thüringer Bürger hergezogen. Das ist zutiefst peinlich!
    Muß man an den Auslöser für die Gründung der AgD erinnern? Spekulantenrettung hemmungslos? Oder an die Glanzleistungen der Vernetzten Etablierten? An Karnevalclowns auf Trauerveranstaltungen, CumEx Händler und "Wir schaffen das"?
    Wer grenznah aufgewachsen ist, kennt auch das Fernsehen der GDR.
    Vom schwarzen Kanal bis zur aktuellen Kamera.
    Man sagt ja Geschichte wiederholt sich. Da ist was Wahres dran.
    Gefärbte Reportagen liegen jedenfalls voll im Trend.
    Die Bürger in Thüringen reagieren mit Wut und Trotz -und die Lösung aus der etabl. Politik ist: -Weiter so!
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  • Martin Heberlein
    Liebe Mainpost, euer Ernst?? Die gesichert rechtsextremistische Partei mit dem einzigen (!) Adjektiv "zuwanderungskritisch" zu verharmlosen?
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  • Dietmar Eberth
    CDU zusammen mit BSW. Dann können demnächst die von Kohl versprochenen, blühenden Landschaften beginnen.
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  • Silke Müller
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Mein erster Gedanke wäre: Klar, die Leute haben gewählt und jetzt wünsche ich der Nachbarschaft in Thüringen viel Spaß mit einer afdBSW-Koalition mit dem Ministerpräsidenten Höcke vorndran.

    Aber da diese beiden Parteien bestenfalls dazu geeignet sind, Deutschland auf internationaler Ebene zu schädigen, weil echt niemand auf Nazideutschland 2.0 Lust hat, wäre das eine Regierung untumutbarer Härte für Thüringen.

    Dann bleibt wohl nur noch abzuwarten, wie die CDU erklären will, mit den geschmähten roten Socken zusammenzuarbeiten oder noch besser, den Steigbügel zu halten, damit Höcke und Kamerad*inn*en aufs hohe Ross der Regierungsverantwortung gehievt werden.
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  • Gertrud Körner
    Wenn unsere Nachbarn im Osten weiter rückwärts gehen wird vielleicht auch wieder der Grenzzaun mit Ausreiseverbot wieder hochgezogen... (Ironie)

    Ganz im Ernst: ich kann es nicht verstehen, in den mittel- bzw ostdeutschen Ländern ist sehr viel getan worden, zunächst mit den Steuergeldern aus dem Westen, sprich BRD und EU. Wenn ich durch Thüringen, Sachsen, Brandenburg und MeckPo fahre sehe ich deutlich, dass Gelder in Gebäudesanierung und Straßenbau geflossen sind. In den Städten sieht man allenthalben Menschen tagsüber in den Cafés sitzen und im Urlaub kann man, egal wo, auch überall die Brüder und Schwestern aus der Ex-DDR antreffen. Also bitte: wo geht es denn dem Osten denn so schlecht, dass man meint eine Höcke-Partei wählen zu müssen obwohl man versichert niemals nicht ein Nazi zu sein...
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  • Elisabeth Sauer
    Da kann man Ihnen nur voll und ganz zustimmen. Viele von uns kennen doch die heruntergekommenen und vergammelten Städte, Straßen usw. aus der Zeit unmittelbar nach der "Wende", wo seit Kriegsende nichts mehr geschehen ist, gerade und besonders in Thüringen.
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  • Hubert Endres
    Frau Sauer. Ihre beschriebenen Straßen und Städte wird es auch in nächster Zeit in Westdeutschland geben. Sind auf dem besten Weg dahin. Schauen Sie sich doch Berlin, Frankfurt den Ruhrpot usw. an. Schuld an dieser Misere sind die aktuellen Parteien und nicht die Thüringer Einwohner. Die Versager stehen an anderer Stelle.
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Wer Nazis wählt ist ein Nazi.
    An dieser Tatsache lässt sich kaum rütteln.
    Und ich gehe noch weiter:
    wer sich törichte Phrasen der afd zu eigen macht agiert selbst für die afd. Das sollten Sie eigentlich wissen, sehr geehrter Herr Endres ,
    Sie CSU ?-Lokalpolitiker und Dorfbürgermeister!
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  • Stefan Fuchs
    Manchmal wünsch ich mir die Tage vor dem 09.11.89 zurück.
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