Beim Flurnamen Kohlhügel wird wohl jeder an den Anbau der grünen und blauen Feldfrucht denken, die als Rot- oder Sauerkraut eine Beilage zu meist deftigen Fleischgerichten darstellt. Außer ausgewiesenen Geschichtskennern käme wohl niemand auf die Idee, dass nahe des kleinen Dorfes Leinach am Fuße der Haßberge tatsächlich, wie im Ruhrgebiet, Kohle abgebaut wurde. Zwar dauerte die Förderung des schwarzen Goldes nicht sehr lange, doch stellt diese Episode einen Aufsehen erregenden Punkt in der 800-jährigen Geschichte des Ortes dar. Und wie das mit runden Geburtstagen so ist, so wird auch dieser heuer an Pfingsten groß gefeiert. Mitte Mai soll die Ortschronik in einer Auflage von 500 Exemplaren erscheinen, die Kreisheimatpfleger Reinhold Albert aus Sternberg geschrieben hat.
Leinach ist wohl noch viel älter als 800 Jahre
Auf gut 300 Seiten, bestückt mit vielen Bildern, blättert Albert, der auch die Informationen für diesen Artikel zur Verfügung stellte, die Geschichte des abseits jeder Hauptverkehrsstrecke gelegenen "Perle am Ende der Welt" auf, wie Leinach von der Grabfeld-Allianz im Internet beworben wird. Obwohl der Ort wohl schon 300 bis 400 Jahre älter ist, zählt zur offiziellen Altersbestimmung immer die erste urkundliche Erwähnung. Die stammt aus einem Schriftstück aus dem Jahre 1219, in dem festgehalten ist, dass Conrad, der Probst des Klosters Veßra, Güter zu "Lynahe" zurückgekauft hat. Mit Lynahe ist nichts anderes als Leinach gemeint. Dieser Name leitet sich aus dem Althochdeutschen ab und bedeutet so viel wie "Fluss bei den Ahornen" oder "Fluss am Ahornwald", wobei "lin" für Spitzahorn und "ach" für Wasser steht.
Eine Sage über die Entstehung gibt es auch. Danach sollen drei Familien des fahrenden Volkes oder aus Böhmen am so genannten Bollerloch, in Nähe der Leinachquelle, ihre Hütten gebaut und sogar Weinbau betrieben haben. Lohnender als die Rebzucht erschien wohl der Anbau von Lein (Flachs), wovon auch ein Teil des Dorfnamens her stammen soll. Der andere rührt von der mühseligen Arbeit, die die Bauern immer "ach" seufzen ließ. Spaß beiseite, aber ähnliche Gefühlsregungen mögen wohl auch die Arbeiter gezeigt haben, die in den frühen dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts immerhin 600 Zentner Kohle abbauten. 1931 hatte ein Leinacher beim Pflügen auf dem schon erwähnten Kohlberg das Vorkommen entdeckt und den Würzburger Zechenvertreter Emil Reißmann informiert.
Wünschelrutengänger
Der witterte ein gutes Geschäft, nachdem ein Wünschelrutengänger die Größe des Flözes auf 400 Meter Breite taxiert hatte. Das Vorhaben ein "Steinkohlebergwerk Schacht Gottessegen" zu gründen und das Kohleabbaugebiet bis zum 25 Kilometer entfernten Rottershausen ausweisen zu lassen, stieß beim Bezirksamt in Bad Königshofen aber auf heftigen Widerstand. Als dann auch noch das notwendige Kapital ausblieb, wurden die Arbeiten eingestellt. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dann noch einmal erfolglos Abbauversuche unternommen.
Vielleicht war das auch besser so, denn das abgeschieden gelegene Leinach mit seinen 211 Einwohnern ist in eine ausgesprochen schöne Landschaft eingebettet und wurde in den 60er und 70er Jahren mehrfach zum schönsten Dorf im Landkreis gekürt. Auch Chronist Reinhold Albert ist begeistert. "Leinach ist ein Traum", sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Angetan ist er auch von der hilfsbereiten Dorfgemeinschaft, die jede Menge historische Aufnahmen zur Chronik beigesteuert hat. Für sein Buch nutzte er auch die Stoffsammlung, die Ewald Lehnert bereits in den 90er Jahren für eine Chronik zusammengetragen hatte. Aus dem Vorhaben wurde aber nichts, weil Lehnert aus beruflichen Gründen wegziehen musste. Material hat auch der Sulzfelder Ortschronist Gerwin Solf zur Verfügung gestellt.
Ein etwas zwiespältiges Verhältnis zu Leinach hatte der bekannte, 1788 in Schweinfurt geborene Dichter und Sprachgelehrte Friedrich Rückert. Als Sohn eines Amtmannes wuchs der spätere Mitbegründer der deutschen Orientalistik in Oberlauringen auf. Schon in jungen Jahren übte er sich in der Dichtkunst, die auch in einem Spottgedicht auf Leinach ihren Ausdruck fand. In den Versen lässt er die Bewohner als Taugenichtse erscheinen, wenn er unter anderem reimt: "Morgens früh zum Betteln aus, Geh'n dort alle Seelen, Nur der Schulze bleibt zu Haus, weil ihm die Schuhe fehlen." Viel später dann kam heraus, warum Rückert so über die Leinacher herzog. Der ehemalige Leinacher Lehrer Max Schweser hat es in einem ganz im Dialekt verfassten Gedicht verraten: Da heißt es "Ar is als junger Lecker öfters zu die Leinieher Mädla ganga, Dia Burschn, die höm na aufgepaßt und hömm na schüa empfanga. Sei Buckl hoet na racht gejuckt vu unnera Gartastickl. Drümm hoetr sei Gedicht gemocht, dar Überlauringer Gickl."