Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, das bundesweite Förderprogramm "Sprach-Kitas" zur Sprachentwicklung an Kitas weiterzuentwickeln und zu verstetigen. Durch das Projekt sollen Kinder spielerisch Deutsch lernen und dadurch gleiche Bildungschancen haben. Für viele Fachkräfte und Eltern überraschend gab die Regierung Mitte Juli bekannt, die Sprach-Kitas doch nicht über das Jahresende hinaus zu bezuschussen.
Bundesweit ist etwa jede achte Kita eine Sprach-Kita. In Stadt und Landkreis Würzburg droht laut Übersicht des Online-Portals der Sprach-Kitas 31 Sprach-Kindergärten der Förderstopp, 16 in Schweinfurt, 15 in Rhön-Grabfeld, 14 in Aschaffenburg, neun in den Haßbergen und drei Einrichtungen in Bad Kissingen.
Fachberaterin der AWO Unterfranken fürchtet weniger Zeit für die Kinder
Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär tauschte sich im Sprach-Kindergarten Mariä Himmelfahrt Bad Neustadt – hier spielen Kinder aus 30 Nationen – mit Erzieherinnen aus ganz Unterfranken sowie Verantwortlichen aus Stadt Bad Neustadt und Landkreis Rhön-Grabfeld aus.
"Als am 11. Juli die Nachricht der Streichung kam, waren viele von uns in einer Schockstarre. Durch die zusätzliche Fachkraft kann viel individueller auf die Kinder eingegangen werden. Auch Beratungsgespräche sind intensiver möglich. Die Eltern fühlen sich dadurch einbezogen und willkommen", sagt Petra De Marche (Fachberaterin Kindergärten im AWO-Bezirk Unterfranken). Sie fürchtet, dass ohne das Sprach-Kita-Projekt weniger Zeit für die Kinder und für Gespräche mit Personal und Eltern bleibt.
Helma Griebel, Sprachförderkraft im städtischen Kindergarten Brendlorenzen, ist enttäuscht. "Wir sind seit über zehn Jahren dabei. Die Qualität der ganzen pädagogischen Arbeit profitiert von dem Projekt", ist Griebels Erfahrung.
Dorothee Bär zeigt sich alarmiert über das Ende der Sprach-Kitas
"Es ist ein falsches Signal der Bundesregierung, dieses so wichtige Förderprojekt zu streichen. Gerade jetzt, wo wir nach den Lockdowns alle wieder zu einer Gemeinschaft zusammenführen müssen", sagt Ebenhausens Kindergarten-Leiterin Daniela Koch.
Vor allem wegen der besonderen Herausforderungen wie Corona und Aufnahme vieler Geflüchteter müssten die Sprach-Kitas unbedingt fortgeführt werden, meint Thomas Habermann, Landrat von Rhön-Grabfeld. Bildung sei zwar eigentlich Sache der Bundesländer. "Die Förderung der Sprach-Kitas durch den Bund ist untypisch, aber sehr wichtig. Die großen Krisen und Veränderungen in den letzten Jahren können die Länder nicht alleine schultern".
"In meinem Wahlkreis gibt es 30 Sprach-Kitas", sagt Dorothee Bär. Deshalb sei sie alarmiert gewesen, als sie von der Streichung der Fördermittel hörte. Integration beginne immer mit der deutschen Sprache. Die Sprach-Kitas würden soziale Ungleichheiten ausgleichen, das System stabilisieren und das Fundament für schulischen und beruflichen Erfolg der Kinder mit besonderem Bedarf legen, so Bär.
"Wir möchten, dass das Programm fortgeführt wird oder es zumindest eine Übergangslösung gibt", fordert Bär. "Natürlich muss Geld gespart werden, aber das muss man nicht an den Kindern und Erzieherinnen auslassen. Bildung darf keine Frage sozialer Herkunft sein."
Manuela Rottmann sieht die Bundesländer in der Pflicht
Wie Manuela Rottmann, Bundestagsabgeordnete der Grünen auf Nachfrage der Redaktion schreibt, hätten ihr gegenüber viele Fachkräfte, Kita-Leitungen und Trägervertreter ihr Bedauern über das Ende des Bundesprogramm ausgedrückt, was vor dem Hintergrund der großen Leistung der Sprach-Kitas verständlich sei. "Die staatliche Aufgabenerfüllung im Bereich der Kindertagesbetreuung liegt allerdings in der Zuständigkeit der Länder und kann nicht dauerhaft durch Förderprogramme des Bundes finanziert werden", teilt sie mit.
"Gerade in einem finanzstarken Land wie Bayern sollte es möglich sein, die Strukturen der Sprach-Kitas abzusichern. Bayern hat in den Jahren 2019 bis 2022 vom Bund rund 861 Millionen Euro aus dem Gute-KiTa-Gesetz erhalten." Auch in den Haushalt 2023 seien Mittel für das Gute-KiTa-Gesetz eingestellt worden. Die Länder müssten Prioritäten setzen und prüfen, ob eine Fortführung der Sprach-Kitas über das KiTa-Qualitätsgesetz erfolgen soll.
SPD-Fraktion möchte, dass die Sprach-Kitas fortgesetzt werden
Abgeordnete Sabine Dittmar (SPD) verweist darauf, dass im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, die Sprach-Kitas weiterzuentwickeln und zu verstetigen. Denn Deutschland stehe durch die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchteten Kinder bei der sprachlichen Bildung vor einer weiteren Herausforderung. Dittmar betont wie Rottmann die Mitverantwortung der Länder bei den Sprach-Kitas – auch finanzieller Art.
Bildung und Betreuung seien Ländersache und es sei an der Zeit, die erfolgreich erprobten Strukturen in die Verantwortung der Länder zu übergeben. Nun komme es darauf an, dass Bund und Länder sich schnell darüber einig werden, wie eine Förderung aussehen soll.
Aufgebaute Strukturen dürften nicht verloren gehen und eine Finanzierungs- und Versorgungslücke bei den Sprach-Kitas müsse verhindert werden. "Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich in den Verhandlungen für den Haushalt 2023 dafür einsetzen, dass die Sprach-Kitas fortgesetzt werden – in Zusammenarbeit mit den Ländern", so Dittmar.
Nur wenn es ans Bezahlen und die Bereitstellung von Geldern geht, ist der Bund gefragt. Und so schön naiv zu fordern, können nur wenige wie unsere hochverehrte Bundestags-Abgeordnete.