
Manchmal hätte Burkard Süß sein Rad am liebsten in die Felsen geknallt, so geschlaucht war er. Solche Momente gehören dazu, wenn man sich ein solch anspruchsvolles Programm vornimmt wie Klaus Schmitt, Manuel Knobling, Burkard Süß, Michael Memmel und Silvio Friedrich. Die fünf Männer im Alter von 30 bis 57 Jahren aus dem Raum Bad Neustadt hatten sich mit ihren Mountainbikes zu einer nicht alltäglichen Alpenüberquerung entschlossen.
9000 Höhenmeter in sechs Tagen
Deswegen waren sie auch nicht einfach einer der vielen ausgearbeiteten Routen gefolgt, sondern hatten sich ihre Tour selbst zusammengestellt. In sechs Tagen waren sie von St. Anton am Arlberg bis Riva del Garda 320 Kilometer unterwegs und meisterten dabei 9000 Höhenmeter. Das bedeutete Tagesetappen zwischen 40 und 70 Kilometer und 1000 bis 2400 Höhenmeter Richtung Gardasee. Im Schnitt waren sie gut zehn Stunden pro Tag unterwegs, wobei die Pausen nicht allzu üppig ausfielen.
Wer sein Rad liebt, der schiebt
„Ich hab schon viele Alpenüberquerungen hinter mir, aber so anstrengend war noch keine“, erklärt Süß. Denn gemütlich ging es selten zu auf dieser Strecke. „Wir wollten die spektakulären Pässe mitnehmen“, erklärt Manuel Knobling aus Saal, für den es der erste Ritt über die Alpen war. Die Konsequenz: Es ging eigentlich immer nur bergauf und bergab. Und das in einem Gelände, das die Mountainbiker dazu zwang, immer wieder aus dem Sattel zu steigen und das Rad zu schieben. Wie etwa bei der Durchquerung der Uina Schlucht auf dem Weg zu dem auf 2309 Meter Höhe gelegenen Schlinigpass. Auf den zweieinhalb Kilometern durch die Schlucht mussten 500 Höhenmeter überwunden werden.
Nah am Abgrund
An Radfahren war angesichts des schmalen Weges nah am bis zu 100 Meter tiefen Abgrund nicht zu denken. „Das ist lebensgefährlich“, sagt Knobling. Also blieb nichts anderes übrig, als die gut 15 Kilogramm schweren Räder samt dem auch noch einige Kilo schwere Gepäck mühsam den über zwölfprozentigen Anstieg hochzuschieben. „Ich war so kaputt, dass ich nicht mal was essen konnte“, sagt Süß über den ersten Tag der Tour, die sich schnell als Tortur entpuppen sollte.
Keine Unfälle und Pannen
Von Unfällen und Pannen blieben sie zwar verschont, Blasen an den Füßen gab es aber jede Menge. Denn die speziellen Schuhe, die man zum Mountainbiking trägt, eigenen sich nicht, um damit über steiniges Gelände zu kraxeln. In sich hatten es auch die Abfahrten, die nicht selten über lose Schotterpisten führten und höchste Konzentration erforderten.
Fantastische Ausblicke am Gipfel

Allerdings sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die fünf ihr Mountainbike-Abenteuer im Nachhinein bereuen. Die fantastischen Ausblicke, die wilde und raue Bergwelt und nicht zuletzt das Gemeinschaftsgefühl, das bei einer solchen Herausforderung entsteht, möchten sie nicht missen. „Wir haben alle geflucht, aber dann auf dem Gipfel das tolle Panorama genossen“, fasst Süß das schöne Erlebnis zusammen. Dazu hat auch das sonnige Wetter beigetragen, das sie Ende Juli in den österreichischen und italienischen Alpen erwartet hatte. Nur am ersten Tag hatte es geregnet.
20 Prozent Steigung zum Madritschjoch
Da ließen sich denn auch die Strapazen ertragen, die auf dem Weg zum höchsten Punkt der Tour nicht ausblieben. Zunächst ging es noch ganz gemütlich mit der Seilbahn von Sulden aus, wo sie übernachtet hatten, zur Schaubachhütte auf 2610 Meter. Dann folgte der mit durchschnittlich 20 Prozent Steigung steile Aufstieg zum Madritschjoch im Ortler-Massiv, das mit 3123 Meter zu den höchsten fahrbaren Pässen der Ostalpen zählt.
Treffen mit dem Mountainbike-Guru

Dort oben, in dünner Luft, trafen sie auch Manfred Stromberg, der in Mountainbiker-Kreisen einen legendären Ruf genießt. Der ehemalige deutsche Vizemeister im Downhill, also der Bergabfahrt, hat sein einstiges Hobby längst zum Beruf gemacht. Er schreibt für Fachzeitschriften und hat seine eigene Firma, die geführte Mountainbike-Touren, wie etwa zur Touristenattraktion Madritschjoch anbietet, das auch auf leichter zu bewältigenden Wegen erreichbar ist.
Wenn Manuel Knobling und Burkard Süß von der Tour erzählen, dann juckt es sie eigentlich schon wieder in den Beinen. Aber die nächste Zeit wird es erst einmal etwas geruhsamer. Abgesehen von den wöchentlichen Trainingseinheiten folgt im September nur noch eine kleine Rhön-Tour. Erst nach Weihnachten wollen sich alle wieder zusammensetzen, um den nächsten Schlachtplan zu entwerfen.
Aber kaum ist man zu Hause, sind die Strapazen vergessen und man denkt schon an nächstes Jahr. Wie heißt es so schön: "Nach der Tour ist vor der Tour"