Hauchdünn ist der Schnitt durch den Speck. Fast durchsichtig ist der Streifen, den Johannes Dietz da von dem wuchtigen Stück Knochenschinken abtrennt. Einige Schnitte sind nötig, bis er dorthin vorgedrungen ist, wo jeder Feinschmecker hin will: beim milchig weißen Fettrand, an den sich ein duftendes Stück marmorierten Fleisches anschließt. So zart, dass es auf der Zunge zergeht.
Johannes Dietz versteht es, Appetit zu wecken. Eigentlich seit acht Jahren schon. 2013 übernahm er als junger Meister die Metzgerei Haaf in der Mellrichstädter Hauptstraße, die heute unter dem Logo "Johannes der Metzger" firmiert. Seit kurzem aber kann er ganz professionell insbesondere Lust auf Schinken aller Art machen. Denn er hat das Diplom als ausgebildeter "Cortador" in der Tasche. Das heißt eigentlich "Aufschneider", ist aber wörtlich zu nehmen. "In Spanien ist bei größeren Festen oder Hochzeiten immer ein Cortador dabei, der die Schinkenspezialitäten professionell aufschneidet und zum Beispiel auf Platten dekorativ anrichtet", erklärt Johannes Dietz.
Weiterbildung: Johannes Dietz geht mit der Zeit
Nicht nur die selbstbewusste, aber auch moderne Namensgebung "Johannes der Metzger" mit entsprechendem Logo zeigt, dass der junge Selbstständige mit der Zeit gehen will. Wie selbstverständlich wird ein Facebook-Account bedient, der über Wochenangebote und Anderes informiert. Und zu einer zeitgemäßen Präsentation des Metzger-Handwerks gehört eben auch, dass sich Johannes Dietz um Fortbildung bemüht. "Bekannt ist ja der Fleischsommelier. Da haben wir aber zum Beispiel mit Andreas Ortlepp aus Ostheim ja schon einen in der Nähe", sagt Johannes Dietz.
Darum ist er auf ein anderes Fortbildungsangebot der Fleischinnung aufmerksam geworden: das eben zum Cortador. Drei Tage hat er in den Schulungsräumen der Innung gebüffelt. Nun hat er einiges Wissen über wichtige Schweinerassen, den Serrano-Schinken aus Spanien, den San-Daniele-Schinken aus Italien und den Iberico-Schinken, das Prachtstück aus spanischer Aufzucht. "Es werden auch hier Iberico-Schweine gezüchtet, aber die kommen nicht an den Geschmack der spanischen heran", sagt Johannes Dietz. "Der freie Auslauf, die Luft, die besonderen Gräser und die Eicheln sorgen für ein ganz besonderes Fleisch", weiß der Mellrichstädter Metzgermeister.
Für Knochenschinken ist viel Geduld notwendig
Er selbst verwertet in seiner Metzgerei ausschließlich Duroc-Schweine aus Oberstreu in Strohhaltung. Das langsamere Aufwachsen der Tiere und die besondere Marmorierung würden für einen besonderen Geschmack sorgen. "Mit meiner Cortador-Ausbildung habe ich jetzt auch spanischen Iberico-Schinken im Angebot. Aber irgendwann will ich auch mal eine eigene Keule Knochenschinken reifen lassen", so der große Traum des Schinken-Fans. Viel Geduld ist dafür nötig.
Rund 100 Tage zum Beispiel reift ein spanischer Knochenschinken im Salzmantel, ehe er geräuchert und dann luftgetrocknet wird. Dabei vergehen noch einmal Monate, gerne auch einmal 20 und mehr an der Zahl. "Dabei verliert so ein Schinken bis zur Hälfte seines Ursprungsgewichtes", weiß Dietz. Viel Arbeit steckt hinter der Schinkenzubereitung. "Man muss sich um ihn kümmern wie um ein Kind", ergänzt Dietz. Im Sommer muss man ihn etwas anders behandelt wie in den Wintermonaten, auch die Luftfeuchtigkeit im Reifekeller ist ein wichtiger Faktor, ergänzt Dietz.
Er geht immer noch mit der gleichen Leidenschaft in seinem Handwerk auf wie zu Beginn der Selbstständigkeit. "Aber man ist doch auch am Kämpfen, weil immer wieder Personal und Nachwuchs fehlt", klagt auch seine Schwester Jasmin, die mit ihm die Geschäfte in Mellrichstadt führt. Damit sind sie im Handwerk in Rhön-Grabfeld freilich nicht allein.
In einem guten Schinken gibt es Diamanten
Johannes Dietz gehört jetzt zu einem ausgesuchten Kreis von Cortadores in Deutschland. Eine Handvoll Kurse hat es bisher gegeben. In Augsburg lernen auch Österreicher und Schweizer, den Schinken standesgemäß zu schneiden und zu präsentieren, damit einem auch wirklich das Wasser im Munde zusammenläuft. Johannes Dietz läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn er bei einem guten Schinken die Diamanten entdeckt. "Das sind kleine Salzkristalle, die sich bei besonderen Qualitäten bilden", erklärt der Cortador, der auch beim nächsten Ostheimer Wurstmarkt seine Spezialitäten präsentieren will.
Appetitanregend ist es auf jeden Fall, sich mit ihm zu unterhalten. Bleibt nur die wichtigste aller Fragen, die man sich beim Thema Schinken stellen muss: Dünne oder eher dicke Scheiben? "Auf jeden Fall müssen sie hauchdünn sein", sagt Johannes Dietz klipp und klar. Es sei denn beim Schinkenspeck, da sind auch mal kleine Würfel kein Tabu.