
Leben in der Stadt liegt im Trend. Das ist nichts Neues. Neu ist dagegen, dass es die Menschen nicht nur in die Metropolen zieht. Auch Mittel- und Kleinstädte wie Bad Neustadt sind die Gewinner des Trends.
Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebene Analyse zum Wanderungsgeschehen in Deutschland. In einer Pressemitteilung der Stiftung wird das Entwicklungspotenzial von Bad Neustadt als beispielhaft genannt.
Weniger Einwohner
Zusammengetragen und interpretiert haben die Wissenschaftler Zahlen aus den Bereichen Bildung, demografischer Wandel, Finanzen, Integration und Wohn-, Arbeits- und Lebenssituation der Bevölkerung.
Der demografische Wandel wird auch Bad Neustadt nicht verschonen. Das machen die Zahlen klar. Die Einwohnerzahl wird von 15120 (2012) auf 14170 im Jahr 2030 schrumpfen. Das ist ein Minus von 6,3 Prozent. Die einzige Altersgruppe, die bis 2030 wachsen wird, ist der die der 65-Jährigen und älteren. Die Zahl der 16- bis 24-Jährigen wird bis zu 40 Prozent abnehmen. Diese jungen Leute gehören zu den Bildungswanderern. Sie ziehen nach der Schule zur Ausbildung oder zum Studium in die Metropolen. Ob sie dann zurückkommen, hängt davon ab, ob sie ein attraktives Arbeits- und Lebensumfeld für sich und ihre Familien vorfinden.
Wanderungsgewinne
Anhand der Statistik ordnen die Wissenschaftler Bad Neustadt trotz des Bevölkerungsschwunds in die Gruppe der Städte und Gemeinden mit Wanderungsgewinnen ein. Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass Bad Neustadt 2012 die höchsten Wanderungsgewinne hatte. Damals waren es 61,3 je 1000 Einwohner. Die Prognosen für die Zuzüge liegen für 2020 bei 56, im Jahr 2025 bei 53,8 und 2030 bei immer noch 52,2.
Gemeinden mit Wanderungsgewinnen sind, so die Wissenschaftler, oft regional bedeutende Wirtschafts- und Versorgungszentren in einem ländlich strukturierten Raum und zeichnen sich unter anderem aus durch eine solide Einkommenssituation der Bewohner, zahlreiche Arbeitsplätze für Hochqualifizierte, Arbeitsplatzwachstum, breit gefächerte Bildungseinrichtungen und viel Entwicklungspotenzial.
Handlungsauftrag
„Damit diese Städte auch in Zukunft für die Menschen als Lebensort attraktiv bleiben, ist eine moderne und funktionierende Infrastruktur eine zentrale Voraussetzung. Hier sind die Kommunen in der Pflicht, bei Investitionen und Stadtplanungen die richtigen Prioritäten zu setzen. Wenn man dabei an den öffentlichen Personennahverkehr, ärztliche Versorgung oder Breitbandausbau denkt, ist klar, dass viele kleinere Städte dies nicht ohne Unterstützung von Land und Bund schaffen können", so Petra Klug, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung in einer Pressemitteilung.
Chance für Wachstum
Die Gründe für Umzüge sind vielfältig. Laut Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, spielt die jeweilige Lebensphase der Menschen eine wichtige Rolle für die Wanderungsbewegungen der verschiedenen Altersgruppen: Die jüngere Generation in Ausbildung und Studium zieht eher in die Großstadt, während Familien oder die älteren Generationen auch gerne in kleinere und mittlere Städte ziehen. „Für die kleinen und Mittelstädte ist dieser Trend eine Chance für Wachstum“, so Mohn in der Pressemitteilung.
Demografische Perspektive
Als Handlungsfelder definieren die Verfasser der Studie die Anpassung der Siedlungsentwicklung an die demografische Perspektive: Bei schrumpfenden Einwohnerzahlen führe die Erschließung neuer Baugebiete „auf der grünen Wiese“ dazu, dass die Einwohnerdichte sinke und die Infrastrukturkosten in die Höhe getrieben würden. Die Kommunen seien also gefordert, ihre Siedlungsentwicklung an ihrer demografischen Entwicklung auszurichten und auf die Innenentwicklung zu konzentrieren.
Um im wachsenden Wettbewerb um junge Bewohner und Arbeitskräfte mithalten zu können, muss die Wohn- und Lebensqualität den Vorstellungen der zunehmend unterschiedlichen Haushalts- und Lebensstiltypen entsprechen, heißt es in der Studie weiter. Vorrangig gehe es dabei um ein vielfältiges Wohnraumangebot mit guter wohnungsnaher Infrastrukturversorgung. Daneben spielten aber auch Bereiche wie Bildung, Kultur und Mobilität sowie die Unterstützung von Familien bei der Bewältigung des Alltagslebens eine wichtige Rolle.
Lebensqualität älterer Menschen
„Die wachsende Zahl älterer Menschen stellt die Kommunen vor die Herausforderung, ihre Infrastrukturangebote zur Sicherung der Daseinsvorsorge und zur Unterstützung einer selbstständigen Lebensführung bis ins hohe Alter auszubauen“, regen die Verfasser der Studie an. Dazu müsste die kommunale Seniorenpolitik berücksichtigen, dass Interessen, Fähigkeiten und Bedürfnisse älterer Menschen sehr unterschiedlich seien und sich im Laufe des dritten und vierten Lebensabschnitts veränderten.
Bürgerschaftliches Engagement
Bürgerschaftliches Engagement gewinnt eine wachsende Bedeutung für die Zukunftsgestaltung. Durch ehrenamtliche Tätigkeiten werden vielfältige Leistungen gesichert, der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft und die Identifikation der Bewohner mit ihrem Wohnort erhöht, heißt es in der Studie.
Eine Chance für Wachstum
Im Datenportal Wegweiser-Kommune.de der Bertelsmann Stiftung werden Wanderungsdaten, zum Beispiel nach Alter und Geschlecht, aber auch nach Ziel oder Herkunft, für alle Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern seit 2006 bis 2015 bereitgestellt. Auf Basis dieser Daten hat jetzt das ILS (Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung) die Zu- und Fortzüge in Deutschland analysiert.
Für die Analyse „Trend Reurbanisierung – Analyse der Binnenwanderung in Deutschland 2006 bis 2015“ hat das ILS detailliert herausgearbeitet, dass neben den Großstädten auch Klein- und Mittelstädte vom Zuzug aus dem Umland profitieren können.
Das Zahlenwerk für Bad Neustadt findet man im Internet unter www.wegweiser-kommune.de (bertelsmann stiftung)