zurück
Niederlauer
Horst bei Niederlauer: Die Störche sind flügge geworden
In den Flusstälern Rhön-Grabfelds wurden in den vergangenen Wochen so viele Weißstörche gesichtet wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Spielt der Klimawandel eine Rolle?
14 Jungvögel wurden dieser Tage in den Saalewiesen zwischen Niederlauer und Salz gesichtet. 
Foto: Andreas Sietz | 14 Jungvögel wurden dieser Tage in den Saalewiesen zwischen Niederlauer und Salz gesichtet. 
Martina Harasim
Martina Harasim
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:01 Uhr

Sie sind flügge geworden: Die drei jungen Weißstörche, die ihre Kinderstube im Feuchtbiotop bei Niederlauer hatten, haben sich prächtig entwickelt. Herbert Balling und Mareille Hofmann wohnen ganz in der Nähe. Sie haben das Aufwachsen der Jungvögel mitverfolgt und viele Fotos gemacht.

Wie wir berichteten, hat sich ein Weißstorchpaar im Mai/Juni auf einem Horst an der Lauer niedergelassen. Das Überlandwerk Unterfranken hat genau zu diesem Zweck vor Jahren einen Holzmasten aufgestellt, die Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz stellte den Aufbau zur Verfügung. Die beiden Störche, die zuvor in Bad Neustadt und Salz vergrault worden waren, bauten ihr Nest, brüteten und zogen drei Jungvögel auf. In dem Bereich zwischen Lauer und ehemaliger B 19 finden Störche ideale Lebensbedingungen. Dort gibt es genug Nahrung wie Eidechsen, Mäuse, Frösche, Regenwürmer und Insekten.

Die Storchenfamilie hatte viel Besuch 

Von ihrem Balkon aus haben Balling und Hofmann beobachtet, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Storchenfamilie immens war. Spaziergänger machten sich auf zum Biotop nahe der Lauer, um  einen Blick auf die drei Jungvögel und ihre Eltern zu erhaschen. Was Balling nicht so gelungen fand, war, dass viele Zeitgenossen ihre Hunde mitgebracht hatten und sie im Umfeld des Horsts von der Leine ließen. Das ist problematisch, denn Störche suchen ihr Futter auf Wiesen, Feldern und Äckern im Umkreis des Horsts. Wenn sie aufgescheucht werden und wegfliegen müssen, kostet das viel unnötige Energie. 

Bei der Futtersuche geht die Storchenfamilie aus Niederlauer strategisch vor: Die Störche laufen hinter dem Mähdrescher her und picken all die Tiere auf, die sie auf dem abgeernteten Feld finden.
Foto: Herbert Balling | Bei der Futtersuche geht die Storchenfamilie aus Niederlauer strategisch vor: Die Störche laufen hinter dem Mähdrescher her und picken all die Tiere auf, die sie auf dem abgeernteten Feld finden.

Auch Daniel Scheffler hat die Storchenfamilie in den vergangenen Monaten aufmerksam begleitet. Der Kreisvorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz berichtet, dass die drei Jungstörche Ende Juli erfolgreich ausgeflogen sind. Einer der Störche, wahrscheinlich das Weibchen, ist beringt. Scheffler hat herausgefunden, dass das Tier von der Vogelwarte Helgoland beringt wurde. "Dies deutet auf eine Herkunft aus Nordwestdeutschland, vielleicht Hessen, hin. Die genaue Ringkombination konnte ich leider noch nicht ablesen", berichtet er.

In Bayern gibt es 500 Brutpaare

Warum hat sich die  Zahl der in der Rhön gesichteten Störche in den vergangenen Jahren erhöht?  Dieter Weisenburger von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Rhön-Grabfeld bietet Erklärungsansätze: Als sich vor 30 Jahren abzeichnete, dass die Weißstorchpopulation sich im Sinkflug befand, unternahmen Verbände, allen voran der Landesbund für Vogelschutz, Anstrengungen um die Lebensräume für die Tiere zu verbessern, berichtet er. Denn zum Überleben brauchen Störche Teiche, Weiher, feuchte Wiesen und extensiv bewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen.

Die Anstrengungen waren von Erfolg gekrönt.  "In Bayern", erklärt Weisenburger, "gibt es zurzeit 500 Brutpaare. So viele wie seit 100 Jahren nicht mehr. In Unterfranken sind es gerade mal fünf." Unterfranken hat als Randgebiet der bayerischen Population nur wenige Horststandorte, das war schon immer so, weiß Weißenburger. Zu den drei Standorten von 2017 kamen jetzt allerdings zwei weitere dazu.  

Da waren sie noch klein: Im Horst bei Niederlauer zog ein Weißstorch-Paar drei Junge auf.
Foto: Tamara Maisch | Da waren sie noch klein: Im Horst bei Niederlauer zog ein Weißstorch-Paar drei Junge auf.

Hilft der Klimawandel beim Überleben?

Der Klimawandel könnte einen Beitrag dazu geleistet haben, dass die Storchen-Population sich erholt hat. Ist es im Frühjahr trocken und warm, haben die geschlüpften Störche eine größere Chance zu überleben. Wenn es dagegen tagelang regnet und kalt ist, dann schützen und wärmen die Störche ihren Nachwuchs zwar mit ihrem Gefieder, das können sie allerdings nur so lange, wie die Jungstörche relativ klein sind. Werden sie größer, ist das nicht mehr möglich. "Wenn die Jungstörche lange Zeit dem Regen ausgesetzt sind, dann kühlen sie aus, werden klamm und sterben", erklärt Weisenburger.

Sie vagabundieren durch den Landkreis

Die zahlreichen Weißstorchgruppen, die in den vergangenen Wochen in den Saalewiesen, im Streu- und im Brendtal gesichtet wurden, stammen nicht aus dem Landkreis, sagt der Fachmann. Es handelt sich um noch nicht geschlechtsreife Störche aus anderen Brutgebieten. Solche Jungstörche finden sich in Gruppen von fünf bis sieben Tieren zusammen und vagabundieren durch die Landschaft, immer auf der Suche nach einem schönen Plätzchen, an dem sie ausreichend Nahrung finden.   

Einer solchen Gruppe werden sich wohl auch die drei Jungstörche aus Niederlauer bald anschließen. Sie werden quasi mit den anderen Jungesellen und Jungesellinnen in Rhön-Grabfeld um die Häuser ziehen, bis es Zeit ist um aufzubrechen ins Winterquartier nach Spanien oder Nordafrika.

Auch ihre Eltern werden sich wenig später dorthin aufmachen. Allerdings fliegen sie getrennt. Und sollten sie nächstes Jahr wieder nach Rhön-Grabfeld kommen, sucht sich jeder einen Partner. Es kann der alte sein, muss aber nicht. Denn treu ist man sich bei den Weißstörchen nur eine Saison lang. 

Detaillierte Zahlen zur Verbreitung des Weißstorchs in Bayern sind nachzulesen im Weißstorch-Rundbrief des LBV.

Von "Ostziehern" und "Westziehern"
Unterschiedliche Lebensverhältnisse in den östlichen und westlichen Bundesländern gibt es nicht nur bei Menschen, sondern auch bei den Weißstörchen. Man unterscheidet zwischen Ostziehern und Westziehern. Die Ostzieher brüten bevorzugt in den ostdeutschen Regionen und in Osteuropa. Ihre Population nimmt laut Dieter Weisenburger ab. Die Ostzieher fliegen über den Bosporus, durch Israel, den Sinai, das Nildelta, über den Sudan in Richtung Ostafrika. Im Winterquartier bleiben sie dann von November bis Februar. Ab Ende Februar bis Anfang April sind sie wieder in ihren Brutgebieten vorzufinden.
Die "Westzieher" brüten im Westen und überqueren das Mittelmeer bei Gibraltar, um dann in Westafrika ihre Winterquartier aufzusuchen. In den letzten Jahren zogen einige Weißstörche nicht mehr nach Afrika, sondern nur noch bis Spanien oder Portugal, aufgrund des reichhaltigen Nahrungsangebots, das sie beispielsweise auf offenen Mülldeponien finden. (Quelle: LBV)
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Niederlauer
Martina Harasim
Bosporus
Flusstäler
Jungvögel
Landschaften
Naturschutzbehörden
Vogelschutz
Vogelschutzwarten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top