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Bad Neustadt
Gerhard Polt: Der Mensch ist gut, die Leut' a Gsindel
Gerhard Polt mit den Well-Brüdern in der Stadthalle: Hinterfotziges, Sturschädeliges und Allerbrilliantestes. Dazu die Frage nach dem tieferen Sinn der Psychologie.
Hurra, er war wieder da!: Gerhard Polt und die Well-Brüder Stoffl, Karli und Michael Well
Foto: Gerhard Fischer | Hurra, er war wieder da!: Gerhard Polt und die Well-Brüder Stoffl, Karli und Michael Well
Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:21 Uhr

Bald wird er 77 Jahre alt. Sein Restwert: Zwölftausend Euro und ein paar Zerquetschte. Wenn ihn ein Taliban packte und mit ihm Millionen Euro erpressen wollte, müsste das ziemlich schief gehen. Zumindest, wenn die Krankenversicherung im Spiel ist. Die Logik der Gesellschaft ist zynisch. Aber wenn man’s mal durchschaut hat, kann man es als „lebendige Verlustzuweisung“ trotzdem etwas gelassen angehen.

Gerhard Polt, der sich am Freitagabend in der Bad Neustädter Stadthalle mit den Well-Brüdern die Ehre gab, hat in seiner Karriere so Einiges durchschaut. Den Menschen an sich. Denn der mag an und für sich in Ordnung sein, wenn nur die Leute nicht so ein Gesindel wären. Und noch schlimmer wird’s, wenn der Mensch in Form eines Nachbarn auftritt und gegen die in der Siedlung ausgearbeitete Grillverordnung verstößt.

Der Alltag bis zur Absurdität aufgeblasen

So kennt man den Gerhard Polt: Eine kleine Alltagsepisode wird bis zur Absurdität aufgeblasen. Und immer behält der bayerische Grantler Gerhard Polt Recht gegen all die anderen, die seine Wohlfühlzone zu beschädigen drohen. Der Zuschauer macht sich unweigerlich mit der manchmal proletenhaften Perspektive gemein, um gegen die Hölle, die die anderen sind, auszuteilen. Kein Stand wird verschont. Die zahllosen Psychologie-Studentinnen nicht („Muss ich studieren, um zu wissen, wer ein Depp ist?“), und auch die „Helikopter-Schnepfen“ nicht, die den Lehrern ihrer unbegabten, aber übergewichtigen Kinder einen Rechtsanwalt auf den Hals hetzen, damit der Bub doch noch ins Gymnasium kann. Diese Welt ist nun einmal „charakterlich kompakt“.

Polts Kunst kennt kein Altern

Seit Jahrzehnten ist Polt in dieser Mission der Entblößung des Menschlichen unterwegs. Und noch immer stellt er seine Figuren so kraftvoll und treffsicher auf die Bühne, dass es eine Lust ist - für ihn wie für das Publikum. Seine Kunst kennt offenbar kein Altern.

Gerhard Polt als indischer Priester.
Foto: Gerhard Fischer | Gerhard Polt als indischer Priester.

Die Well-Brüder Stofferl, Karli und Michael aus dem Biermoos sind natürlich nicht die Begleitung von Gerhard Polt. Die Vier sind eine Einheit. Und wenn die Drei musizieren, dann darf der sitzende Polt daneben nicht fehlen wie andersherum auch. Kurz nur ist man irritiert, dass in den Liedern Namen und Begriffe fallen wie Otto Wiesheu und Amigos. Aber die schwärzeste Historie der CSU gehört zum Grundvokabular der satirischen Well-Brüder, da haben sie den Anspruch eines Historikers.

Bissige Well-Brüder

Aber die Well-Brüder finden in einem spritzigen Song für das Haus der bayerischen Geschichte mühelos den Anschluss an die Gegenwart bis zu E-Bikes an der Kampenwand als neue Stufe des Bayern-Tourismus. Ganz zu schweigen vom Weltraumflug von 00-Söder mit der Bavaria One. Wunderbar die Barock-Persiflage mit einem Stück von Händel, der doch tatsächlich auf dem Weg von Wien nach London durch das Biermoos gezogen war. Satzbezeichnungen wie „Die 40 Feuerwehrjungfrauen tanzen“ waren zu komisch, das ganze dazu noch bravourös musiziert. Fast schon musikalischer Nonsens. Das Befreiende der Musik, der revolutionäre, halbanarchistische Zug der schnellen Notenläufe, das zeigen die Well-Brüder schon seit jeher auf Bachtrompete, Tuba, Quetschn, Geige, Harfe, Gitarre, Kontrabass, Flöte und sonstigem Instrumentarium.

Das Spiel mit den Sprachen

Ja, und dann sind noch diese herrlichen Momente, wo Gerhard Polt sich so unvergleichlich allerlei Idiome aneignet: Italienisch und Japanisch in einer Radioankündigung und vor allem das englische Singsang eines indischen Pfarrers, der in der bayerischen Diaspora so seine Not hat und mit Espressomaschinen für die Frühmesse zu einer anderen Art der Erweckung beitragen will. Und weil er so schön die Sprachen der Welt zu einem sympathischen Witz macht alleine durch die Nachahmung ihres Klangs, gibt es zum Schluss den Klassiker „Mambelé“ als Zugabe, bei dem Polt in einem Pseudo-Afrikanisch mit den Well-Brüdern von der Bühne zieht. Das ist so ein großer Spaß. So groß wie die Kunst des Gerhard Polt.

 
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