Kurt Haßfurter ist ein zufriedener, aber derzeit auch vielgereister Schulleiter. Er ist ein sehr gefragter Referent in ganz Bayern. Denn seine Schule, die Jakob-Preh-Berufsschule, ist außergewöhnlich. Sie wurde zur Pilotschule ernannt im Rahmen des Pilotprojekts „Industrie 4.0“. Zwei Millionen Euro stehen im Doppelhaushalt 2017/2018 für Fördermittel bereit, auch die Bad Neustädter Schule profitiert ordentlich davon.
Die vollständige digitale Vernetzung
Was hat es mit dem viel zitierten Begriff „Industrie 4.0“ auf sich? Es geht dabei um die vollständige digitale Vernetzung industrieller Produktionsschritte. Das geht von der Vorbereitung der Produktion selbst über den Produktionshergang bis zur Qualitätssicherung. In Echtzeit werden Daten gesammelt, die zum Beispiel Hinweise geben, ob eine Maschine nachjustiert oder gewartet werden muss. Die Globalisierung verlangt zudem nach einer Just-in-time-Produktion noch dazu mit einem Höchstmaß an Individualisierung. Die Digitalisierung soll eine Effizienzsteigerung bewirken, Roboter werden verstärkt zum Einsatz kommen und dem Menschen sehr belastende Arbeit abnehmen.
Wenn also Digitalisierung in den Betrieben, auch den Handwerksbetrieben, immer mehr zunimmt, dann muss auch die Ausbildung dem folgen. „Es gibt also auch eine Digitalisierung der Bildung“, erklärte Kurt Haßfurter kürzlich dem Schulausschuss des Kreistages, wo man sich über die Auszeichnung als Projektschule erfreut zeigte. Und wer mit Haßfurter, der seit sieben Jahren die Berufsschule leitet, durch das Schulhaus geht, stößt praktisch in jedem Fachraum auf den gewaltigen Wandel in der Berufsschulbildung. Da finden sich Doppel-Arbeitsplätze, an denen in Teams elektrotechnische Projekte entwickelt werden können. Fahrbare Regale mit elektrotechnischen Geräten können zwischen Fach- und Nebenraum hin- und hergeschoben werden, um Rüstzeiten für die jeweiligen Stunden zu sparen. Früher war hier einmal der Raum für den Religionsunterricht, aber Kurt Haßfurter hat das Raumkonzept für den technischen und digitalen Wandel angepasst.
Simulation einer Fertigungsstraße
In einem der Fachräume wird eine komplette Fertigungsstraße simuliert. Diese wird nun durch eine neue Anlage ersetzt, die vollständig digital unterstützt ist. Simuliert wird hier eine Produktionsstraße für kleine Bonbon-Blechdosen, die mit unterschieldichen Bonbons befüllt werden. Durch die Digitalisierung der Produktionsstraße können nicht nur die Dosen individuell mit gewünschten farbigen Bonbons befüllt werden, quasi als individuelle Lösung für den Kunden. Auch über Nachschubteile oder Wartungsintervalle zum Beispiel der Motoren für die Förderbänder werden die Schüler-Teams informiert, weil die verschiedenen Bereiche digital vernetzt sind.
„Gut eine halbe Million Euro wird die neue Lehr-Anlage kosten“, erklärt Haßfurter. 125 000 Euro davon übernimmt der Freistaat im Rahmen der Pilotprojekt-Förderung. Bis in den Frühsommer soll die Anlage stehen, damit ab dem darauffolgenden Schuljahr schon mit dem neuen System gearbeitet werden kann. Und schließlich hat sich auch die hohe Politik aus München angekündigt, um sich die Projektschule einmal genauer anzuschauen.
Teamarbeit gefragt
Ein wesentliches Merkmal der „Industrie 4.0“ ist die Teamarbeit. „Früher waren Industriearbeiter Einzelkämpfer, heute wird in Teams gedacht“, erklärt Haßfurter. Und genau dieser Team-Gedanke wird an der Berufsschule hochgehalten. Haßfurter hat mit seinen Kollegen auch Fortbildungskonzepte für die Lehrerfortbildung ausgearbeitet, die an der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen zum Einsatz kommen.
Nicht nur in der Industrieproduktion ist freilich die Digitalisierung Thema. Auch die kaufmännischen Berufe, die an der Jakob-Preh-Berufsschule ausgebildet werden, sind zum Beispiel in den Bereichen Logistik und Warenwirtschaft betroffen. Sogar den Ausbildungszweig E-Commerce-Kaufmann wird mittlerweile in Deutschland angeboten. Ganz neu ist die Berufsschule in Bad Neustadt auch zur „SAP-Modellschule“ ernannt worden.
Fächerübergreifende Projekte
„Wir arbeiten aber nicht nur teamorientiert, sondern auch fächerübegreifend“, sagt Haßfurter und erwähnt gemeinsame Projekte von Metallern, Elektrotechnikern und Wirtschaftlern. Und hinzu kommt schließlich auch ein Projekt für die Schneid- und Schleifwerkzeugmechaniker, die sich ebenfalls der Industrie 4.0 verschrieben haben. Bad Neustadt ist seit Jahren Bundessprengel für diese Berufsgruppe. Nicht nur deshalb drängt Kurt Haßfurter darauf, dass die Jakob-Preh-Berufsschule ein eigenes Wohnheim für ihre vielen pendelnden Schüler bekommt.