Unter normalen Umständen wäre das achtköpfige Funktionsteam beim Tischtennis-Bundesligisten TSV Bad Königshofen in diesen Tagen dabei, die Vorbereitungen für den letzten Spieltag der Saison treffen. Da es am Ostermontag im Derby gegen den TTC Fulda-Maberzell gegangen wäre, hätte man sich wieder allerhand zusätzliche Aktionen einfallen lassen, um sich bei den Zuschauern zu bedanken und ihnen gleichzeitig Geschmack auf die kommende Saison zu machen. Zum ersten Mal wollte man diesen Gegner in die Knie zwingen und hätte damit im Optimalfall noch von Platz neun aus einen Sprung an Neu-Ulm und Grünwettersbach vorbei auf den siebten Platz machen können.
Beim TSV einiges im Umsturz, aber kein Einsturz
Die erfolgreichste Tischtennis-Saison in der Geschichte des TSV Bad Königshofen ist es aber auch so, wenn auch die denkwürdigste - angesichts der Umstände. Corona bringt beim TSV vieles durcheinander Und auch beim TSV einiges zum Umsturz. „Zum Einsturz aber nicht“, beschwört Andy Albert, der Manager und mit Udo Braungart einer der beiden Geschäftsführer der Bundesliga-Spielbetriebs-GmbH fast trotzig die Aufbruchstimmung.
Rückblende: Wegen der Corona-Krise in Südkorea hatte der Weltverband ITTF die Weltmeisterschaft, was auch eine Vorverlegung des letzten Spieltags der TTBL-Saison auf den 22. März nach sich zog, vorverlegt. Mizuki Oikawa wurde deshalb auch vorzeitig aus Tokio zum Team zurückbeordert, doch dann wurde auch dieses Spiel gecancelt. Damit waren nicht nur die Einnahmen weg, sondern auch Oikawa.
Personelle Veränderung wie aus heiterem Himmel
„Wir haben so familiär entschieden, wie wir das im Umgang mit unseren Spielern immer tun“, erklärt Albert das Entgegenkommen des Vereins, dem japanischen Publikums-Liebling „keine Steine in den Weg zu legen.“ Natürlich kam diese schwerwiegende personelle Veränderung im Team wie aus heiterem Himmel. Es ist aber nicht so, dass man beim TSV nun dieser neuen Situation machtlos gegenübersteht. Andy Albert hat aus den drei Bundesliga-Spielzeiten die Spielregeln bei Vereinswechseln und Vertragsverhandlungen gelernt. Das ist eine ganz andere Kategorie als zuvor in den vier Jahren in der Zweiten Bundesliga: Nicht nur finanziell, sondern auch von der Taktik insgesamt. Alberts Netzwerk ist inzwischen so vielmaschig und eng geknüpft, dass er mit allen für den TSV nur denkbaren Spielern in Kontakt steht, von frei werdenden Spielern und von bereits geleisteten Unterschriften informiert wird.
Nachdem das Quartett Kilian Ort, Bastian Steger, Mizuki Oikawa und Filip Zeljko für die kommende Saison verlängert, Oikawa aber nur für eine begrenzte Anzahl von Spielen zugesagt hatte und man eine Verletzung eines Spielers nie ausschließen kann, hatte Albert immer die Augen offen und die Fühler ausgestreckt nach einem zusätzlichen Spieler. Um diesen sich auch leisten zu können, haben Gespräche mit Sponsoren stattgefunden. Dabei habe es Interessenten gegeben, die nach Bad Königshofen wechseln wollten, denen er aber aus sportlichen oder aus finanziellen Gründen hatte absagen müssen.
TSV Bad Königshofen mittlerweile eine attraktive Adresse
Andererseits lichtet sich allmählich der Markt. „Wäre Mizuki geblieben, hätten wir alle Zeit der Welt gehabt, noch einmal zuzugreifen.“ In der Tat ist der TSV Bad Königshofen mit seiner Entwicklung der letzten sieben Jahre im Profi-Bereich eine attraktive Adresse in der europäischen Tischtennis-Szene. „Wir werden auch jetzt keinen Schnellschuss loslassen, sondern weiterhin den Markt sondieren. Es gibt noch genügend Spieler, die einen Verein suchen. Ich habe den einen oder anderen Spieler im Auge, der auch eher bezahlbar ist.“ Sein Anforderungsprofil: „Jung, hungrig, Linkshänder wegen des Doppels und finanzierbar.“
Wenn man Alberts goldenes Händchen bei der Verpflichtung von jungen, unbekannten Spielern zugrunde legt, darf man gespannt sein, wer diesmal in Bad Königshofen aus der sportlichen Anonymität heraus auftaucht und den Sprung in die Top 100 der Weltrangliste schaffen wird. Erinnert sei nur an Mizuki Oikawa, Kazuhiro Joshimura, Joao Geraldo und Darko Jorgic. „Wir sind gewappnet, werden eine Lösung finden und freuen uns schon auf die neue Runde.“ Alberts Gespräche mit den Sponsoren haben ihm zweierlei bewiesen: „Sie stehen weiterhin zu uns und der eine oder andere hat sogar eine Schippe drauf gelegt.“ Freilich hätten derartige Gespräche noch vor der Corona-Krise stattgefunden. „Zurzeit tritt der Sport natürlich in den Hintergrund, haben unsere Partner andere Dinge im Kopf als Tischtennis. Das müssen wir auch verstehen, sind aber dennoch voll zuversichtlich, dass wir gemeinsam die Kuh vom Eis holen werden.“
TSV-Spieler stärken dem Verein den Rücken
Seit Oikawas Absage habe er mit vielen Sponsoren gesprochen und mündlich wie über die sozialen Medien immer wieder zwei hintereinander folgende Sätze gehört: „Schade, dass er gegangen ist“ und „Es ist aber zu verstehen.“ Ansonsten keinerlei bitterer Nachgeschmack, sondern nur sehr schöne Erinnerungen an den kleinen, großen Sportler.„Besonders erfreulich ist für mich auch, dass die verbliebene Mannschaft von sich aus auf mich zukam mit dem Vorschlag, durch finanzielles Entgegenkommen ihren Teil dazu beizutragen, dass sie auch in der nächsten Saison Erste Bundesliga beim TSV Bad Königshofen spielen können. Momentan gehe ich davon aus, dass es nach der Oikawa-Ära ein Übergangsjahr geben wird, mit bescheidenen Zielen. Und allen Möglichkeiten sie zu übertreffen.“