
Es ist irgendwie anders, fast gespenstisch, wenn man das Café Klein in Brendlorenzen nach so vielen Wochen des Corona-Lockdowns ausnahmsweise betreten und sich sogar setzen darf. Denn man ist - allein. Nicht mutterseelenallein, denn es gibt ja Anni. Und die strahlt mit ihrer frisch gestrichenen und an vielen Ecken und Enden renovierten Kultkneipe um die Wette, stellt gleich ein Bier auf den Tisch, holt sich einen Kaffee und setzt sich im gebührenden Abstand dazu.
Die halben Hähnchen gehen weg wie nichts
"Jetzt soll ich also erzählen, wie mir's die ganze Zeit ergangen ist? Nun, ich komme eigentlich sehr gut zurecht, habe besonders an den Sonntagen jede Menge Essen 'to go'. Und das lenkt ab, wenn man kocht und schafft. Und es bleibt auch ein wenig Geld in der Kasse!" Auch an den anderen Abenden läuft das Geschäft, in der Hauptsache mit ihren heiß begehrten halben Hähnchen, "die sind immer noch ein Renner!"
Anna Röhrich, die in wenigen Wochen sowohl ihr 50-jähriges Kneipenjubiläum als auch ihren 80. Geburtstag feiern wird, ist gut drauf, eigentlich wie eh und je. Ob sie aufgeregt ist wegen der anstehenden Feierlichkeiten? "Es kommt, wie es kommt", antwortet sie, "und warum soll ich aufgeregt sein, ich freue mich, dass endlich wieder Leben in die Bude kommt!"
Große Sehnsucht nach ihren geliebten Gästen
Denn das hat ihr am meisten gefehlt: der Trubel und die randvolle Gastwirtschaft mit ihren so sehr geliebten Gästen. "Das war schon manchmal so, dass ich mich wie ein Kind gefreut habe, wenn mir jemand von der anderen Straßenseite zugewinkt hat oder beim Vorbeigehen ans Fenster geklopft hat", gibt sie offen ihre Sehnsüchte zu.
Und Anni klagt auch keine Sekunde, sieht sich eher als Einzelkämpferin, die es leichter hat als andere. "Ich bin doch ein ganz kleiner Betrieb, hab' meine Rente, einen guten Steuerberater, der mir ein bisschen Überbrückungsgeld verschafft hat, und hab' meine Tochter und meinen Schwiegersohn, die immer einspringen, wenn's brennt. Da geht es der Großgastronomie viel schlechter mit ihren hohen Kosten und den vielen Angestellten."
Im Gespräch klingelt plötzlich das Telefon, Anni springt auf, erste Vorbestellungen fürs Wochenende trudeln ein. "Manchmal brate ich den Gästen auch eine Extrawurst, wie neulich, als sich ein Stammgast Kalbsleber mit Kartoffelbrei wünschte. Dafür stell' ich mich doch gerne an den Herd."
Mit einem Schmunzeln im Gesicht erinnert sie sich auch an die Ankündigung des ersten Lockdown im Frühjahr des vergangenen Jahres zurück. "Da kamen zwei maskierte Männer herein, die ich noch nie gesehen hatte, und erläuterten mir Umstände und Zeitpunkt der Schließung. Dann stellte sich heraus, wer mir da die Ehre eines Besuchs gab: der frisch gewählte 1. Bürgermeister der Stadt, Michael Werner und Geschäftsleiter Christoph Neubauer, damals ebenfalls ziemlich neu in Amt und Würden."
Aber Anni hofft, dass sie die beiden bei ihren Feierlichkeiten in Kürze besser und schneller erkennt, "falls die hohen Herren überhaupt kommen." Nun, sie sollte sich darauf einrichten und ein paar Belegte zusätzlich garnieren, die Heimatzeitung weiß da immer ein bisschen mehr...