Ein Mittwoch im September, Radiologie-Assistentin Josephine Lippitz ist auf dem Weg zur Arbeit in der Kreisklinik Gerolzhofen. An einer Kreuzung zwischen Münnerstadt und Bad Neustadt im Landkreis Rhön-Grabfeld wird ihr die Vorfahrt genommen. Es kommt zum Zusammenstoß: "Plötzlich hat es einen Schlag getan, völlig aus dem Nichts", sagt die 26-Jährige aus Wülfershausen. Ihr Auto dreht sich und kommt am Straßenrand zum Stehen. "Im ersten Moment sitzt man erstmal nur da und schnauft durch", sagt Lippitz. "Ich habe gar nicht realisiert, dass es gerade voll gekracht hat."
Eingeklemmt im Auto und niemand kommt zu Hilfe
Erst ein paar Sekunden später merkt sie: Ihre Brille ist weg, der Airbag ist aufgegangen. Im Wageninneren fängt es immer stärker an zu qualmen, auch aus der Motorhaube kommt Rauch. Für Josephine Lippitz eine beängstigende Situation. "Das nächste, woran ich gedacht habe, war: Okay, du musst schnellstmöglich raus." Sie habe sich abgeschnallt und versucht die Türe zu öffnen. Aber die klemmt. "Dann ist ein Gefühl von Panik in mir ausgebrochen, und das Atmen ist mir zunehmend schwerer gefallen."
Also habe sie angefangen, zu rufen und an die Scheibe zu klopfen, berichtet die 26-Jährige. Doch gefühlt Minuten kommt ihr niemand zu Hilfe: "Manche Vorbeifahrenden haben mich direkt angeschaut. In dem Moment habe ich mir nur gedacht: Warum hilft mir keiner? Wieso bleibt niemand stehen?"
Erst nach einer kleinen Ewigkeit sei eine Frau zu ihr ans Auto gekommen, schaffte es aber auch nicht, die Türe zu öffnen. "Die Frau hat versucht mich zu beruhigen und mir klar gemacht, dass sie Hilfe holt", sagt Lippitz. Als die Tür endlich auf ging, sei sie "bei einer blonden Frau ins Auto gesetzt" worden. Die Ersthelferin habe jemanden gebeten, den Rettungsdienst zu rufen, und weitere Aufgaben verteilt.
Suche auf Facebook: Große Dankbarkeit für die mutige Ersthelferin
Diese Ersthelferin ausfindig zu machen - das war Josephine Lippitz in den Tagen nach dem Unfall besonders wichtig: "Ich wollte mich vor allem bei ihr bedanken. Sie hat sehr gute Hilfe geleistet und großen Mut bewiesen." Über einen Facebook-Post fand sie die Frau. "Mich selbst hat es beschäftigt, ob es mir nur so vorkam, dass mir lange keiner geholfen hat oder ob sie es genauso empfunden hat", erzählt die Wülfershäuserin. Die Ersthelferin sei selbst Krankenschwester. Auch sie sei geschockt gewesen, dass vor ihr niemand der Vorbeifahrenden geholfen hatte.
Josephine Lippitz selbst hat ein Jahr lang hauptberuflich als Rettungssanitäterin gearbeitet, bei den Maltesern in Mellrichstadt ist sie ehrenamtlich im Rettungsdienst tätig. Sie sei bereits an vielen Unfallorten gewesen und wisse, wie entscheidend eine schnelle Hilfe in manchen Fällen sein kann.
"Einfach schlimm, dass mir so lange keiner geholfen hat, aber das ist einfach unsere Gesellschaft", sagt die Radiologie-Assistentin. Sie habe den Eindruck, dass so etwas immer häufiger vorkomme. Und dass in solchen Situationen "nur Personen vom Fach anhalten", von der Feuerwehr oder aus dem Gesundheitsbereich. "Aber auf so einen Zufall sollte man nicht hoffen müssen."
Aus eigener Erfahrung sagt die Wülfershäuserin: "Aus Angst etwas falsch zu machen, überhaupt nicht zu helfen, ist am schlimmsten. Man muss diese Scheu ablegen." Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer würden auf solche Situationen nicht ausreichend vorbereitet: "Der Erste-Hilfe-Kurs für die Fahrschule deckt so etwas leider nicht ab. Man müsste beispielsweise lernen, wie und wann man jemanden aus dem Fahrzeug rettet."
Dringender Wunsch: Mehr als ein Verbandskasten im Auto
Auch der Verbandskasten im Auto reiche für solche Situationen nicht aus, meint Lippitz: "Am sinnvollsten wären Handschuhe, irgendetwas womit man eine Scheibe einschlagen kann und ein Gurtschneider."
Als Unfallbeobachter schnell zu helfen könne lebensentscheidend sein, sagt die ehrenamtliche Rettungssanitäterin. Sie selbst war bei dem Unfall leicht verletzt worden, der Fahrer des anderen Autos sei unverletzt geblieben. "Klar ist man als Vorbeifahrender in so einem Moment geschockt. Die ersten müssen sicherlich auch erstmal weiterfahren, um den Weg freizumachen."
Doch schon die bloße Anwesenheit von anderen mache einen großen Unterschied: "Mich hat es wahnsinnig beruhigt zu wissen, dass jemand da ist und mir geholfen wird, als die Ersthelferin vor meinem Auto stand."
das man von Gesetz her
sogar zu Erster Hilfe verpflichtet ist..
obwohl es eine moralische "Verpflichtung" ist
Zu Helfen!
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/reise-mobilitaet/unterwegs-sein/ecall-so-funktioniert-das-automatische-notrufsystem-im-auto-32100
Ein „abgelaufener“ Verbandkasten als Zweikasten kann da sicher schon hilfreich sein.
Das Problem ist: sobald Schutzbefohlene dabei sind, kann man nicht mehr belangt werden, wenn man keine Erste Hilfe geleistet hat. Vielleicht fährt daher die ein oder andere mit Kindern beladene Mama am Unfallort vorbei…