Im Sommer tat sich etwas am Kreuzberg. Der Gasthof Roth am letzten Steilstück der Kreuzbergstraße wurde umgebaut. Mit diesem ersten Schritt der Renovierung wurde das Gastwirtehepaar David und Manuela Roth Ende Oktober fertig. Es freute sich, Gäste bewirten zu können. Allerdings hat der zweite Lockdown die Freude stark gedämpft.
"Wir sind ein Familienbetrieb, der ausschließlich von den Einnahmen aus dem Gasthof lebt", berichtet Manuela Roth. Neben der Gastronomie gehören Zimmervermietung und Catering für Schulen und Kindergärten zu ihrem Portfolio. Die Roths führen den Gasthof in der dritten Generation, den Davids Großvater Willi 1934 erbaut hatte. Von 1960 bis 2000 betrieb Davids Vater Manfred, von Beruf Koch und Metzger, den Gasthof. Vor 20 Jahren, im April 2000 hatte die dritte Generation übernommen. David und Manuela Roth konnten wegen des ersten Lockdowns dieses Ereignis nur im kleinsten Familienkreis feiern.
Familienfeiern im Auftragsbuch - alle abgesagt!
"Als Familie leben wir komplett vom Gasthof, jetzt gerade sollten die Geburtstagsfeiern des Frühlings und Sommers nachgeholt werden", berichtet Manuela Roth. Sie hatte einige Reservierungen für Familienfeiern im Auftragsbuch stehen – alle abgesagt. "Wir haben alle Vorschriften zu Hygiene, Abstand und Datenerfassung umgesetzt, ein zusätzlicher, nicht geplanter Mehraufwand", betont die Chefin. "Was passiert im Einzelhandel oder in öffentlichen Verkehrsmitteln? Hier ist es völlig egal, wer einkauft oder mitfährt", stellt sie fest. "Wir befolgen alles und müssen doch wieder für vier Wochen schließen!"
Dennoch wollen sie den Kopf nicht in den Sand stecken. Nach der ersten Novemberwoche werden sie wieder öffnen und Essen zum Mitnehmen und zur Lieferung anbieten, auch das Catering für Kindergärten und Schulen wird fortgesetzt.
Auch die Bischofsheimer Frank und Katharina Mirring hatten Ende Mai, noch im ersten Lockdown, ihr neues Lokal in der Innenstadt eröffnet, zunächst nur zur Essensabholung. Nach Ende des Lockdowns wurde die "Braunsmühle" - wie alle Innenstadtlokale – sehr gut von den Gästen angenommen. Das machte die beiden sehr zufrieden. Sie lassen die nächsten vier Wochen auf sich zukommen. In der Zeit soll endlich die lange bestellte Kühlzeile eingebaut werden.
Sollte ihr Lokal danach nicht öffnen können, werden auch sie über ihre weitere Existenz nachdenken müssen. Die Ferienwohnungen der Mirrings wurden sonst im November immer renoviert, das sparen sie sich dieses Jahr. "Von dem Geld leben wir im November", betont Katharina Mirring. Sie wollen die freie Zeit intensiv mit ihren Kindern verbringen.
Frank Mirring erzählt von seinem Bruder, der in Schweinfurt eine Gastronomie für vorangemeldete Großgruppen betreibt. Als im September aufgrund der gestiegenen Inzidenzzahl in Schweinfurt die zugelassene Größe der zu bewirteten Gruppen immer kleiner wurde, fuhr er Gemüse und Salat in die Rhön. Hier konnte es sein Bruder Frank in seinem Restaurant verarbeiten. Das ist nun auch passe.
Traditionshäuser brauchen Pflege - und das kostet Geld
Tanja und Thomas Vorndran betreiben die Hansenmühle in Frankenheim, sie haben ihr Speiselokal nur am Wochenende geöffnet. Der Betrieb ihrer Frühstückspension läuft während des ganzen Jahres. "Laut Statistik bucht ein Besucher Bischofsheims durchschnittlich 1,4 Nächte", berichtet Tanja Vorndran. Heuer im Sommer hatten sie sogar Buchungen für zwei ganze Wochen am Stück, worüber sie sich ungemein freuten. Wie alle anderen Gastronomen haben auch sie die Hygiene- und Abstandsvorschriften akribisch umgesetzt. "Wir haben einen relativ großen Gastraum", sagt Tanja Vorndran, "und konnten die Tischabstände recht einfach einrichten".
Die Vorndrans bewirtschaften ein Traditionshaus. 2013 übergab Thomas Vorndrans damals 80-jährige Großmutter Lilli Balling ihr Lebenswerk an ihren Enkel und dessen Familie. In den 1950er-Jahren war es noch ein Lebensmittelladen mit Bäckerei, 1970 eröffnete sie ihr Gasthaus.
Als die junge Familie einstieg, entschieden sie, dass Tanja Vorndran weiterhin in ihrem Beruf als Produkt- und Brandmanagerin arbeitet. Damit sichert sie das Familieneinkommen. "Ich bin nur die Frau vom Chef", lacht Tanja Vorndran - wohlwissend, dass es von Vorteil ist, wenn man nicht zu 100 Prozent von der Gastro leben muss. Die erste Woche des jetzigen Lockdowns blieb ihr Haus geschlossen. Auch sie haben sich Zeit für die Familie genommen. Zudem muss an dem großen Gebäude immer etwas gemacht werden, "ein altes Haus braucht Pflege". Am kommenden Wochenende wollen sie wieder Essen zum Abholen anbieten.
Beim ersten Lockdown waren sie überwältigt von dem guten Zuspruch. Die Vorndrans waren glücklich über die Unterstützung. "Du lebst davon und du lebst damit", beschreibt es Tanja Vorndran. "Den ersten Lockdown haben wir überstanden, den zweiten werden wir auch schaffen, Maske auf und weiter geht es!"
Aufgeben gilt nicht: Notfalls gibt's Kartoffeln und Quark
Für Selbstständige ist die derzeitige Situation ein Horrorszenario, das Existenzen zerstören kann. Kurt und Andrea Kregler aus Bastheim sind ebenfalls vom Lockdown betroffen. Der Mittfünfziger kann momentan weder als Schwimmlehrer noch als MTB-Guide in der Rhön arbeiten. Die Ernährungsberatungen seiner laufen zwar weiter, allerdings kann sie keine neuen Kunden gewinnen. "Jetzt wäre doch gerade die richtige Zeit, sich um den eigenen Körper zu kümmern", gibt sie zu bedenken. Nachdem heuer wohl alle Firmen ihre Weihnachtsfeiern absagen, hätte Andrea Kreglers eine Idee, wie die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern ihre Wertschätzung ausdrücken können. "Man könnte doch Gutscheine verschenken", regt sie an, "und damit Gastronomie und andere Selbstständige unterstützen"!
Auch die Kreglers blieben zuversichtlich: "Wir können notfalls auch von Kartoffeln und Quark leben!" Und bevor ihnen zuhause die Decke auf den Kopf fällt, gehen sie lieber in die Rhön zum Wandern.
Selbst wenn sie nicht dieses Jahr pleite gehen so fehlt das Geld auch für Renovierungen bzw. fehlt in den nächsten Jahren.
Gastwirte bezahlen genau wie Künstler oftmals den höchsten Preis für die vom Staat verordneten Maßnahmen - obwohl sie rein gar nichts für die Misere können.
Die "Unterstützungen" des Staates sind leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich bin erstaunt und finde es schon fast bewundernswert wie die Betroffenen das oftmals ertragen (müssen).
Während Banken, Reiseunternehmen und die Luftfahrtbranche mit Milliardenkrediten vollgepumpt werden die sie vermutlich nie mehr zurückzahlen können bzw. die den Wert der Firma teils um ein vielfaches übersteigt (Lufthansa) werden Kleinunternehmen im Stich gelassen.