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SULZDORF
„Die Geli hat das gewisse Etwas“
Doris Warmuth (links) und Angelika Götz bei einer Terminbesprechung im Rathaus.
Foto: Michael Petzold | Doris Warmuth (links) und Angelika Götz bei einer Terminbesprechung im Rathaus.
Michael Petzold
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:16 Uhr

Frauen an der Spitze einer Gemeinde sind auch im Bayern des 21. Jahrhunderts eher eine Seltenheit. Die 179 Frauen, die das geschafft haben, machen gerade einmal 8,8 Prozent aus, also weit entfernt von einer Quote von 33 Prozent, wie sie etwa für Chefposten in DAX-Unternehmen gefordert wird. In Unterfranken sieht es nicht viel besser aus. 37 Rathäuser im Bezirk werden von Frauen regiert, das sind gerade einmal 12,2 Prozent. Noch viel seltener sind allerdings zwei Frauen an der Spitze einer Gemeinde. Mit Ausnahme von Fladungen findet sich diese Konstellation in Unterfranken nur noch in Sulzdorf.

Dort bilden Bürgermeisterin Angelika Götz und ihre Stellvertreterin Doris Warmuth das feminine Spitzenduo. Stößt diese Form des Matriarchats auf Akzeptanz im Dorf oder proben die Männer schon den Aufstand? „Das funktioniert hervorragend“, sagt Ralf Seidling, der seit 22 Jahren im Gemeinderat sitzt und das Amt des dritten Bürgermeisters bekleidet. Er schätzt Geradlinigkeit, Ehrlichkeit und eine professionelle Sitzungsführung an Angelika Götz. „Bei uns geht es nicht um Männlein oder Weiblein, sondern um die Sache“, betont Seidling.

Vielleicht liegt es ja auch mit daran, dass Götz Wert darauf legt, die Gemeinderäte über alles zu informieren, was sie wissen müssen, wie sie ihre Amtsführung beschreibt. Als Plaudertasche will sie deswegen aber auch nicht wahrgenommen werden. „Ich kann sehr verschwiegen sein, wenn mir jemand etwas anvertraut.“

„Auch hier gibt es noch Männer, die den Platz einer Frau hinter dem Herd sehen“, weiß die Bürgermeisterin über ihre Heimatgemeinde. „Aber es werden immer weniger“.

„Es gibt noch Männer die den Platz der Frau hinter dem Herd sehen “

Viel Zeit für den Herd bleiben ihr angesichts von sechs Gemeindeteilen nicht und so ist sie sehr dankbar, dass ihr hauswirtschaftliche Tätigkeiten daheim von der Familie weitgehend abgenommen werden. Sechs Gemeinden mit einem regen Vereinsleben fordern Zeit und Kraft. Ihren Beruf als Betriebsprüferin, den sie die ersten Jahre im Bürgermeisteramt zusätzlich ausgeübt hatte, lässt sie derzeit ruhen.

Ihre Stellvertreterin hat es da nicht so gut. Zum Ehrenamt und Familie kommt noch die Arbeit als Verkäuferin im Schichtbetrieb. Dabei hätte Doris Warmuth eigentlich das erste Zugriffsrecht auf die Bürgermeisterkandidatur gehabt, nachdem Bürgermeister Walter Krug überraschend im September 2010 gestorben war. Da bekleidete sie nämlich schon zwei Jahre den Stellvertreterposten und saß seit 1996 im Gemeinderat.

Ambitionen auf den Chefsessel im Rathaus hatte sie aber nicht. „Mir fehlt das Fingerspitzengefühl“, erklärt sie im Gespräch mit dieser Redaktion und gibt zu, dass sie im Umgang mit anderen oft ein wenig zu direkt sei. Trotzdem hatte sie bei der Wahl die meisten Stimmen erhalten. Angelika Götz reizte die Aufgabe gleich, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt erst zwei Jahre Erfahrung im Gemeinderat gesammelt hatte.

„Die Geli hat das gewisse Etwas, die kann es mit jedem“, strahlt sie die Bürgermeisterin an, die sich beeilt, das Kompliment über ihre Fähigkeiten mit Menschen umzugehen, zu relativieren: „Mit fast jedem“, lässt sie gelten. Es wird viel gelacht bei diesem Gespräch, es braucht keine tiefenpsychologischen Kenntnisse, um zu merken, dass sich hier zwei wirklich gut verstehen. Streit? „Gibts es bei uns nicht“, betonen beide wie aus einem Munde. Meinungsverschiedenheiten und Diskussionen aber schon. Zumal sich Götz nicht als Machtmensch versteht und deutlich macht, dass sie ihre kommunalpolitisch erfahrenere Mitstreiterin auch immer wieder um Rat fragt.

Aber wo liegt die weibliche Komponente dieser lokalen Regierung? Denn mit Mitmenschen gut umgehen können auch manche Männer, die zudem ebenso mit Herzblut bei der Sache sind. Die Antwort fällt beiden Frauen nicht leicht. „Seit du da bist, sind die Grünanlagen schöner“, sagt Doris Warmuth. Und: im Dorf sei es friedlicher geworden. Daneben sind es eher emotionale Momente, die den Unterschied machen, etwa wenn Angelika Götz an ihren 2004 verstorbenen Vater denkt, der lange in der Kommunalpolitik tätig war.

„Wenn ich nicht mehr weiter weiß, geh ich ans Grab und frage ihn“, erzählt sie. Und: „Der guckt von oben runter und ist bestimmt stolz auf mich.“ Ein Mann hätte so etwas sicher nicht erzählt.

Die Suche nach Männerdomänen ist in Sulzdorf nicht einfach. Den Hinweis auf die Waldarbeit kontern beide Frauen souverän.

„Das klappt hervorragend“

Angelika Götz ist Jägerin und Doris Warmuth hat vor einiger Zeit einen Motorsägekurs mitgemacht.

Bleibt noch der Fußball: Aber wenn es sein muss, dann machen beide auch mal bei einer Prominenten-Elf mit und beweisen ihre Qualitäten auf dem Spielfeld.

Wenn gar nichts mehr hilft, dann das: Feldgeschworene ist tatsächlich noch keine von beiden. Angelika Götz verspricht aber, das auch bald in Angriff zu nehmen. Wie gesagt, es wird viel gelacht an diesem Nachmittag im Bürgermeisterzimmer.

Verstehen sich prächtig: Bürgermeisterin Angelika Götz (rechts) und ihre Stellvertreterin Doris Warmuth mit der Ortsschelle.
Foto: Michael Petzold | Verstehen sich prächtig: Bürgermeisterin Angelika Götz (rechts) und ihre Stellvertreterin Doris Warmuth mit der Ortsschelle.
 
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