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Bad Neustadt
Eingeklemmt und völlig hilflos: Eine Rettungssanitäterin aus Rhön-Grabfeld über das lange Warten auf Erste Hilfe
Bei schweren Unfällen ist man oft auf fremde Hilfe angewiesen. Für Josephine Lippitz dauerte es gefühlt eine halbe Ewigkeit, bis Rettung kam. Was sie jetzt anderen rät.
Das lange Warten auf Erste Hilfe nach ihrem Unfall war für Josephine Lippitz aus Wülfershausen (Lkr. Rhön-Grabfeld) bitter. Sie selbst ist Rettungssanitäterin und weiß wie entscheidend schnelle Hilfe sein kann.
Foto: Kai Kunzmann | Das lange Warten auf Erste Hilfe nach ihrem Unfall war für Josephine Lippitz aus Wülfershausen (Lkr. Rhön-Grabfeld) bitter. Sie selbst ist Rettungssanitäterin und weiß wie entscheidend schnelle Hilfe sein kann.
Kai Kunzmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:42 Uhr

Ein Mittwoch im September, Radiologie-Assistentin Josephine Lippitz ist auf dem Weg zur Arbeit in der Kreisklinik Gerolzhofen. An einer Kreuzung zwischen Münnerstadt und Bad Neustadt im Landkreis Rhön-Grabfeld wird ihr die Vorfahrt genommen. Es kommt zum Zusammenstoß: "Plötzlich hat es einen Schlag getan, völlig aus dem Nichts", sagt die 26-Jährige aus Wülfershausen. Ihr Auto dreht sich und kommt am Straßenrand zum Stehen. "Im ersten Moment sitzt man erstmal nur da und schnauft durch", sagt Lippitz. "Ich habe gar nicht realisiert, dass es gerade voll gekracht hat."

Eingeklemmt im Auto und niemand kommt zu Hilfe

Erst ein paar Sekunden später merkt sie: Ihre Brille ist weg, der Airbag ist aufgegangen. Im Wageninneren fängt es immer stärker an zu qualmen, auch aus der Motorhaube kommt Rauch. Für Josephine Lippitz eine beängstigende Situation. "Das nächste, woran ich gedacht habe, war: Okay, du musst schnellstmöglich raus." Sie habe sich abgeschnallt und versucht die Türe zu öffnen. Aber die klemmt. "Dann ist ein Gefühl von Panik in mir ausgebrochen, und das Atmen ist mir zunehmend schwerer gefallen."

So sah das Auto von Josephine Lippitz nach dem Unfall aus. Die Fahrertür konnte nur mit Hilfe von außen geöffnet werden.
Foto: Patrick Kob | So sah das Auto von Josephine Lippitz nach dem Unfall aus. Die Fahrertür konnte nur mit Hilfe von außen geöffnet werden.

Also habe sie angefangen, zu rufen und an die Scheibe zu klopfen, berichtet die 26-Jährige.  Doch gefühlt Minuten kommt ihr niemand zu Hilfe: "Manche Vorbeifahrenden haben mich direkt angeschaut. In dem Moment habe ich mir nur gedacht: Warum hilft mir keiner? Wieso bleibt niemand stehen?"

Erst nach einer kleinen Ewigkeit sei eine Frau zu ihr ans Auto gekommen, schaffte es aber auch nicht, die Türe zu öffnen. "Die Frau hat versucht mich zu beruhigen und mir klar gemacht, dass sie Hilfe holt", sagt Lippitz. Als die Tür endlich auf ging, sei sie "bei einer blonden Frau ins Auto gesetzt" worden. Die Ersthelferin habe jemanden gebeten, den Rettungsdienst zu rufen, und weitere Aufgaben verteilt.

Suche auf Facebook: Große Dankbarkeit für die mutige Ersthelferin

Diese Ersthelferin ausfindig zu machen - das war Josephine Lippitz in den Tagen nach dem Unfall besonders wichtig: "Ich wollte mich vor allem bei ihr bedanken. Sie hat sehr gute Hilfe geleistet und großen Mut bewiesen." Über einen Facebook-Post fand sie die Frau. "Mich selbst hat es beschäftigt, ob es mir nur so vorkam, dass mir lange keiner geholfen hat oder ob sie es genauso empfunden hat", erzählt die Wülfershäuserin. Die Ersthelferin sei selbst Krankenschwester. Auch sie sei geschockt gewesen, dass vor ihr niemand der Vorbeifahrenden geholfen hatte. 

Josephine Lippitz selbst hat ein Jahr lang hauptberuflich als Rettungssanitäterin gearbeitet, bei den Maltesern in Mellrichstadt ist sie ehrenamtlich im Rettungsdienst tätig. Sie sei bereits an vielen Unfallorten gewesen und wisse, wie entscheidend eine schnelle Hilfe in manchen Fällen sein kann.

"Einfach schlimm, dass mir so lange keiner geholfen hat, aber das ist einfach unsere Gesellschaft", sagt die Radiologie-Assistentin.  Sie habe den Eindruck, dass so etwas immer häufiger vorkomme. Und dass in solchen Situationen "nur Personen vom Fach anhalten", von der Feuerwehr oder aus dem Gesundheitsbereich. "Aber auf so einen Zufall sollte man nicht hoffen müssen."

"Aus Angst etwas falsch zu machen, überhaupt nicht zu helfen, ist am schlimmsten."
Unfallopfer und Rettungssanitäterin Josephine Lippitz

Aus eigener Erfahrung sagt die Wülfershäuserin: "Aus Angst etwas falsch zu machen, überhaupt nicht zu helfen, ist am schlimmsten. Man muss diese Scheu ablegen." Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer würden auf solche Situationen nicht ausreichend vorbereitet: "Der Erste-Hilfe-Kurs für die Fahrschule deckt so etwas leider nicht ab. Man müsste beispielsweise lernen, wie und wann man jemanden aus dem Fahrzeug rettet."

Dringender Wunsch: Mehr als ein Verbandskasten im Auto

Auch der Verbandskasten im Auto reiche für solche Situationen nicht aus, meint Lippitz: "Am sinnvollsten wären Handschuhe, irgendetwas womit man eine Scheibe einschlagen kann und ein Gurtschneider."

Als Unfallbeobachter schnell zu helfen könne lebensentscheidend sein, sagt die ehrenamtliche Rettungssanitäterin. Sie selbst war bei dem Unfall leicht verletzt worden, der Fahrer des anderen Autos sei unverletzt geblieben. "Klar ist man als Vorbeifahrender in so einem Moment geschockt. Die ersten müssen sicherlich auch erstmal weiterfahren, um den Weg freizumachen."

Doch schon die bloße Anwesenheit von anderen mache einen großen Unterschied: "Mich hat es wahnsinnig beruhigt zu wissen, dass jemand da ist und mir geholfen wird, als die Ersthelferin vor meinem Auto stand."

So verhalten Sie sich an der Unfallstelle richtig

Wie verhalte ich mich an einer Unfallstelle richtig? Auf was sollte ich als Verkehrsteilnehmerin oder Verkehrsteilnehmer achten? Diese Tipps hat Rettungssanitäterin Josephine Lippitz:
1. Eigensicherung: Immer vorrangig auf den Eigenschutz achten und sich nicht selbst unnötig in Gefahr bringen. Das eigene Auto sichern und auf den Verkehr achten.
2. Notruf rufen: Sich einen Überblick verschaffen und den Rettungsdienst alarmieren.
3. Psychische Betretung: Zur Person hingehen, sie beruhigen und auf sie einreden. Ihr das Gefühl vermitteln, dass Hilfe unterwegs ist.
4. Erste Hilfe leisten: Je nach Situation Erste-Hilfe Maßnahmen durchführen. Person in stabile Seitenlage bringen, Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten, Wunden versorgen, Wärme spenden.
kai
 
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Kommentare
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  • K. E.
    All die Wünsche nach einer besseren Ersthelferausbildung oder besserer Ausrüstung nutzen gar nix. Leider leben wir in einer Gesellschaft die zwar Selfies und andere Fotos von Unfallstellen und den Verunfallten macht, jedoch nicht bereit ist zu helfen. Viele Unfallopfer, die verstorben sind, könnten noch leben hätte man schneller erste Hilfe geleistet. Und da ist nicht einmal ausschlaggebend, ob man alles richtig macht, die Hilfe ist wichtig, denn jede Hilfe ist besser als Keine. Die Strafen der unterlassenen Hilfeleistung oder des Gaffens sind viel zu niedrig. Wobei es traurig ist, so etwas bestrafen zu müssen, denn eigentlich sollte Hilfe schon aus Menschlichkeit normal sein. Tiere untereinander helfen sich übrigens, wenn sie in Not oder verletzt sind.
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  • S. K.
    Viele Wissen halt auch nicht
    das man von Gesetz her
    sogar zu Erster Hilfe verpflichtet ist..
    obwohl es eine moralische "Verpflichtung" ist
    Zu Helfen!
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  • D. E.
    ALLE Autos sollten mit eCall ausgerüstet werden und Pflicht werden.

    https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/reise-mobilitaet/unterwegs-sein/ecall-so-funktioniert-das-automatische-notrufsystem-im-auto-32100
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  • K. E.
    e-call ersetzt keine erste hilfe direkt vor ort
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  • C. W.
    sehr traurig!!
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  • G. P.
    Meiner Meinung nach sollte mit der Ersthelfer Ausbildung in den Schulen begonnen werden, und alle Jahre wiederholt werden, um die Angst zu nehmen irgend etwas falsch zu machen. Genauso sollte jeder Autofahrer spätestens alle zwei Jahre einen Auffrischungskurs als Ersthelfer absolvieren.
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  • M. F.
    Sehe ich auch so! Wir fangen in der vierten Klasse damit an, verpflichtend wie die Fahrradprüfung.
    Ein „abgelaufener“ Verbandkasten als Zweikasten kann da sicher schon hilfreich sein.
    Das Problem ist: sobald Schutzbefohlene dabei sind, kann man nicht mehr belangt werden, wenn man keine Erste Hilfe geleistet hat. Vielleicht fährt daher die ein oder andere mit Kindern beladene Mama am Unfallort vorbei…
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  • H. K.
    Man sollte alle 5 Jahre verpflichtend einen Erste-Hilfe-Kurs machen und die Ausrüstung im Auto müsste erweitert werden.
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