Das hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben: Weißstörche in Rhön Grabfeld. Nun hat sich ein Paar in den Lauerwiesen niedergelassen und zieht aktuell drei Jungvögel groß. Wie rar sich der Vogel im Landkreis gemacht hat, hat Daniel Scheffler vom Landesbund für Vogelschutz beim Blättern im Archiv herausgefunden: 1902 hat ein Weißstorch-Paar auf einer alten Pappel in Niederlauer gebrütet. 1952 zogen Weißstörche ihren Nachwuchs auf dem Spital Bad Königshofen groß. Mehr ist nicht dokumentiert.
Das Weibchen ist beringt
Umso glücklicher ist der LBV-Kreisgruppenvorsitzende, dass sich das Paar nun den Standort bei Niederlauer ausgesucht hat. In dem Bereich zwischen Lauer und ehemaliger B 19 finden Störche ideale Lebensbedingungen. Zum Überleben brauchen sie Teiche, Weiher, feuchte Wiesen und extensiv bewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen. Nur dort finden sie genug Nahrung: Eidechsen, Mäuse, Frösche, Regenwürmer und Insekten.
Himmlische Ruhe herrscht dort nicht: Im Halbstundentakt tuckert in einiger Entfernung die Erfurter Bahn vorbei, die Geräusche der Autos auf der ehemaligen B 19 liefern zusätzliche Hintergrundgeräusche. Doch das scheint die Storchenfamilie nicht zu stören.
Daniel Scheffler betreut den Horst von Anfang an und hat schon einiges über die neuen Bewohner herausgefunden: Die Weißstörche wollten sich eigentlich in Salz niederlassen, waren dort aber nicht willkommen. Auf ihrer Suche nach einem neuen Brutplatz haben sie dann den Horst bei Niederlauer entdeckt, angenommen und das Nest gebaut. Das Weibchen ist beringt. Wo genau es herkommt, weiß Scheffler noch nicht. Er wollte den Ring nicht in der Brut- und Aufzuchtphase auslesen, um das Paar nicht zu stören.
Überlandwerk stellt die Masten auf
Zu einem Besuch der Storchen-Kinderstube hatte Scheffler jüngst Gerhard Demling und Fabian Roßmanith vomÜberlandwerk Rhön eingeladen. Das Unternehmen hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Weißstörche sich an der Lauer niederlassen konnten. Ein Bautrupp hat auf eigene Kosten einen alten Mittelspannungsmasten aus Holz in die Wiese gestellt - weit weg von stromführenden Leitungen. Denn beim Weißstorch sind Unfälle an Mittelspannungs-Freileitungen die häufigste Todesursache. Durch die Kollision mit den Stromleitungen oder durch Stromschläge werden die Tiere verletzt oder gar getötet. Der Korb oben auf dem Mast wurde in einer Werkstatt für Behinderte in Hessen hergestellt, Mitglieder des LBV haben das Gitter dann mit Weidenruten umflochten.
Ein weiterer Mast wurde in Irmelshausen errichtet, sagt Gerhard Demling. Dieser ist allerdings unbewohnt. Er weiß von weiteren Masten in Hessen (einer) und Thüringen (zwei), die vom Überlandwerk aufgestellt und von Störchen "übernommen" wurden. Das Aufstellen eines solchen Mastes beschäftigt einen Bautrupp mit vier Mann und schwerem Gerät einen halben Arbeitstag lang, ergänzt Fabian Roßmanith.
Abstand halten
Scheffler kann gut verstehen, dass Interessierte den Horst und die Storchenfamilie gerne in Augenschein nehmen möchten. Das sei auch kein Problem, wenn man einige Ratschläge beachtet: Man sollte den Vögeln nicht so nahe kommen, dass sie sich gestört fühlen könnten. Wirklich gut sehen kann man die Jungvögel und ihre Eltern eh nur mit einem Fernglas. Man sollte Hunde auf gar keinen Fall in diesem Bereich frei laufen lassen. Störche suchen ihr Futter auch auf Wiesen, Feldern und Äckern. Wenn sie aufgescheucht werden und ihr Heil in der Flucht suchen müssen, kostet das viel unnötige Energie. Und diese Energie brauchen die Eltern in erster Linie für die Aufzucht der Jungvögel. Schließlich müssen sie täglich bis zu vier Kilo Futter heranschaffen.