Anrufer bei der Hotline des Impfzentrums brauchen durchaus einen langen Atem. Volle zwei Stunden hat Helmut Breun aus Hendungen am vergangenen Montag am Telefon verbracht. Der 85-Jährige hat gezählt, wie oft er die Nummer der lokalen Hotline angewählt hat – am Ende standen 60 Striche zu Buche, bis er sich für die Impfung vormerken lassen konnte. Einen E-Mail-Account hat der Senior nicht, so dass ihm nichts anderes übrig blieb, als hartnäckig auf ein Durchkommen am Telefon zu beharren. "Eine Zumutung", findet er. Die nächste Schwierigkeit hat Helmut Breun auch schon ausgemacht: Er wird nun benachrichtigt, wenn ein Impftermin frei wird. Seitdem verbringt der 85-Jährige viel Zeit im Haus, aus Angst, den Anruf vom Amt zu verpassen. "Sonst geht der Zirkus mit der Hotline ja von vorne los. Und da durchzudringen, ist fast schwieriger als eine Audienz beim Papst zu bekommen."
Diese Erfahrung hat auch Klaus Christmann aus Bad Neustadt gemacht. Eine E-Mail zum Registrieren für einen Impftermin kam für den 84-Jährigen nicht in Frage. "Hab ich noch nie gehabt!", sagt er. Also habe auch er sich die Finger wundgewählt bei der angegebenen Hotline-Nummer. Kein Durchkommen. "Dann hab' ich meine Krankenkasse angerufen. Die hat mich an das Gesundheitsamt verwiesen." Nach Wälzen im Telefonbuch kam er im Amt durch. "Eine sehr freundliche junge Frau hat uns versprochen, dass sie sich um unsere Registrierung kümmert. Und prompt am nächsten Tag angerufen, dass wir registriert sind", ergänzt Christmanns Frau Hertha.
Krankenkassen können nicht helfen
Das ist nicht unbedingt der Weg, den die Behörden für die wichtige Impfregistrierung vorgesehen hat. Richard Bott, Geschäftsstellenleiter der Barmer in Bad Neustadt, bestätigt, dass bei den Kassen durchaus solche Anfragen ankommen. "Doch eine Registrierung, geschweige denn einen Impftermin für unsere Versicherten erwirken, das können wir wirklich nicht leisten, schon aus Datenschutzgründen!"
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Mutmaßlich haben vielfach Enkel für ihre Omas und Opas E-Mail-Adressen eingerichtet. So wie es Moritz Popp in Bad Neustadt gemacht hat. "Ich besorge momentan sowieso viel für meine Oma, warum sollte ich ihr dann nicht auch eine Mail-Adresse einrichten", sagt der 22-Jährige. Und: "Ich fand es sogar witzig, dass meine 87-jährige Oma jetzt unter web.de auftaucht!" Er hat nicht nur die Adresse für sie eingerichtet, sondern sie auch gleich registriert fürs Impfen. "Seither gucke ich zweimal am Tag im Postfach nach, ob nicht schon ein Termin feststeht. Bislang sind aber nur web.de-Werbungen eingegangen!"
"Wir wollen uns impfen lassen, haben uns aber noch nicht registriert", sagt Manfred Zirkelbach aus Schönau. Erstens mag sich der 76-Jährige nicht den ganzen Tag hinsetzen und die Hotline-Nummer wählen. Zweitens sehe er gar nicht ein, sich eine zweite E-Mail-Adresse einzurichten, die "man sein ganzes Leben lang nur einmal braucht". Und drittens hätten er und seine Frau Gertrud (73 Jahre) ohnehin noch Zeit, bis sie drankommen. "Das zögert sich für unsere Altersgruppe doch sowieso bis in den Februar/März hinein. Bis dahin reicht dann vielleicht gar nur eine Mail-Adresse!", hofft er.
Auch Franz-Josef und Katharina Rösch aus Herschfeld wollen sich impfen lassen. "Selbstverständlich", sagt der 69-Jährige. Allerdings hat sich das Ehepaar bislang noch nicht registriert, "bei dem heillosen Durcheinander". Katharina Rösch hat vor, sich über die Hotline zu melden. Da ihr Mann sehbehindert ist, wollte sie direkt im Impfzentrum nach der Möglichkeit eines gemeinsamen Termins nachfragen. "Sollte das aber nicht funktionieren, dann werden wir eben eine zweite Mail-Adresse einrichten, wenn das bis dahin noch nötig ist", sagt die 64-Jährige.
Schönefeld: Impfung zuhause ermöglichen
„Das könnte man doch viel einfacher handhaben!“ Auf diesen einfachen Nenner bringt der Bad Königshöfer Karl-Heinz Schönefeld seine Erfahrungen, die er bei der Anmeldung zur Corona-Impfung gemacht hat. Für den Bad Königshöfer Stadtrat war schon lange klar, dass er sich mit seiner Frau gegen das Virus würde impfen lassen. „Wir wollen das auf jeden Fall“, so der 72-Jährige, der sich als städtischer Seniorenbeauftragte um die Belange der älteren Mitbürger kümmert. Dass eine Terminvereinbarung aber so schwierig sein würde, damit habe er dann doch nicht gerechnet. „Das ist alles viel zu technisch und kompliziert“, sagt Schönefeld. Auch er bemängelt vor allem die Tatsache, dass jeder, der sich anmelden möchte, eine eigene E-Mail-Adresse benötigt. „Eine Person anzumelden, ist kein Problem, bei der zweiten wird es dann aber schwierig.“ Auch er hoffe, dass sich dies bald ändern werde.
„Ich würde mir außerdem wünschen, dass bei alten Menschen eine Impfung auch zuhause möglich wäre oder Impfwillige einfach zu ihrem Hausarzt gehen können“, so Schönefeld. Ältere Bürger, die wie er und seine Frau Probleme mit der Registrierung gehabt hätten, seien an ihn noch nicht in seiner Funktion als Seniorenbeauftragten herangetreten. Die aktuellen Corona-Beschränkungen sieht er relativ gelassen. Das sei nicht zu ändern. „Natürlich wäre es schön, endlich wieder einmal ein Lokal besuchen zu können.“ Bis er geimpft sei, werde er aber auf jeden Fall weiter die Kontakte einschränken.
Sabine Nasner ist als "Fachkraft für die Walddörfer Senioren" Ansprechpartnerin im Sandberger Rathaus, wenn ältere Menschen Hilfe brauchen. Sie weiß, wo Hemmschwellen für Senioren liegen und was sie noch leicht selbst erledigen können. Das Anmelden zum Impfen über die Hotline gehört nicht dazu. Diese Erfahrung hat sie in der eigenen Familie gemacht. "Meine Mutter ist 81 Jahre alt und hat einen ganzen Tag lang versucht, bei der lokalen Impf-Hotline durchzukommen", erzählt sie. Nach unzähligen Versuchen hat es geklappt, doch Senioren, die nicht so hartnäckig sind und keine Unterstützung bekommen, bleiben ihrer Meinung nach auf der Strecke.
Nasner will den älteren Menschen in den Walddörfern gerne helfen, wenn sie an der Anmelde-Hürde scheitern. Daher wird sie im neuen Mitteilungsblatt der Gemeinde anbieten, dass sich Senioren, die keinen Internetanschluss für die Online-Registrierung haben und telefonisch nicht durchkommen, bei ihr melden können. Die Fachfrau wird dann versuchen, einen Impftermin für die Senioren zu vereinbaren. "Den täglichen Haushalt können alte Menschen oft noch problemlos bewältigen, aber bürokratische Hürden wie bei der Registrierung zum Impfen überfordern viele", weiß Sabine Nasner aus Erfahrung.
Nasner: Info-Brief zum Ankreuzen wäre besser gewesen
Ihrer Meinung nach hätte es eine einfache Lösung gegeben, die Senioren leicht hätten bewältigen können: einen Infobrief, auf dem Senioren ankreuzen können, ob sie sich impfen lassen wollen. "Auch die Terminvergabe in schriftlicher Form hätte sicher gut funktioniert", denkt Nasner weiter. Denn viele alte Menschen haben Angst vor dem Coronavirus und wollen sich impfen lassen, wie sie weiß. Sie ärgert, dass auf die Senioren in der Gesellschaft zu wenig Rücksicht genommen wird. "Das beste wäre gewesen, Impfteams in die einzelnen Ortschaften zu schicken, so dass alte Leute nicht noch sehen müssen, wie sie etwa von Sandberg nach Bad Neustadt kommen", sagt Nasner. Da wäre das Impfen zwar vielleicht langsamer vonstatten gegangen als in einem Impfzentrum, aber das passiert jetzt mangels Impfstoff sowieso.