Sie sind flügge geworden: Die drei jungen Weißstörche, die ihre Kinderstube im Feuchtbiotop bei Niederlauer hatten, haben sich prächtig entwickelt. Herbert Balling und Mareille Hofmann wohnen ganz in der Nähe. Sie haben das Aufwachsen der Jungvögel mitverfolgt und viele Fotos gemacht.
Wie wir berichteten, hat sich ein Weißstorchpaar im Mai/Juni auf einem Horst an der Lauer niedergelassen. Das Überlandwerk Unterfranken hat genau zu diesem Zweck vor Jahren einen Holzmasten aufgestellt, die Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz stellte den Aufbau zur Verfügung. Die beiden Störche, die zuvor in Bad Neustadt und Salz vergrault worden waren, bauten ihr Nest, brüteten und zogen drei Jungvögel auf. In dem Bereich zwischen Lauer und ehemaliger B 19 finden Störche ideale Lebensbedingungen. Dort gibt es genug Nahrung wie Eidechsen, Mäuse, Frösche, Regenwürmer und Insekten.
Die Storchenfamilie hatte viel Besuch
Von ihrem Balkon aus haben Balling und Hofmann beobachtet, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Storchenfamilie immens war. Spaziergänger machten sich auf zum Biotop nahe der Lauer, um einen Blick auf die drei Jungvögel und ihre Eltern zu erhaschen. Was Balling nicht so gelungen fand, war, dass viele Zeitgenossen ihre Hunde mitgebracht hatten und sie im Umfeld des Horsts von der Leine ließen. Das ist problematisch, denn Störche suchen ihr Futter auf Wiesen, Feldern und Äckern im Umkreis des Horsts. Wenn sie aufgescheucht werden und wegfliegen müssen, kostet das viel unnötige Energie.
Auch Daniel Scheffler hat die Storchenfamilie in den vergangenen Monaten aufmerksam begleitet. Der Kreisvorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz berichtet, dass die drei Jungstörche Ende Juli erfolgreich ausgeflogen sind. Einer der Störche, wahrscheinlich das Weibchen, ist beringt. Scheffler hat herausgefunden, dass das Tier von der Vogelwarte Helgoland beringt wurde. "Dies deutet auf eine Herkunft aus Nordwestdeutschland, vielleicht Hessen, hin. Die genaue Ringkombination konnte ich leider noch nicht ablesen", berichtet er.
In Bayern gibt es 500 Brutpaare
Warum hat sich die Zahl der in der Rhön gesichteten Störche in den vergangenen Jahren erhöht? Dieter Weisenburger von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Rhön-Grabfeld bietet Erklärungsansätze: Als sich vor 30 Jahren abzeichnete, dass die Weißstorchpopulation sich im Sinkflug befand, unternahmen Verbände, allen voran der Landesbund für Vogelschutz, Anstrengungen um die Lebensräume für die Tiere zu verbessern, berichtet er. Denn zum Überleben brauchen Störche Teiche, Weiher, feuchte Wiesen und extensiv bewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen.
Die Anstrengungen waren von Erfolg gekrönt. "In Bayern", erklärt Weisenburger, "gibt es zurzeit 500 Brutpaare. So viele wie seit 100 Jahren nicht mehr. In Unterfranken sind es gerade mal fünf." Unterfranken hat als Randgebiet der bayerischen Population nur wenige Horststandorte, das war schon immer so, weiß Weißenburger. Zu den drei Standorten von 2017 kamen jetzt allerdings zwei weitere dazu.
Hilft der Klimawandel beim Überleben?
Der Klimawandel könnte einen Beitrag dazu geleistet haben, dass die Storchen-Population sich erholt hat. Ist es im Frühjahr trocken und warm, haben die geschlüpften Störche eine größere Chance zu überleben. Wenn es dagegen tagelang regnet und kalt ist, dann schützen und wärmen die Störche ihren Nachwuchs zwar mit ihrem Gefieder, das können sie allerdings nur so lange, wie die Jungstörche relativ klein sind. Werden sie größer, ist das nicht mehr möglich. "Wenn die Jungstörche lange Zeit dem Regen ausgesetzt sind, dann kühlen sie aus, werden klamm und sterben", erklärt Weisenburger.
Sie vagabundieren durch den Landkreis
Die zahlreichen Weißstorchgruppen, die in den vergangenen Wochen in den Saalewiesen, im Streu- und im Brendtal gesichtet wurden, stammen nicht aus dem Landkreis, sagt der Fachmann. Es handelt sich um noch nicht geschlechtsreife Störche aus anderen Brutgebieten. Solche Jungstörche finden sich in Gruppen von fünf bis sieben Tieren zusammen und vagabundieren durch die Landschaft, immer auf der Suche nach einem schönen Plätzchen, an dem sie ausreichend Nahrung finden.
Einer solchen Gruppe werden sich wohl auch die drei Jungstörche aus Niederlauer bald anschließen. Sie werden quasi mit den anderen Jungesellen und Jungesellinnen in Rhön-Grabfeld um die Häuser ziehen, bis es Zeit ist um aufzubrechen ins Winterquartier nach Spanien oder Nordafrika.
Auch ihre Eltern werden sich wenig später dorthin aufmachen. Allerdings fliegen sie getrennt. Und sollten sie nächstes Jahr wieder nach Rhön-Grabfeld kommen, sucht sich jeder einen Partner. Es kann der alte sein, muss aber nicht. Denn treu ist man sich bei den Weißstörchen nur eine Saison lang.
Detaillierte Zahlen zur Verbreitung des Weißstorchs in Bayern sind nachzulesen im Weißstorch-Rundbrief des LBV.