
Wenn man die Türe zum Ladengeschäft "Haus der Stoffe" öffnet, freut man sich über die vielen Farben, die sofort ins Auge springen. Stoffballen mit hellem, bunten Muster links, rechts findet man mehr die gedeckten Farben. Dicke Möbelstoffe in braun und grau liegen genauso ordentlich neben- und aufeinandergereiht auf den Tischen, wie die italienischen Designerstoffe, die durch ein großes Schild gekennzeichnet sind.
Das "Haus der Stoffe" liegt zwar innerhalb der Stadt Bad Neustadt ein wenig versteckt, aber Insider wie Schneider und Schneiderinnen, Näherinnen und alle, die Nähen und Schneidern als Hobby betreiben, wissen ganz genau, wo sie eine große Auswahl an Stoffen und guter Qualität für ihre Traumkleider und neue Couchen finden. Nämlich an der Salzpforte.
Reinhilde Suckfüll fühlt sich wohl inmitten ihrer Stoffballen
Inmitten dieser herrlich bunten Stoffballen steht Reinhilde "Reini" Suckfüll aus Schmalwasser. Sie fühlt sich pudelwohl zwischen den roten, grünen und blauen Stoffballen. Mit ihrem Holzmeter misst sie sekundenschnell die Länge des gewünschten Stoffes ab und gibt gleichzeitig Tipps fürs Zuschneiden. Es läuft alles wie am Schnürchen. "Unsere Stoffe werden nur im europäischen Ausland gefertigt. Das Gelump aus Fernost kaufe ich nicht". Originalton Reinhilde Suckfüll. Darauf lege sie sehr großen Wert.

Ein Kunde nach dem anderen betritt den Laden an der Salzpforte. Alle werden von Reinhilde Suckfüll freundlich begrüßt und gleich bedient. Die Klientel kennt sich meist, erzählt die Geschäftsinhaberin. "Oft kommen die Kundinnen und Kunden mit ihren Kindern und Enkeln, um Stoffe zu kaufen." Sie nehmen alle gerne die Hinweise der Fachfrau entgegen.
Reinhilde Suckfüll ist Stoffverkäuferin aus Leidenschaft
Reinhilde Suckfüll findet man seit dem 1. September 1968 in dem Laden. Sie hat hier gelernt, erst als Verkäuferin, dann setzte sie den Kaufmann obendrauf. Sie sei eine leidenschaftliche Stoffverkäuferin, erzählt sie, und sie arbeite gerne hier. Alles was mit Nähen und Stoffen zu tun hat liebe sie und tue ihr gut.
Nun ist Schluss: Das Ende des Ladens war schon seit einiger Zeit geplant, erzählt sie. Doch sie sei immer wieder überredet worden, weiterzumachen. Die Kunden lieben die Qualität und die große Auswahl. Außerdem hängt ja an den Wänden des Ladens das viele Zubehör, dass eine Schneiderin und Hobbynäherin so braucht. Knöpfe in allen Farben und Größen, Reißverschlüsse in jeder Art und Länge. Was nicht vorrätig ist, wird bestellt. Das ist der Service von Reini. Und ein großer Ständer mit Stickgarn, farblich sortiert, sticht auch sofort ins Auge.

Digitalisierung ist für kleine Fachgeschäfte ein Problem
Reinhilde Suckfüll ist jetzt 70 Jahre alt und sie ist der Meinung, dass nun der Zeitpunkt zum Schließen des Ladens gekommen ist. Es kann in ihrem Geschäft nur bar bezahlt werden. Die neue Kasse musste vor einigen Jahren gekauft werden, nun wird wieder mal ein neuer Chip und eine neue Software benötigt. "Das kostet alles viel Geld", sagt sie.
Auch die vorgeschriebene E-Rechnung und allgemein die Digitalisierung machen ihr zu schaffen. "Das wird zu teuer und lohnt sich für mein kleines Fachgeschäft nicht", sagt sie. Sie habe 57 Jahre gearbeitet, davon sei sie 44 Jahre selbstständig gewesen. Damals hat sie das Geschäft von ihrer Chefin übernommen und ist heute noch glücklich über diese Entscheidung.

Sie wird sich nicht abrupt von ihrer Kundschaft verabschieden
Nun wird sie ihr Geschäft schließen und ihre Stoffe abverkaufen. "Das dauert sicher noch einige Zeit. In den Laden passt sehr viel rein", lacht Reinhilde Suckfüll. Es sei auch gut, dass es schleichend geht, sie unterhalte sich gerne mit der Kundschaft. "Das wird mir fehlen".
Sonst nicht so viel, erzählt sie. Dann müsse sie nicht immer am Sonntag die Fenster putzen, denn das habe sie sonst gemacht. Unter der Woche sei sie im Geschäft gewesen- Kurz von 9 Uhr am Morgen sei sie aus dem Haus gegangen, abends um 7 Uhr war sie wieder zuhause. Dazwischen einkaufen, nach Schmalwasser fahren, Zuhause ein wenig abschalten, essen und zu Bett gehen. So war ihr Tagesablauf, der ihr immer viel Freude bereitet hat.
Zeit für den Garten, die Nähmaschine und fürs Strümpfe stricken
"Ich bin alleinstehend und habe mir genau das Lebens ausgesucht, das ich haben wollte", strahlt sie. Nun habe sie Zeit für ihr Hausarbeit, könne alles etwas langsamer angehen. Ihr Garten wartet auf sie, die Nähmaschine auch und Strümpfe stricken ist auch eines ihrer Lieblingshobbys.
Jetzt wird sie noch einige Zeit in ihrem Haus der Stoffe stehen, freundlich Kunden beraten, gute Schneider Tipps geben, mit ihrem Holzmeter abmessen und mit dem Taschenrechner ausrechnen, wieviel die eingekauften Stoffe kosten. Bis alle Regale leer sind, und alles ohne Digitalisierung