Als Helmut Grosser 1993 aus der hessischen Kali-Industrie zum Überlandwerk Rhön wechselte und als Technischer Leiter Verantwortung übernahm, stand das Unternehmen vor großen Herausforderungen. Nach der Grenzöffnung war die Geschäftsführung bestrebt, die thüringischen Gesellschafter wieder ans Netz des Überlandwerks anzuschließen. Eine erste Mammutaufgabe für den Diplom-Ingenieur, die mit Bravour gelang. Heute zählt das rein kommunale Unternehmen 48 Gesellschafter aus Bayern, Hessen und Thüringen, das Versorgungsgebiet umfasst knapp 1200 Quadratkilometer. Rund 200 Mitarbeiter sind bei dem regionalen Stromversorger beschäftigt.
Nicht die Gewinnmaximierung, sondern der Ausbau und der Erhalt der Infrastruktur sowie die Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Installationen und Geräten standen seit jeher im Vordergrund des unternehmerischen Handelns. Helmut Grosser, der 2001 zum Geschäftsführer der Überlandwerk Rhön GmbH und 2005 zum kaufmännischen Geschäftsführer der Bayerischen Rhöngas bestellt wurde, hat hier Maßstäbe gesetzt. 120 Millionen Euro wurden unter seiner Regie in den Netzausbau investiert. Die Liberalisierung des Strommarktes, die seit 1998 für freien Wettbewerb auf dem Markt sorgt, hat dem Unternehmen nichts anhaben können. Das ÜW Rhön kann als verlässlicher Partner auf treue Kunden bauen. Auch ein Verdienst Grossers, dessen kollegialer Führungsstil und unternehmerische Weitsicht in den vergangenen Jahrzehnten von Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Kunden geschätzt wurden.
Nach über 28 Jahren an leitender Stelle wurde der 65-Jährige Ende Juli in den Ruhestand verabschiedet. Bedingt durch die Corona-Pandemie blieb die große Abschiedsfeier aus. Helmut Grosser hat sich daher auf den Weg in alle Außenstellen gemacht und persönlich von allen Mitarbeitern verabschiedet. An seinem letzten Arbeitstag schloss der langjährige Chef seine Bürotür mit Wehmut, aber auch mit Vorfreude auf die kommende Zeit mit der Familie. Im Gespräch mit dieser Redaktion blickt er auf sein unternehmerisches Wirken und die Herausforderungen der letzten Jahrzehnte zurück.
Helmut Grosser: Gleich zu Beginn meiner Tätigkeit 1993 stand die Wiedereingliederung unseres thüringischen Versorgungsgebiets, besonders aus technischer Sicht. Diese Aufgabe hat uns alle extrem gefordert, wurde aber durch unsere motivierte Mannschaft und mit dem Rückhalt unserer Gesellschafter sehr erfolgreich innerhalb weniger Jahre zum Abschluss gebracht.
Weiterhin sind die Liberalisierung des Strommarkts und die behördlich geforderte Abtrennung des Stromvertriebs von der Stromnetzsparte zu nennen. Ebenso haben wir unsere Elektroinstallation laufend mit neuen Geschäftsfeldern weiterentwickelt.
Letztlich schenkten uns unsere Gesellschafterkommunen erneut ihr Vertrauen, in dem sie mit unserem Unternehmen wiederum 20-jährige Konzessionsverträge abgeschlossen und damit die Grundlage für eine weitere erfolgreiche Arbeit der Überlandwerk Rhön GmbH geschaffen haben.
Grosser: Leider müssen wir feststellen, dass seit Öffnung des Marktes ungleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Die Politik fördert derzeit noch immer die Konzentration der Konzerne durch Fusionen, zum Beispiel E.ON/Innogy. Die Marktregeln entwickeln sich daher zu Gunsten großer Unternehmen. Dennoch ist es uns dank hoher Kundentreue, der Nähe zu unseren Kunden und wettbewerbsfähigen Preisen gelungen, am Markt erfolgreich zu sein.
Wir sind weiterhin zu 100 Prozent in kommunaler Hand, selbstständig und frei in den Entscheidungen. Dies ist der Garant für eine preisgünstige und sichere Stromversorgung in unseren bayerischen, hessischen und thüringischen Gesellschafterkommunen.
Grosser: Der Strommarkt wurde geöffnet und der Wettbewerb findet statt, teilweise leider auch ruinös. Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und Kohle nimmt entsprechend die Erzeugung und Vermarktung der regenerativen Energien zu. Natürlich werden damit auch Marktprozesse immer komplexer. Dies haben wir aber – auch im Vergleich mit deutlich größeren Versorgungsunternehmen – gut im Griff.
Grosser: Die Strompreisentwicklung ist aus heutiger Sicht schwer zu prognostizieren. Wir rechnen aufgrund der Digitalisierung, der Elektromobilität und nicht zuletzt der fortschreitenden Energiewende mit einem steigenden Strombedarf. Zusammen mit den Belastungen aus dem CO2-Emissionshandel ist eher von steigenden Strompreisen auszugehen. Durch den notwendigen Stromnetzausbau entstehen weitere Kosten. Jedoch ist festzustellen, dass die staatlich verordneten Umlagen in die Diskussion geraten, zum Beispiel die derzeitige Deckelung der EEG-Umlage. Dies könnte darauf hindeuten, dass nicht nur allein die Stromrechnung, sondern die allgemeine Steuerlast steigt.
Grosser: Hinsichtlich der ausschließlichen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien wäre aus meiner Sicht ein wirtschaftlicher Stromspeicher notwendig, der auch eine stetige Versorgung der großen, stromintensiven Industriebetriebe ermöglicht. Diverse Ansätze hierzu werden derzeit untersucht, sind aber noch nicht effizient. Die finanzielle Belastung der Stromkunden, besonders der im weltweiten Wettbewerb stehenden, ist zu beachten. Zudem ist die Energiewende kein isoliertes Thema im Strommarkt. Zur Energiewende gehört auch der Umbruch im Wärmemarkt, bei der Mobilität sowie der industriellen Produktion.
Klimaschutz beziehungsweise Klimaziele sind zwingend ein globales Thema, das nach meinem Verständnis auch eng mit der Bevölkerungsexplosion und der Zerstörung von Urwäldern verknüpft ist. In Deutschland können wir nur Vorbild sowie Technologie-Entwickler sein. Eine weltweite Energiewende beziehungsweise maßgebliche CO2-Ausstoßreduzierung ist allein durch die deutsche Bevölkerung nur wenig beeinflussbar.
Grosser: Die Erhaltung der Selbstständigkeit in kommunaler Struktur ist sicherlich eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die Infrastruktur in unserer Region weiterzuentwickeln. Eine weitere Aufgabe liegt darin, den Spagat zwischen den Anforderungen zur Umsetzung der Energiewende und den Einschränkungen durch die Bundesnetzagentur zu schaffen.
Grosser: Auf jeden Fall! Meine Frau und ich fühlen uns in Mellrichstadt sehr wohl und die wunderschöne Rhön ist nicht weit.
Grosser: ... er das ÜW immer nach bestem Wissen und Gewissen geführt und einen Teil zur positiven Entwicklung unserer Heimat beigetragen hat. Und weil ihm das Wohl der Belegschaft und die Belange der ÜW-Kunden immer wichtig waren."