So ein Mann gehört einfach zu Ostheim, der Stadt des weitgerühmten Wurstmarkts. Ein Mann, der noch den Nierenzapfen aus der Brusthöhle des Rinds zu schneiden weiß. Ein Mann, der sich nicht satt sehen kann an der Marmorierung seines Porterhouse-Steaks, das wochenlang in einem speziellen Kühlschrank zur Perfektion reift. Ein Mann, der überhaupt weiß, dass die weiblichen Zeitgenossen das beste Steak ergeben.
Dieser Mann ist Andreas Ortlepp. Metzgermeister ist er, führt seit 2015 den elterlichen Betrieb in der Marktstraße. Und er ist Fleisch-Sommelier, ein Kenner dessen also, was Rindvieh und Schwein dem Menschen Genuss an bereiten können.
Beinahe wäre Ortlepps Leidenschaft unentdeckt geblieben. „Uns gibt es zwar in der dritten Generation in Ostheim und mein Urgroßvater war Metzger in Meiningen, aber ich wollte eigentlich nicht in den Beruf, das war mir zu vorherbestimmt“, schmunzelt der 42-Jährige. Doch nach Gymnasium, FOS und Bundeswehr merkte er doch schnell, dass er etwas Handwerkliches machen wollte. Der Weg führte doch zurück ins väterliche Geschäft.
„Ich wollte eigentlich eher in Richtung Feinkost und Delikatessen. Doch als ich 2015 den Betrieb von Vater Friedhelm übernahm, da wurde mein Bewusstsein für Regionalität geschärft. Ich habe rigoros auf regionale Produkte umgestellt“, sagt der Metzgermeister. Alle Wurst fertigt der Ostheimer aus regionalen Zutaten, er ist auch Mitglied der Dachmarke Rhön.
Beim regionalen Gedanken blieb es nicht. „Ich habe einen Schwerpunkt auf Rindfleisch gelegt. Und ich habe entdeckt, dass das beste Fleisch das Fleisch der Färse ist“, sagt Ortlepp. Die Färse ist ein weibliches Jungtier, das noch nicht gekalbt hat. Färsenfleisch ist mehr mit Fett durchzogen, deshalb marmorierter, zarter, aromatischer und saftiger. „Färsenfleisch ist eher unüblich, beliebter ist muskulöses Fleisch, bei der Färse ist das Knochen-Fleisch-Verhältnis nicht so gut“, erklärt der Metzgermeister. Es liege in der Genetik, dass Färsenfleisch mit Fettadern durchzogen ist, weil die weiblichen Rinder für die Milchproduktion vorsorgen.
„Seit diesem Schwenk zu besonders gutem Rindfleisch hat sich der Verkauf vervielfacht, auch wenn das Fleisch teurer ist“, sagt Ortlepp, der sich auf dem richtigen Weg weiß. Aber Regionalität und Qualität seien ein Weg, um aus der ethisch und ökologisch bedenklichen Massentierhaltung zu entfliehen.
Das Interesse für die Feinheiten des Geschmacks eines guten Stückes Fleisches und überhaupt für die Kultur der Ernährung brachte Ortlepp dazu, eine Ausbildung zum Fleisch-Sommelier zu machen. Den Sommelier, ursprünglich ein Mitarbeiter in der Gastronomie für Weinempfehlungen- und Präsentation, gibt es mittlerweile für Edelbrände, Käse, Brot – und eben Fleisch.
„Der Fleisch-Sommelier wurde 2011 in Österreich erfunden, 2016 übernahm auch der Fleischerverband Bayern diese Ausbildung“, erklärt Ortlepp. Zwei Wochen lang büffelte er in Augsburg Ernährungsgeschichte, Formen des Zuschnitts sowie Koch- und Grill-Techniken. Auch die Tierärztliche Fakultät der Uni München wurde dabei besucht.
„Ich möchte dem Kunden so viel wie möglich über das Fleisch erzählen können, über den ganz besonderen Wert eines ganz bestimmten Stückes“, sagt Ortlepp, der einer der ersten 40 Fleischsommeliers in Deutschland ist.
Zupass kommt dem Vater dreier Töchter der wachsende Grilltrend hierzulande. Ob Porterhouse-oder Rib-Eye-Steak, Pulled Pork oder Tenderloin: Immer mehr Hobby-Griller begnügen sich nicht mit Grillgut aus der SB-Abteilung des Supermarktes. Sie suchen den ganz besonderen Fleischgenuss zum Beispiel mit Dry-Aged-Stücken. Dry Aged bedeutet trocken gereift. In einem speziellen Kühlschrank reift das Fleisch bei gleichzeitigem Wasserentzug. Das beschert einen intensivierten Fleischgeschmack, wie er von Grillfans geschätzt wird.
„Es geht aber nicht nur um die edlen Teile. Ich fühle mich auch dem Gedanken 'From Nose to Tail' verpflichtet“, sagt Ortlepp. Von der Nase bis zum Schwanz soll möglichst jedes Teil des Tieres in der Küche Verwendung finden. Auch das ist ein ethischer Ansatz. Darum finden Fleischsommeliers Teile zur Verwendung, die hierzulande eher unbekannt sind. „Cuscino“ heißt ein solches Stück vom Schwein, zu Deutsch Kissen.
Was deutsche Metzger eher zur Verwurstung nehmen, wird zum Beispiel in Italien geschätzt. Wie eben auch das in Spanien bekannte Presa-Stück aus dem Schweinenacken oder der Nierenzapfen beim Rind, der in der Brusthöhle die inneren Organe zusammenhält. „Der wird aus Deutschland nach Frankreich exportiert, weil ihn die Franzosen als Delikatesse schätzen“, weiß Metzger Ortlepp.
Was in seinem Dry-Ager-Kühlschrank reift, ist offenbar begehrt. „Ich habe Kunden, die kommen alle vier Wochen aus Volkach, um sich mit Rindfleisch einzudecken“, gibt der Handwerksmeister ein Beispiel. Der Fleisch-Sommelier ist auch ein Marketing-Instrument, und deshalb kooperiert er intensiv mit einer Werbeagentur. „Rhön.Beef“ gibt es nicht nur an Ortlepps Fleischtheke in der Ostheimer Marktstraße, sondern auch bei Facebook und im Internet.
„Die Ausbildung zum Fleischsommelier hat mir noch einmal einen innerlichen Schub gegeben, in Richtung Regionalität weiterzuarbeiten, sie ist die Bestätigung meiner Anfangsidee“, sagt Ortlepp.
Erstmals in diesem Jahr bietet Ortlepp Grillkurse an, dafür hat er außerhalb von Ostheim eigens eine Grill-Hütte eingerichtet, die Ostheimer „Beef.Scheune“.
Ein keramischer Monolith-Kugelgrill steht ebenso bereit wie ein Gasgrill oder ein so genannter Beefer, wo das Grillgut bei 800 Grad Celsius minutenschnell seine Kruste erhält. Auch ein Sous-Vide-Gerät steht bereit. Dort werden die Fleischstücke vakuumiert im Wasserbad teilweise stundenlang vorgegart.
Und wenn so ein edles Stück Fleisch fertig gegrillt ist? „Etwas Salz, etwas Pfeffer, vielleicht etwas Zitronensaft, das ist alles. Das Fleisch soll nach Fleisch schmecken, schon gar nicht von zu viel Gewürzen überdeckt werden“, findet Ortlepp.
Viele seiner Ideen hat der Metzgermeister schon verwirklicht. Aber einen Traum will er sich erst erfüllen. „Meine Idee ist die Kennzeichnung unseres Fleisches wie bei einem Weinetikett. Rasse, Jahrgang und Standort des Tieres müssten darauf vermerkt sein“, malt sich Ortlepp aus.
Wer soviel Leidenschaft für das Fleischliche hat wie Andreas Ortlepp aus der Wurstmarkt-Stadt Ostheim, der wird sich auch diesen Traum erfüllen.
ONLINE-TIPP
Ein Video mit Andreas Ortlepp: www.mainpost.de/rhoengrabfeld