Der Termin für das Ende der Kultkneipe "Café Klein" stand schon seit längerer Zeit fest, nun fällt die Tür zur urigen Gaststube für immer und zum letzten Mal ins Schloss. Ein ganzer Stadtteil mit fast 5000 Einwohnern verliert damit seine letzte Kneipe, seine letzte Hochburg für Schafkopfer und Sprücheklopfer, für Trink- und Feierfreudige, aber auch hungrige Gäste, für Wanderer, Jagdgesellschaften, Fußballer und Gymnastikgruppen, für Geburtstagspartys und lautstarke Stammtische, die nun alle ihre Heimat, viele auch ihr zweites Zuhause verlieren.
Über ein halbes Jahrhundert hat "die Anni" – und so kennt sie hier jedes Kind – die Gaststätte in Pacht geführt und wegen der kurzen Wege auch die Wohnung über der Gaststätte angemietet. Das Bett darin hat sie selten lange genutzt, der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens waren die kleine Theke und ihre Küche, aus der sie oftmals weit über 50 Essen pro Tag an die Tische schleppte, zu Preisen, bei denen viele der Gäste ungläubig mit dem Kopf schüttelten.
So hat Anni Röhrich bis zuletzt für ein 0,4 Liter Helles vom Fass gerade einmal 2,10 Euro berechnet und ihr leckerer Schweinebraten mit Knödeln und Salat schmeckte den Gästen zum Preis von nur 8,50 Euro besonders gut.
Ihre Karriere startete in der Stadthalle
Als Zimmer- und Serviermädchen hat die junge Anni im Schloss Birnfeld bei Stadtlauringen ihre "Karriere" begonnen, arbeitete anschließend ein Jahr bei einem Kinderarzt als Haushaltshilfe, bevor sie während ihrer Anstellung im Café Hundesmühl in Bad Kissingen einen netten Kurgast aus Aachen, ihren späteren Mann Karl kennenlernte.
Zwei gesunde Töchter kamen zur Welt, die Familie zog nach Bad Neustadt und nach sieben Jahren emsiger Arbeit in Küche und Service in der Bad Neustädter Stadthalle war es so weit: Das Café Klein bekam am 1. Mai 1971 seine neue Chefin, Anni Röhrich, die am Donnerstag, 15. Dezember, das allerletzte Bierchen aus dem Zapfhahn lässt.
Und leider sind auch ihre Nachfolger namentlich bekannt: Sie heißen Bagger und Abrissbirne, denn auf dem Grundstück wird im kommenden Jahr ein Einfamilienhaus entstehen, ohne Musikbox, Flipper und gemütlicher Gaststube.
Abschiedsparty zu Annis Ehren
Die war am letzten Samstag noch mal brechend voll, denn es gab zu Annis Ehren eine spontane Abschiedsparty mit Livemusik von Franky Schmitt und Begleitung. "Ich habe nichts davon gewusst, das haben die Gauner hinter meinem Rücken organisiert!", freute sich die scheidende Wirtin über die mehr als gelungene Überraschung, denn "da ging so richtig die Post ab, die Stimmung war fast besser als bei einem Kappenabend!"
Am 17. Dezember startet der Umzug
Am 17. Dezember ist der große Umzug, und mit im Gepäck sind da auch ein großer Kneipentisch, vier Stühle und eine komplette Eckbank. "Das wird das Glanzstück meines Esszimmers!", strahlt Anni Röhrich über das ganze Gesicht, die in ihre frisch renovierte Wohnung im eigenen Haus ziehen wird.
Und vielleicht bekommt sie dort ja mal überraschenden Besuch. Von ehemaligen Stammgästen, die ohne ihre Anni einfach nicht leben wollen.