Lösung in Sicht
Die Überraschung war groß, als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im September vor der Landtagswahl verkündete: Das Schulgeld für Heilberufe wird wegfallen. "Bayern geht mit der Abschaffung voran", hieß es in der offiziellen Pressemitteilung aus der Kabinettssitzung. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Podologen und Logopäden jubilierten. Zunächst!
10430 Euro zahlten Ergotherapeuten bislang für ihre dreijährige Ausbildung inklusive aller Gebühren an der Berufsfachschule in Bad Neustadt, 9710 Euro Schulgeld kamen insgesamt auf angehende Physiotherapeuten zu, die ihre ebenfalls dreijährige Ausbildung in der Kreisstadt absolvierten. Bildungsträger der beiden staatlich anerkannten Berufsfachschulen in Bad Neustadt ist seit 1998 die ESB - Gemeinnützige Gesellschaft für berufliche Bildung mbH, eine Tochtergesellschaft der Rhön-Klinikum AG.
Mit Schulgeldfreiheit gegen den Nachwuchsmangel
Was nach einer horrenden Summe Schulgeld klingt, ist, blickt man auf viele andere private Anbieter, durchaus noch "billig", erklärt ESB-Geschäftsführer Joachim Dietz auf Anfrage. Verglichen mit anderen Trägern sei Bad Neustadt mit den Gebühren noch im untersten Drittel, wenn nicht im untersten Viertel gelegen. Der Grund? "Die ländliche Umgebung", sagt Dietz und, er schmunzelt, "wir können wirtschaften".
Vermutlich ist das im Vergleich niedrige Schulgeld einer der Gründe dafür, weshalb die Berufsfachschulen in Bad Neustadt bislang nicht über Nachwuchsmangel klagen mussten. Natürlich, die Schülerzahlen waren auch dort rückläufig, aber der Rückgang hielt sich im Rahmen: "Waren es vor Jahren noch Physiotherapeuten-Klassen mit 32 Schülern, sind es heute rund 26 pro Klasse", erklärt Dietz. Je 65 Schüler sind derzeit übrigens in den beiden Berufsfachschulen registriert, etwas weniger als Plätze vorhanden wären, so Dietz.
Schüler und Eltern fordern "Nägel mit Köpfen"
Auch wenn Bad Neustadt nur einen unbedeutenden Rückgang der Zahlen verzeichnet, ist die Entwicklung bayernweit offensichtlich deutlich dramatischer. In den Heilmittelberufen fehlt es an Nachwuchskräften. Ziel der Staatsregierung war es deshalb, die Ausbildung attraktiver zu machen und die Nachwuchsgewinnung so zu erleichtern. Ab dem zweiten Schulhalbjahr 2018/2019 sollte deshalb das Schulgeld entfallen.
"Der Februar ist vergangen und wir zahlen noch immer", klagt Thomas Göpel aus Gochsheim (Lkr. Schweinfurt), dessen Tochter seit eineinhalb Jahren die Ergotherapie-Schule in Bad Neustadt besucht. Was nach der Landtagswahl passierte, war für Göpel eine Farce. Denn bei der Umsetzung des mit, wie Göpel es nennt "Großspurigkeit" verkündeten Plans des Ministerpräsidenten, haperte es gewaltig. "Entweder hätte Söder den Mund nicht so voll nehmen sollen", findet Göpel, "oder er muss jetzt Nägel mit Köpfen machen".
Druck und Protest waren nötig
Dietz, der als ESB-Geschäftsführer direkt in die Verhandlungen involviert war, erinnert sich: Bei einem ersten runden Tisch im Kultusministerium, bei dem auch er als Schulträger anwesend war, wurde den Schulen ein "Gesundheitsbonus" angeboten. Das Problem: Der deckte bei weitem nicht die Einnahmen, die die Ausbildungsstätten hatten. Dabei waren die Schulträger zuvor eigens aufgefordert worden, die Höhen der aktuellen Schulgelder zu benennen, und damit Richtgrößen für den Bonus zu liefern.
"Da hat man uns einfach nicht ernst genommen", sagt Dietz. Es bedurfte laut Dietz eines großen Engagements von Seiten der Schulträger, Öffentlichkeit, Eltern. "Wir mussten Druck ausüben", beschreibt es der Geschäftsführer, Abgeordnete wurden eingeschaltet, Protestbriefe geschrieben, Demos organisiert. Umgesetzt werden mussten die dann glücklicherweise nicht mehr.
"Auskömmliches Angebot"
Denn Mitte März gab es einen zweiten runden Tisch. "Da wurde die Summe erheblich aufgestockt", erklärt Dietz. Der ESB-Chef spricht nun von einem "auskömmlichen Angebot", das - werde es Ende Mai im Doppelhaushalt 2019/2020 so verabschiedet - für seine Schule in Bad Neustadt kostendeckend wäre. Zumal per E-Mail vom Kultusministerium anschließend noch eine weitere Aufbesserung angekündigt wurde.
Die konkrete Ausgestaltung ist noch nicht endgültig festgelegt, so Dietz. Im Gespräch sind eine klassenbezogene und eine schülerbezogene Variante der Finanzierung. Dietz, der erstere bevorzugt, könnte letztlich aber mit beiden Optionen leben. Seine Schule, sagt er, würde das Angebot nach derzeitigem Stand annehmen.
Im besten Falle: Rückzahlung für das aktuelle Schulhalbjahr
Nicht ganz logisch findet er zwar, dass nach der aktuellen Version kleinere Klassen stärker gefördert würden als größere. Gerade, wenn man die Intention verfolge, mehr Schüler in diese Berufe zu bringen, sei das kontraproduktiv. Doch letztlich sind das für den ESB-Geschäftsführer Kleinigkeiten. Am Ende entscheide jeder Träger selbst, ob er die Förderung annimmt. "Es gibt nur Ex oder Top." Lässt sich eine Schule von der Staatsregierung fördern, dürfe die dann kein Schulgeld mehr verlangen.
Wird das Angebot im Doppelhaushalt Ende Mai durchgewunken, würde das Schulgeld rückwirkend zum Februar abgeschafft werden. Auch die Schüler der Bad Neustädter Berufsfachschulen, darunter Familie Göpel, bekämen dann für das aktuelle Schulhalbjahr ihr Schulgeld zurück. Mit einem immensen Ansturm an Schülern rechnet Dietz nicht, wenn das Schulgeld fällt. "Es werden zwei, drei mehr kommen", so seine Einschätzung. Wenn das passiert, freut er sich: "Wir haben noch Kapazitäten frei."