Er dreht einen kleinen Kreis, wie der Panther in Rilkes berühmtem Gedicht. Geschmeidig stark sind seine Schritte, das große Profil der Gummisohlen macht den Gang noch wippender. Der Trachtenjanker mit dem moosgrünen Lederbesatz ist zugeknöpft. Der Tanz von Kraft um jene Mitte beginnt, die nichts anderes ist als der Abgrund alles Menschlichen, und zwar in seiner weiß-blauen Färbung.
Bedeutungslose Badestädte
Gerhard Polt ist der Bürgermeister von Bad Hausen. Der Ortsname sagt alles aus über die Bedeutungslosigkeit dieser Bäderstadt, die mit aberwitzigen Bettenkapazitäten gegen ihre Nichtigkeit anrennt und die nur einmal vom Windhauch der Geschichte erfasst wurde, als im Mittelalter Heinrich der Flözer als alter Mann die neunjährige Algunda mit einem „Stuhlhaxn aus dem Haus begleitet hatte“. Auch Mozart soll schon in Bad Hausen gewesen sein, doch das muss erst ein sündhaft teures Gutachten bestätigen. Verbrieft wiederum ist, dass Hermann Göring beim Faschingsverein engagiert war.
Dem Bürgermeister von Bad Hausen erstickt aber erst dann die Stimme vor Rührung und Stolz, als er erzählt, dass Franz-Josef Strauß einmal hier Halt machte – weil eine Benzinpumpe kaputt war. Deshalb wird ein Künstler bald eine Bronze-Figur installieren, die eine bronzene Benzinpumpe zeigen wird.
Eine halbe Stunde dauert der Monolog des Bürgermeisters, der die Bezirke des Komischen absteckt, in denen sich Gerhard Polt an diesem lauen Sommerabend auf dem Stockheimer Festgelände bewegt. Es sind die Aufgeblähtheiten der Demokratie auf kommunaler Ebene, die große Selbsttäuschung des Menschen, Geschichte könnte so etwas sein wie eine Ansammlung von wirklichen Verdiensten.
Das Personal, das Gerhard Polt in seinen Dramoletten auftreten lässt, ist völlig übersättigt. Auch das gut betuchte Senioren-Ehepaar, das zum „Gastronomic Adventure“ zu den Menschenfressern auf eine Insel vor Australien fliegt, um einen exotischen Fleischgeschmack kennenzulernen. Leider wird auch aus dem Waran-Essen nichts, das letzte Exemplar hat schon ein Schweinfurter Zahnarzt-Ehepaar verspeist. Dafür trommelt der frisch entdeckte, aber schon katholische Eingeborenen-Stamm das Kufsteinlied.
Wieder dreht Polt eine kleine Runde auf der leeren Bühne. Dann beginnt mit brüchiger Stimme ein Augenzeuge seine Erinnerung an ein Treffen mit Adolf Hitler. „Dutzi, dutzi, dutzi“ habe Hitler mit freundlicher Stimme in den Kinderwagen gesprochen.
Gerhards Polt findet aberwitzige Konstellationen, die sich vorzugsweise dem Makabren nähern. Immer wieder zimmern sich seine kleinbürgerlichen Figuren erschreckend einleuchtende Weltbilder. So europäisch denken sie, dass die Deutschen zusammen mit den Alliierten Europa von den Nazis befreit haben. Überhaupt ist Europa ein Segen, weil es für einen Abort in der Leichenhalle sogar EU-Mittel gibt. Hochaktuell ist seine Geschäftsidee mit der Schilda Response GmbH, die als Bad Bank die Verantwortung für alles übernimmt, selbst das Jüngste Gericht.
Absurd-Komisches
Der Gemeinderat, ein fress- und biersüchtiges Panoptikum, segnet diese Sinnlosigkeit genauso ab wie die 3000 Euro aus dem Kulturetat für die Fingerhakler. So geht das in einem zu bei Gerhard Polt, der bestens aufgelegt die 800 Besucher im proppenvollen Stockheimer Festzelt von einer Lachsalve zur nächsten bringt, bis hin zur absurd-komischen Zugabe. Ausgerechnet, als die Firma auf Sparkurs ist, soll sich ein Angestellter zum Firmenjubiläum einen Gedanken machen – aber der Gedanke kommt nicht. Die Flasche Bardolino hilft nicht, keine Armada von alkoloischen Getränken. Der Gedanke ist einfach nicht herbeizulocken.
Wir gehen davon aus, dass der geniale Gerhard Polt damit nicht die Conditio humana schildern wollte. Eher dies: Das Absurde ist allemal erträglicher als diese trostlose bayerische Realität.
Online-Tipp
Bilder vom Kabarett-Abend:
http://rhoengrabfeld.mainpost.de