Das Mehrfamilienwohnhaus in der Kapellengasse 3 in Mellrichstadt – die ehemalige jüdische Schule am Franziska-Streitel-Platz – bot einen trostlosen Anblick. Jahrelang stand das prägnante Gebäude mitten in der Stadt leer. Im Sommer 2018 rückten die Handwerker an, um aus dem alten Haus ein Schmuckkästchen zu machen. Ausschlaggebend war ein stattlicher Zuschuss, den sich die Stadt nicht entgehen lassen wollte: 90 Prozent der Kosten werden erstattet, weil im sanierten Anwesen Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge eingerichtet werden.
Im Juli 2017 hatte die Verwaltung einen Zuwendungsantrag für die Sanierung an die Regierung von Unterfranken gestellt. Am 11. Januar 2018 war der Bewilligungsbescheid ins Haus geflattert. Mit erfreulichen Nachrichten: Von den Gesamtkosten der Maßnahme in Höhe von 737 400 Euro sind 700 000 Euro förderfähig, die Stadt erhält einen Zuschuss von 630 000 Euro für die Modernisierung des alten Gebäudes.
Warum die Stadt sofort zugegriffen hat
"Wir wären schlecht beraten gewesen, wenn wir da nicht sofort zugegriffen hätten", sagt der stellvertretende Bürgermeister Thomas Dietz auf Anfrage dieser Redaktion. "Schließlich handelt es sich um ein stadtbildprägendes Gebäude, das wir aus Eigenmitteln niemals hätten sanieren können." In der 90-prozentigen Förderung enthalten sind 30 Prozent zusätzliche Sondermittel aus dem Bayerischen Städtebauförderungsprogramm für die Umwandlung von Leerstand in Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge. Die Stadt muss sich dafür verpflichten, die Wohnungen sieben Jahre lang an Flüchtlinge zu vermieten.
Bürgermeister Eberhard Streit hatte von Bürgern zu diesem Projekt einiges zu hören bekommen, ließ er im Januar 2018 in einer Sitzung des Stadtrats verlauten. „Da wird ein Haus für 700 000 Euro für Flüchtlinge hergerichtet“, hieß es. Dennoch sei Fakt, dass man das Projekt nur angesichts der hohen Förderung überhaupt angehen konnte, die aber eben an den Punkt „Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge schaffen“ geknüpft war.
Schlechte Bausubstanz, hohe Kosten
Dass die Kosten derart hoch ausfallen, lag laut Streit an der schlechten Bausubstanz des historischen Gebäudes, das einst das jüdische Schulhaus in Mellrichstadt war. Vor allem in die Sicherung der Wände musste laut Stadtchef viel Geld gesteckt werden. Zudem steht das Haus unter Denkmalschutz, entsprechend mussten einige Vorgaben eingehalten werden, wie etwa der Einbau teurer Sprossenfenster.
Bei mehreren Bauausschuss-Sitzungen hatten sich die Bürgervertreter einen Überblick über den Stand der Arbeiten verschafft, die weitgehend im Zeitplan verliefen.
Innenausbau geht voran
Im Außenbereich ist die Renovierung nun nahezu abgeschlossen. "Das Gebäude wertet den Franziska-Streitel-Platz auf", befindet der zweite Bürgermeister Thomas Dietz. Derzeit läuft der Innenausbau, der Bauausschuss vergab in der jüngsten Sitzung den Auftrag für die Bodenbeläge für rund 23 000 Euro. Ende September sollen dann die Küchen eingebaut werden. Zum 1. Dezember sollen die Wohnungen bezugsfertig sein, hat Architekt Dominik Wukowojac laut Verwaltung angekündigt.
Die Wohnungen sind jeweils 100 Quadratmeter groß und beinhalten jeweils zwei Kinderzimmer, eine Küche, ein Wohnzimmer und Sanitäreinrichtungen. Separate Zugänge sorgen für Privatsphäre.
Zwei Familien ziehen ein
In das geschichtsträchtige Gebäude werden zwei Asylbewerber-Familien mit Bleiberecht einziehen, wie Bürgeramtsleiter Helmut Dietz auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt. Die Wohnungen sind bereits vergeben. Laut Helmut Dietz, in der Verwaltung Koordinator und Ansprechpartner zum Thema Flüchtlinge in Mellrichstadt, wurde bei der Auswahl der Mieter darauf geachtet, dass die beiden Familien mit jeweils vier Kindern harmonieren.
Für den zweiten Bürgermeister Thomas Dietz haben sich die Investitionen in die alte Bausubstanz auf jeden Fall gelohnt. "Hier wird Mellrichstädter Baugeschichte erhalten."