Es riecht noch ganz neu. Böden und Tische glänzen, die Technik ist installiert, die Unterrichtsmaterialien werden gerade eingeräumt. Kiste um Kiste wird ausgepackt, Zug um Zug füllen sich die Fachräume für die Naturwissenschaften im Anbau der Ignaz-Reder-Realschule. Schulleiter Ulrich Kluge strahlt. Der Neubau ist topmodern, farbenfroh gestaltet und bietet den Schülern optimale Lernbedingungen. Am Montag haben die Neunt- und Zehntklässler ihre Klassenzimmer bezogen und genießen ihren neuen Status – die erste Schülergeneration im neuen Haus.
Die Symbiose von neu und alt ist mehr als gelungen. Über eine Brücke gelangen die Schüler vom Altbau in ihre neuen Räume. Sechs Klassenzimmer mit Internetanschluss und Beamern, Vorbereitungsräume für Physik, Chemie und Biologie sowie jeweils ein Lehrsaal für den naturwissenschaftlichen Unterricht sind im Neubau untergebracht. Die Lehrer haben separate Arbeitsplätze, um den Unterricht vorzubereiten, die Sicherheitsvorkehrungen erfüllen höchste Standards. Bürgermeister Eberhard Streit nennt es den Einstein-Bereich – in jedem Fall sind es mit die modernsten Forschungsräume im Landkreis. „Die Baumaßnahme war überfällig, um den Schulstandort attraktiv zu halten, aber auch für die Schule selbst“, versichert Ulrich Kluge.
Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht: Statt in dunklen, zuweilen auch feuchten Räumen im Keller des Altbaus der Realschule lernen die Schüler nun in lichtdurchfluteten, mit Farbe aufgepeppten und modern ausgestatteten Zimmern. Vorbei die Zeit der drangvollen Enge, altbacken war gestern. „Wir hoffen, dass sich diese Äußerlichkeiten auch positiv auf das Lernverhalten der Schüler auswirken“, sagt der Schulchef augenzwinkernd.
Für den Anbau an die Realschule war es aus Sicht des Schulleiters allerhöchste Zeit. Mit der Einführung der sechsstufigen Realschule im Schuljahr 2003/2004 waren die Schülerzahlen sprunghaft angestiegen, jeder Raum im Altbau – alteingesessenen Mellrichstädtern noch als ehemaliges Krankenhaus bekannt – wurde als Klassenzimmer genutzt. Schon damals war klar: Eine Lösung muss her, eine Sanierung des Schulgebäudes oder ein Neubau am Schulberg neben Mittelschule und Gymnasium standen im Raum. Vor allem der Punkt Brandschutzvorgaben machte es dringlich, zu handeln. Nach ersten Untersuchungen stand fest: Eine Renovierung würde ins Uferlose gehen, zumal nicht klar war, welche unschönen Überraschungen bei den Bauarbeiten zutage kommen.
Die Entscheidung fiel für einen Teilneubau, zumal Ulrich Kluge dem Schulstandort in der Innenstadt den Vorzug gab. Im September 2015 war Spatenstich, Richtfest wurde im März 2016 gefeiert. Knapp vier Millionen Euro wurden in den Übergang vom Alt- in den Neubau sowie den Anbau investiert, die Förderung liegt bei 2,388 Millionen Euro. Stadt und Landkreis teilen sich die übrigen Kosten mit jeweils 869 000 Euro, so Bürgermeister Eberhard Streit. Damit ist es noch nicht getan, denn im Frühjahr werden noch die Außenanlagen gestaltet. Und auch im Altbau stehen Renovierungsmaßnahmen an, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden müssen.
Auch wenn die Schülerzahlen aufgrund des demografischen Wandels wieder etwas zurückgegangen sind: Die neuen Klassenzimmer sind kein Luxus. 399 Schüler werden derzeit in 17 Klassen unterrichtet, und auch im Lehrerzimmer herrscht bei 30 Pädagogen mächtig Trubel. Die Lehrer sollen nun ein Silentiumzimmer bekommen, um in Ruhe Arbeiten zu korrigieren. Die ältesten Räume bleiben erst einmal leer. Dazu gehört der alte naturwissenschaftliche Bereich. „Die Räume sind in einem erbärmlichen Zustand“, spricht Ulrich Kluge deutliche Worte. Es ist so feucht, dass sogar Blechdosen Rost ansetzen.
Zwar soll der Altbau künftig weiter genutzt werden, doch nun kann in aller Ruhe die Sanierung des Gebäudes abgewartet werden. Nur noch zwei Klassen werden in diesem Teil des Gebäudekomplexes unterrichtet. Weitere neun Unterrichtsräume sind im Gebäude der alten Schule, angrenzend an die Grundschule, untergebracht, mit einer Brücke sind die Häuser miteinander verbunden. Ein Alleinstellungsmerkmal für die Ignaz-Reder-Realschule: „Wir sind weit und breit die einzige Schule mit zwei Brücken “, so der Schulleiter.
Dass die Neunt- und Zehntklässler die sechs Klassenzimmer im Anbau beziehen durften, geht auf ein Versprechen von Ulrich Kluge zurück. Da die Schüler am längsten im Altbau ausgeharrt hatten, hatten sie ausgehandelt, dass sie im letzten Schuljahr in den neuen Räumen lernen dürfen. Und die sind nicht nur mit neuen Möbeln und neuester Technik versehen, sondern auch etwas fürs Auge. Architekt Dominik Wukowojac und seine Mitarbeiter haben hier Maßstäbe gesetzt. Das Farbkonzept ist gelungen, die Wände und Böden in den Fluren und den Klassenzimmern leuchten gelb, grün und blau, dazwischen gibt es Abschnitte mit Sichtbeton. „Wir haben darauf geachtet, dass es keine aggressiven Farben sind“, so Kluge.
Die großen Fenster lassen viel Licht ein, die Schule ist alles andere als ein eintöniger grauer Betonblock, wie von einigen Beobachtern zu Beginn der Arbeiten beim Blick auf die Baustelle befürchtet worden war.
Außergewöhnlich gestaltet sind auch die Toiletten im neuen Gebäude. Üblicherweise sind das zweckmäßig geflieste Räume in Weiß und Grau. Nicht so in der Realschule: Kunstlehrerin Julia Münch hatte die Idee, die Türen der Toilettenkabinen mit Fotodrucken zu verzieren, welche die Beine ihrer Schüler zeigen. Das sieht nicht nur klasse aus, die jungen Leute sind auch ganz stolz auf die individuelle Gestaltung mit Wiedererkennungswert. Zu guter Letzt: Kleine Bereiche auf den Fluren sind derzeit noch abgesperrt, dort werden in Kürze Sitzbänke installiert.
Natürlich sind auch die Lehrer begeistert von der neuen Technik. Auch wenn man bewusst auf die Ausstattung mit digitalen Tafeln verzichtet habe. „Wir waren uns einig, die Kreide beizubehalten, da wir mit Blick auf Laptops und Smartphones eine Reizüberflutung der Schüler befürchtet haben“, gab der Schulchef die Meinung des Kollegiums preis. Beim Rundgang durch das neue Haus zeigte er sich stolz und zufrieden.
Und auch die Schüler sind begeistert. Die Aufregung beim Umzug am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien war groß, das Urteil übertraf alle Erwartungen. „Hier macht Lernen Spaß“, hat Ulrich Kluge aus Schülermund vernommen. Ein größeres Lob gibt es wohl nicht.
Für Kluge auch wichtig: Bei den Bauarbeiten waren viele Unternehmen aus dem Landkreis beteiligt, die Absprachen mit dem Architekten und den Arbeitern haben hervorragend geklappt. Mit einer Ausnahme. Sportlehrer Stefan Lochner wollte auf dem Pausenhof Slacklines installieren. Dafür wurden drei Bäume in 2,50 Metern Höhe gekappt, an den Stämmen sollten die Balancierbänder befestigt werden. Übers Wochenende waren die Stämme plötzlich verschwunden. Ein Arbeiter hatte Pfusch beim Baumschnitt vermutet und sie kurzerhand abgesägt. Jetzt stehen Betonstelen für die Slacklines bereit.
Im Frühjahr wird noch die Außenanlage bepflanzt, Biologielehrerin Anna Schreiner plant dabei auch Kräuterbeete für die Schulküche. Und auf längere Sicht soll auch der direkt an der Schule vorbeifließende Malbach in den Unterricht einbezogen werden. Kluge hat noch viel vor mit seiner Schule. Der Neubau hat alle motiviert.
Stadt und Schule wollen den Bürgern einen Einblick in das gesamte Schulgebäude ermöglichen. Die Einweihung des Anbaus ist beim Schulfest am 16. Mai geplant, zeitnah soll es dann auch einen Tag der offenen Tür geben.