Erika Stumpf fährt eigentlich immer früher. Und Hildegard Demling ist auf dem Weg zu ihrem Strickclub. An diesem Mittwoch-Nachmittag sitzen sie sich im Stadtbus Nessi 3 gegenüber. Und sie merken schnell, etwas ist anders als sonst. Der Bus ist ganz neu. „Viel besser als die alte Nessi“, stellt Erika Stumpf fest. Ist ja auch die neue elektrische Nessi, mit der Fahrer Viktor Schmidt vor gerade einmal ein paar Minuten an der Haltestelle Siemensstraße zur ersten offiziellen Linienfahrt aufgebrochen ist.
Kein Vergleich
Kein Vergleich mit der alten Diesel-Nessi, da sind sich die beiden Damen einig. Ganz toll, schön leise und ruckelt viel weniger als der alte Bus, zählen sie die Vorteile des neuen Fahrzeugs auf. Und gut für die Elektromobilität-Stadt Bad Neustadt, finden sie. Wird aber auch endlich Zeit. Denn, dass der Elektorbus eigentlich schon lange in Bad Neustadt fahren sollte, das wissen Erika Stumpf und Hildegard Demling auch.
Sie meinen damit die fast 15-monatige Verspätung. Denn ursprünglich war ja geplant, dass die Elektro-Nessi bereits am 1. Januar regulär in Bad Neustadt in den Liniendienst gehen sollte. Dann kamen die Verzögerungen. Die verspätete Lieferung aus China, wo der Bus praktisch in Handarbeit zusammengeschraubt wurde. Im Auftrag der niederländischen Firma Ebusco, die den Auftrag für die Lieferung des Busses an die Stadtwerke erhalten hatte.
56. E-Bus europaweit
Und selbst als das Fahrzeug endlich in Bad Neustadt angekommen war, gab es noch eine Menge nachzubessern, damit die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben für den Betrieb eines solchen Busses eingehalten wurden.
Dass da nicht alles so glatt lief, wie es eigentlich sollte, bestätigt dann auch Wolfgang Hackauf von der Firma Ebusco. „Wir haben uns da nicht mit Ruhm bekleckert“, sagt er selbstkritisch. Auch wenn er es nicht als Entschuldigung sehen will, führt er logistische Gründe dafür an, ebenso wie einen hohen Auftrageingang. Immerhin ist die Bad Neustädter Elektro-Nessi die 56. europaweit, die das holländische Unternehmen bisher auf die Straßen gebracht hat. In Deutschland ist es der Bus Nummer fünf, wie er sagt. Nach jeweils zwei in München und in Borkum.
Von der Leistungsfähigkeit der Ebusco-Busse ist Hackauf jedenfalls überzeugt. Immerhin, so erzählt er, sind erst vor zwei Wochen die beiden Münchner E-Busse über 400 Kilometer zur E-Bus-Konferenz nach Berlin gefahren.
1028 Akkuzellen
Auf jeden Fall herrschte Freude, dass der Bus nun endlich in den Linieneinsatz kommt. Auch wenn das zunächst nicht wie geplant auf der längeren und mit der stärkeren Steigung anspruchsvolleren Linie zwei der Fall ist, wie Bürgermeister Bruno Altrichter erklärt. Die Techniker hätten ihm gesagt, das sei wegen einer Einführungsphase, in der die 1028 Akkuzellen – jeweils etwa in der Größe einer Cola-Dose – an die Lade-Entladezyklen „gewöhnt“ werden müssen. Das wird etwa ein bis zwei Wochen dauern, so Christian Rutter von den Stadtwerken. Dann soll der Elektrobus wie geplant auf der Linie zwei eingesetzt werden. Das sei außerdem eine Zeit des Lerneffekts für alle Beteiligten, ergänzt der Geschäftsführer der Stadtwerke, Ulrich Leber.
Viktor Schmidt ist nicht der einzige Fahrer, der die besondere Fahrweise eines Elektrobusses gelernt hat. Alle Fahrer des OVF, das den Stadtlinienbetrieb für die Stadtwerke übernommen hat, sind geschult, um den Elektrobus fahren zu können, so Thomas Lannig von OVF. Der muss ein wenig vorausschauender gefahren werden, so Hackauf von Ebusco. Und er fährt sich gut, sagt Busfahrer Viktor Schmidt, wenn alles funktioniert.
Ein wenig Anspannung
Das tut es während der Jungfernfahrt problemlos. Dass es so bleibt wünschen sich alle Beteiligten, denen man bei der ersten Tour, doch ein wenig Anspannung angemerkt hat.
Bezahlt ist der rund eine halbe Million Euro teure Bus übrigens noch nicht, so Altrichter. Erst muss er noch beweisen, dass er die täglich rund 240 Kilometer auf der Linie zwei problemlos mit nur einmal Nachladen in der Nacht schafft. Das war eine der Bedingungen bei der Ausschreibung.
Ganz ohne Diesel kommt der E-Bus übrigens auch nicht aus – zumindest im Winter. Denn die Heizung funktioniert mit Diesel.