Man kann im Leben schon ganz schön viel mitgemacht haben. Und trotzdem mit einem herzlichen Lächeln herumlaufen. Und trotzdem nicht an sein Leid denken, sondern anderen Menschen Mut machen, sein Leben und seine Gesundheit in die eigene Hand zu nehmen.
Marion Marschall aus Großbardorf ist eine solche Mutmacherin. Vor ihr auf dem Wohnzimmertisch liegen die frisch gedruckten Prospekte für den großen "Tag der Gesundheit" am 27. Juli im Gemeindezentrum von Großbardorf. Übergewicht und geschädigte Nieren sind das Thema. Draußen im Garten blühen die Blumen und reift das Obst, auch das freut die Mittfünfzigerin. Und wenn es um ihre eigene Gesundheit geht, für die sie kämpfen muss wie eine Löwin, dann kann sie immer noch schmunzeln und alles mit einer Prise Galgenhumor würzen.
Diagnose: Morbide Adipositas
Marion Marschall hat dazu das Recht. Denn was sie seit 2018 gesundheitlich überstanden hat, ist eine ganze Menge. Am Ende steht immerhin eine Erfolgsbilanz zum Staunen: Von 2018 bis zum Sommer 2024 hat die Großbardorferin 83 Kilo abgenommen. "Morbide Adipositas" lautete vor einigen Jahren noch ihre Diagnose. Krankhafte Fettleibigkeit mit möglicherweise tödlichen Folgen.
Schon als junge Frau kämpfte Marion Marschall mit ihrem Übergewicht, nach ihrer Drillingsgeburt wurde es nicht besser. "Ich habe alle Diäten probiert, aber immer war es nur ein Jo-Jo-Effekt", sagt Marschall. Die Adipositas wich nicht von ihr. Um 2018 herum waren es 160 Kilogramm, mit denen sie sich durchs Leben schleppte.
Um diese Zeit stieß sie auch zur Selbsthilfegruppe Adipositas Rhön-Grabfeld, die sie mittlerweile auch leitet. "Es ist nicht leicht, in der Gruppe über seine körperlichen Probleme zu reden. Aber ich will den Menschen Mut machen, herzukommen. Es gibt Mitglieder, die mit 120 Kilogramm zu kämpfen haben. Aber es gibt auch Extreme wie die 280-Kilo-Person. Allen wird zugehört, jedem wird Hilfe im Kampf gegen die ungesunden Pfunde angeboten.
Marschall: "Ich glaube nicht an das Wohlfühlgewicht"
"Ich glaube nicht an das persönliche Wohlfühlgewicht. Dickleibigkeit ist ein gesundheitliches Problem", sagt Marion Marschall. Von den aktuellen Body-Shaming-Diskussionen hält sie deshalb nichts. Mit ihrem Übergewicht ist sie schließlich zur Ernährungsberatung an der Würzburger Uniklinik gekommen. Die zuerst seltsame Diagnose: "Sie essen zu wenig Kohlehydrate!" habe sie verdutzt gemacht. Für den Grundumsatz des Körpers brauche es ein Mindestmaß an Kohlehydraten. Ansonsten würde der Körper erst Recht, quasi in Panik, die Fettspeicher füllen. Also wurden rund 700 Kalorien mehr am Tag empfohlen.
Die Gespräche liefen im Vorfeld der geplanten Magenverkleinerung. "Ohne diese Magenverkleinerung hätte ich es nicht geschafft. Aber sie hat mir das Leben gerettet", ist Marion Marschall überzeugt. Sie wurde am Referenz-Zentrum für Adipositas-Chirurgie operiert. Dabei wenden die Würzburger Fachleute ein multimodales Konzept aus Ernährungsberatung, chirurgishem Eingriff und Bewegungsprogrammen an.
Die Niere arbeitete immer schlechter
Bevor Marion Marschall auf den OP-Tisch kam, hatte sie schon 14 Kilogramm abgenommen. Etwa 30 Gramm Eiweiß pro Mahlzeit, Vitamine für eine bessere Verwendung der Energie und wenig, aber nicht zu wenig Kohlehydrate. "Diesen Gewichtsverlust hatte ich in den 20 Jahren davor nicht geschafft. Da war also die Motivation da", sagt Marion Marschall. Für die Operation war es eigentlich höchste Zeit. "2016 wurde eine beginnende Niereninsuffizienz diagnostiziert", erzählt die Großbardorferin. 2019 kam sie erstmals an die mühevolle Dialyse. Dreimal die Woche jeweils 5 Stunden, ein wöchentlicher Kraftakt. Auch mit einer Diabetes-Erkrankung infolge des Übergewichtes hatte sie zu tun.
"Zu einer Magen-OP gab es für mich keine Alternative", sagt Marion Marschall. Auch in der SHG-Selbsthilfegruppe sei die OP immer wieder Thema. "Aber niemand wird dazu gedrängt, das ist ganz wichtig", sagt die Grabfelderin.
Der Schlauchmagen hilft jetzt beim Abnehmen
Am 1. März 2018 erfolgte die Magen-OP. Vier Tage später wurde sie mit ihrem "neuen" Schlauchmagen (Sleeve-Magen) nachhause geschickt. "Bis die Nähte verheilen, ist Vorsicht geboten. Mehr als ein weiches Essen von der Größe eines Fruchtzwerges war nicht drin", erinnert sich die Patientin. Bis zum September hatte sie weitere 40 Kilogramm verloren. Die Arbeit in der Selbsthilfegruppe Rhön-Grabfeld ruhte in dieser Zeit etwas, zwischenzeitlich war noch eine Lungenembolie zu überstehen. Erst 2021 stieg Marion Marschall wieder tatkräftiger ein. Da hatte sie auch ihren Diabetes verloren und musste sich nicht mehr Insulin spritzen.
Der Lebenspartner als Nierenspender
Was noch fehlte, war eine gesunde Niere, ihre eigene arbeitete nur noch zu etwa 30 Prozent. Im Freundeskreis hatte sich eigentlich Karl Stauffenberg als Spender bereiterklärt. Doch schließlich wurde es ihr Lebenspartner Dieter Radina. Die zuständige Ethik-Kommission an der Uni Würzburg befürworte eine Spenderniere aus dem engeren Familienkreis. Im Frühjahr 2023 erfolgte wiederum die Nieren-Transplantation. "Anfangs ging's mir nicht so gut. Aber als ich erstmals wieder Urin ausschied, war es ein irres Gefühl", erzählt die Frau. Damit die Spenderniere nicht abgestoßen wird, muss Marion Marschall Medikamente einnehmen, die das Immunsystem unterdrücken. Sie ist also stets gefährdet, sich einen Infekt zu holen. Aber sie muss seitdem nicht mehr an die Dialyse.
Das erste Kleid nach über 20 Jahren
Stand Juli 2024 wiegt Marion Marschall 77 Kilogramm. "Tendenz fallend", lacht die Frau dazu. "Letzthin habe ich mir mein erstes Kleid gekauft nach über 20 Jahren. Es war wirklich ein komisches Gefühl", sagt die Adipositas-Patientin. In der SHG Adipositas wird sogar etwas gewitzelt: "Du kannst doch garnicht mitreden", heißt es da. Dass sie es kann, beweist sie dann mit wenigen Sätzen aus ihrer Krankengeschichte. "Ich mache den Mitgliedern Mut", und das freue sie und gebe ihr Kraft für die ehrenamtliche Arbeit. "Wir sind eine ziemlich dufte Truppe", freut sich Marion Marschall. Und ganz besonders freut sie sich auf den "Tag der Gesundheit" in Großbardorf. Da wird die SHG Adipositas zeigen, was sie zu bieten hat. Und thematisch dick auftragen.
Die SHG Adipositas und der Tag der Gesundheit am 27. Juli in Großbardorf
Der "Tag der Gesundheit" zum Thema "Adipositas und Niere" findet am Samstag, 27. Juli, ab 9.30 Uhr im Gemeindezentrum von Großbardorf statt. Organisiert wird er von der SHG Adipositas Rhön-Grabfeld und der Adipositas-Hilfe Deutschland.
Themen sind unter anderem die Vorstellung der SHG Rhön-Grabfeld, Themen zur Ernährungsberatung, etablierte bariatrische Operationsverfahren, Adipositas und die Gefahr der Niereninsuffizienz, das Leben mit einer Spenderniere, Gewichtsverlust ohne Operation oder das Thema Abnehmspritze. Fachleute der Universität Würzburg, aber auch die Ernährungsberaterin Dr. Nagham Soda vom Rhön-Klinikum-Campus sind vor Ort. Ein Flyer mit dem Programm liegt in Sparkassen, Rathäusern, Reha-Geschäften und anderswo aus. Das detaillierte Programm ist ebenfalls zu finden unter:
www.adipositas-selbsthilfe.de