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Schmalwasser
Kulturschock und Neubeginn: Vojtěch Žilka tauscht das pulsierende Stadtleben gegen die Ruhe der Rhön
Die familiäre Nähe und die Sehnsucht nach Heimat führten ihn und Franziska Markert zurück nach Schmalwasser. Über Herausforderungen und Chancen in der Rhön.
Franziska Markert und Vojtěch Žilka  haben sich in der Schweiz kennengelernt und leben seit Juni 2024 in Schmalwasser. 
Foto: Leander Härter | Franziska Markert und Vojtěch Žilka  haben sich in der Schweiz kennengelernt und leben seit Juni 2024 in Schmalwasser. 
Leander Härter
 |  aktualisiert: 18.01.2025 02:37 Uhr

Zurück im Landkreis Rhön-Grabfeld: Franziska Markert (Jahrgang 1988) aus Schmalwasser und Vojtěch Žilka (Jahrgang 1986) aus Prag haben sich in der Schweiz kennengelernt. Seit Juni 2024 leben sie in Schmalwasser und haben sich einiges vorgenommen.

Frage: Wie kommt es, dass sich zwei Menschen aus Schmalwasser und Prag in Zürich kennenlernten?

Franziska Markert: Das war Zufall. Ich habe für mein Praxissemester in Zürich ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft gesucht. Vojta ist ausgezogen, ich bin eingezogen, er ist zu Besuch wieder gekommen.

Vojtěch Žilka: Ich habe in Liberec in Tschechien Architektur studiert. Für mich war die Schweizer Architektur immer ein Vorbild, weil dort anders und sehr kultiviert gebaut wird. Man findet dort in fast jedem Dorf ein oder zwei Beispiele für eine sehr gute Architektur. Deswegen wollte ich schon während meines Studiums dort ein Praktikum machen. Im Rahmen eines Erasmus-Stipendiums hat das auch geklappt. Ich spiele Unihockey/Floorball, eine Hockeyart aus Skandinavien, und hatte schon vor dem Praktikum Kontakt zu einem Club in Zürich. Dies hat mir den Einstieg in den Wohnungsmarkt vereinfacht. Mein erstes Zimmer konnte ich daher rasch beziehen und später habe ich dann in die WG gewechselt.

Franziska Markert: Sport war auch ein guter Weg für mich, um Menschen kennenzulernen. Ich habe mir überlegt, was ich machen könnte und bin durch Zufall auf Handball gekommen. Insgesamt habe ich über acht Jahre in meinem Team gespielt. Nach einer längeren Verletzungspause habe ich dann nicht mehr wieder angefangen, da sich die Mannschaft aufgelöst hatte.

Wie kam es denn, dass Sie dauerhaft in der Schweiz geblieben sind?

Markert: Ich habe an der FH Weihenstephan Ernährungs- und Versorgungsmanagement studiert. Ein Praxissemester hat mich dann über Zufälle ins Ausland verschlagen. Das war dann bei einer Schokoladenfabrik in Zürich. Dort hat es mir so gut gefallen, dass ich für meine Diplomarbeit zurückgekehrt bin. Anschließend habe ich dort weitergearbeitet, bis ich mich zu einer Weiterbildung, Master of Advanced Studies, an der ETH eingeschrieben habe. Während dieser Zeit habe ich immer wieder auch gearbeitet und nach dem Studium in einer Markthalle Whiskey und Gemüse verkauft. Schließlich habe ich einen Job bei einer Firma gefunden, die Lebensmittelrohstoffe vertreibt. Dank einer Niederlassung in Deutschland konnten mich die Firma trotz des Umzugs weiterbeschäftigen.

Žilka: Schon mein Praktikum in der Schweiz hat länger gedauert, als ursprünglich geplant. Ich habe dann meinen Master in Liberec abgeschlossen und bin auch wieder nach Zürich gekommen, um in einem Architekturbüro zu beginnen. Während dieser Zeit waren wir auch schon zusammen. So hat sich alles gefügt.

Wie war das Leben in Zürich und der Schweiz?

Žilka: Wir haben uns sehr wohlgefühlt. Zuerst waren wir noch zusammen in der Wohngemeinschaft, später haben wir uns eine eigene Wohnung gesucht. Zürich ist sehr weltoffen und international und daher ist unser Freundeskreis dort auch bunt gemischt. Auch dank meines Sports habe ich viele Teile der Schweiz gesehen. Gemeinsam haben wir die Schweiz bereist, sind gewandert und haben in Berghütten übernachtet.

Markert: Die Schweizer sind sehr höfliche Menschen. Es geht nicht so direkt zu wie bei uns. Die Höflichkeit wird einem beispielsweise beim Telefonieren bewusst. Zur Verabschiedung nimmt man sich mehr Zeit. Nicht nur ein einfaches "Tschüss", sondern eher ein "Noch einen schönen Tag! Bis bald!".

Was gab dann den Ausschlag, von Zürich nach Schmalwasser zu ziehen?

Markert: Der Kontakt zu meinen Eltern, Bruder und zu meinen Freunden im Dorf, der Umgebung und überhaupt in Deutschland ist nie abgerissen. Während meines Studiums und auch danach waren wir regelmäßig zu Besuch. Es war eigentlich auch nie mein Ziel, dauerhaft ins Ausland zu gehen. Es hat sich mehr so ergeben. Es war eine tolle Erfahrung, verschiedenen Menschengruppen zu begegnen. Ich denke auch, dass es eine wertvolle Erfahrung war, fremd zu sein und was es bedeutet, sich etwas aufzubauen. Während des ersten Lockdowns in der Corona-Pandemie sind wir Eltern geworden. Das war eine sehr schwierige Zeit, weil es teilweise nicht möglich war, die Schweiz zu verlassen und unsere Eltern nicht zu uns kommen konnten. Dann kamen die großen Entfernungen dazu. Von Zürich nach Prag fährt man circa acht Stunden mit dem Auto, oder man fliegt. Beides kam für uns mit einem kleinen Kind nicht infrage. Auch nach Schmalwasser war der Weg zu weit, um regelmäßig übers Wochenende zu fahren. Auf Dauer ist das anstrengend. Uns ist aber sehr wichtig, dass unsere Kinder mit der gesamten Familie aufwachsen und ihre Großeltern nicht verpassen. Deswegen war es auch keine Option, irgendwo anders hinzuziehen nach dem Motto "Ganz oder gar nicht". So haben wir entschieden, nach Schmalwasser zu kommen. Hier sind meine Eltern und nach Prag zu Opa und Oma ist es auch nicht mehr so weit.

War Prag eine Alternative?

Žilka: Nicht wirklich. Prag ist eine sehr schöne Stadt, die wir jetzt aufgrund der geringeren Distanz auch wieder öfter besuchen können, für das alltägliche Leben ist Prag aber zu großstädtisch. Wir haben uns bewusst für den ländlichen Raum entschieden, weil wir die Natur sehr schätzen, uns draußen sehr wohlfühlen und uns die Rhön, wenn man auf viel Natur steht, sehr viele Möglichkeiten bietet.

Wie ist Ihr erster Eindruck als neuer Bürger?

Žilka: Es ist definitiv ein Kulturschock. Die Unterschiede können kaum größer sein. Es wird Zeit brauchen, bis man sich in all dem Neuen zurechtfindet. Allen in Zürich Bescheid zu geben, dass wir gehen wollen, ist nicht leichtgefallen. Man müsste es durchlebt haben, dass man es sich vorstellen kann. Für unsere Kinder ist es hier super! Sie sind den ganzen Tag draußen. Oma und Opa sind da. Im September haben sie mit dem Kindergarten gestartet. Ich habe sehr schnell eine Arbeitsstelle in Bad Neustadt gefunden.

Markert: Ich hatte eine sehr schöne Jugend hier. Ich bin wohlbehütet aufgewachsen. Als Kinder haben wir im ganzen Dorf gespielt. Irgendjemand hat immer nach uns geschaut. Zu vielen, die mit mir aufgewachsen sind, habe ich auch jetzt noch Kontakt. Ich hoffe, dass es unseren Kindern auch einmal so ergeht. Meine Arbeit kann ich auch von hier verrichten. Ich arbeite im Home-Office und bin alle zwei Monate für einige Tage bei meinen Kollegen in Zürich.

Wie klappt das so?

Markert: Ganz gut! Durch Corona ist das ja ein eingeübter Prozess. Am Anfang habe ich meine Kollegen schon sehr vermisst. Inzwischen haben wir Austauschformate etabliert, sodass man auch Kleinigkeiten mitbekommen kann, die man sonst auch mal über ein Ganggespräch austauscht. Man kann auch im Home-Office eine Routine oder auch einen Arbeitsweg einbauen. Leider habe ich keinen Co-Working-Space in der Nähe gefunden. Ich habe intensiv gesucht, aber anscheinend gibt es kein Angebot. Ein Freund im Nachbarort hat noch einen freien Arbeitsplatz in seinem Büro. Dort fahre ich jetzt hin und arbeite.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Žilka: Als Erstes der Einzug in das eigene Haus, das wir gerade umbauen. Dann Urlaub machen. Wir haben die Urlaube der vergangenen Jahre für die Renovierung genutzt. Jetzt wird es Zeit, zur Ruhe zu kommen und sich richtig einzuleben.

Markert: Wir sind auf dem "Höhepunkt" in Zürich gegangen. Jetzt freuen wir uns auf das, was kommt und sind gespannt, wie sich alles entwickelt und was noch so auf uns wartet.

 
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