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Kreuzberg
"Da, wo die Wupper rauscht" – Kreuzberglied und Wuppertaler Hymne sind fast identisch: Hat da jemand geklaut?
Beim Derbläggn in Burglauer wird es wieder angestimmt: Das Kreuzberglied. Aber stammt die Hymne überhaupt aus der Rhön? Eine Spurensuche zwischen Kreuzberg und Ölberg.
'Komm mit mein Schatz...' Untergehakt und schunkelnd wird das Kreuzberglied nicht nur beim Politiker Derbläggn wie hier 2023 in Burglauer angestimmt. Aber ist es ursprünglich überhaupt ein Rhöner Lied, das da gesungen wird?
Foto: Martina Müller (Archiv) | "Komm mit mein Schatz..." Untergehakt und schunkelnd wird das Kreuzberglied nicht nur beim Politiker Derbläggn wie hier 2023 in Burglauer angestimmt.
Thomas Pfeuffer
 |  aktualisiert: 03.04.2025 02:38 Uhr

Was verbindet Wuppertal und die Rhön? So abwegig wie sie auf den ersten Blick erscheint, ist diese Frage nicht. Auch wenn sich die Zahl der Oberelsbacher und Sandberger, die an der Wupper flanieren, ebenso in Grenzen halten dürfte, wie Gegenbesuche aus Elberfeld und Barmen. Dennoch gibt es da so einiges, was die Großstadt südlich des Ruhrgebiets und die Region rund um Bischofsheim gemeinsam haben. Und es gibt einen Streitpunkt: "Wer hat von wem die Hymne geklaut?"

Ähnlich sind zum Beispiel die fußballerischen Leistungen. In Wuppertal mit seinen rund 360.000 Einwohnern kämpft der traditionsreiche WSV in seinem legendären "Stadion am Zoo" ebenso in der vierten Liga gegen den Abstieg, wie die Rand-Rhöner des TSV aus dem fast 900 Einwohner zählenden Aubstadt.

Probleme gibt es hier wie da mit der Sprache. Zwar gelten die Einheimischen in beiden Regionen als durchaus umgänglich, allerdings versteht man als Außenstehender kein Wort, sobald sie sich in ihrem Dialekt unterhalten. Darauf, dass mit "Atadösken" der Wasserturm und mit "Striekspöen" Streichhölzer gemeint sind, muss man als Nicht-Wuppertaler erst einmal kommen.

Ölberg und Kreuzberg und ihre Treppen

Schließlich ist Wuppertal im "Bergischen Land" gelegen, während die Rhön bekanntlich auch so einiges an Bergen aufzuweisen hat. Zu nennen wäre als Beispiel der Kreuzberg – bekannt für sein Kloster und das grandiose Klosterbier. Um auf seinen Gipfel zu gelangen, wurde eine Treppe mit mehr als 200 Stufen angelegt. Sein Gegenstück in Wuppertal heißt bezeichnenderweise "Ölberg" – ebenfalls bekannt für eine hervorragende Kneipenkultur. Hier führen gleich mehrere Treppenanlagen nach oben. Die berühmteste trägt den klangvollen Namen "Tippen-Tappen-Tönchen".

'...und wandern zum Kreuzberg hinauf.' Über mehr als 200 Stufen führen hoch zum Gipfel des Kreuzbergs.
Foto: René Ruprecht | "...und wandern zum Kreuzberg hinauf." Über mehr als 200 Stufen führen hoch zum Gipfel des Kreuzbergs.

Da der Wuppertaler wie auch der Rhöner gerne singt, wird diese Treppenanlage mit ihren 103 Stufen samt einem dort lebenden Mädchen in dem Lied "Et Lehnchen vom Tippen-Tappen-Tönchen" innigst besungen. Wohl jeder Wuppertaler kennt diese Hymne, die fest zum Repertoire der früheren Wuppertaler Kultband "Striekspöen" (siehe oben) gehörte und auch gerne von den WSV-Fans geschmettert wird.

Schnappatmung nach ein paar Walzertakten

Der Rhöner wird beim "Lehnchen"-Mitschunkeln allerdings bald von Schnappatmung befallen. Der Anfang des Liedes ist ihm noch neu, aber dann. Die Melodie kennt er doch? Und den Text, falls er ihn denn versteht, doch auch. Da heißt es: "Komm, komm, komm min Schatz, nemm aan minne Sit schnell Platz, met de Bimmel-Bummelbahn fahren vie no Küllenhahn, on do stiegen vie uut on talfen ennet Gröne eruut."

'Wer kennt nit dat Lehnchen...' Das Tippen-Tappen-Tönchen am Ölberg ist die berühmteste Treppenanlage Wuppertals, die im 'Et Lehnchen...' besungen wird.  
Foto: Philipp Wagenblast | "Wer kennt nit dat Lehnchen..." Das Tippen-Tappen-Tönchen am Ölberg ist die berühmteste Treppenanlage Wuppertals, die im "Et Lehnchen..." besungen wird.  

Der Schreck und die Überzeugung, dass die Wuppertaler die Hymne der Rhön, das Kreuzberglied geklaut haben, wachsen, wenn es im Dreivierteltakt – hier in Hochdeutsch – weitergeht: "Grüß mir die Heimat, grüß mir mein Wuppertal. Mit seinen Bergen und mit seiner Schwebebahn. Dort wo der Amboss klingt, dort wo die Wupper rauscht, da ist meine Heimat, da bin ich zu Haus..."

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"Nix Knüllenhahn, nix Schwebebahn!" Der Rhöner ist außer sich.  "Dort, wo der Kreuzberg winkt, dort wo die Saale rauscht, ist meine Heimat, ja da bin ich zu Haus." So und nicht anders lautet der Text. Das weiß doch in der Rhön jedes Kind. Die von der Wupper trauen sich was: Alles nur geklaut!

Wer hat sich da bei wem bedient?

Wuppertaler, mit solch schweren Vorwürfen und der Rhöner Version des "Kreuzbergliedes" konfrontiert, bleiben allerdings cool und säen Zweifel: "Wer sagt denn, dass es die Wuppertaler und nicht die Rhöner waren, die die Hymne beim andern kopiert haben?"

Nach einigen Blicken in den Computer wird der Rhöner schnell kleinlauter. In der Tat spricht einiges dafür, dass sich die Rhöner für ihren Kultsong im Bergischen Land bedient haben. So ist auf so manchem Blatt mit den Noten des Kreuzbergliedes kein Name eines Komponisten zu finden, stattdessen heißt es "Melodie: Historische Volksweise" oder "Musik und Text: Traditionell".

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Auch Journalisten aus der Rhön haben sich in der Vergangenheit schon auf die Suche nach dem Ursprung dieser Hymne der Rhön gemacht. Und sie hatten wenig Erfolg. Die Recherchen ergaben, dass ein Heinz Gehlert aus Würzburg, über den sonst wenig bekannt ist, die erste Strophe und den Refrain geschrieben haben soll. Zu welcher Melodie bleibt unklar.

Eine alte Volksweise, die ins Ohr gegangen ist

Gesichert ist: Da ihm das Lied zu kurz war, schrieb der bekannte Unterelsbacher Heimatdichter und Sänger, Albert Handwerker, später drei weitere Strophen dazu. Als Melodie hat Handwerker nach eigenen Angaben eine "alte Volksweise" verwendet, "die ins Ohr gegangen ist."

Unzweifelhaft: Der 2004 gestorbene Heimatdichter Albert Handwerker aus Unterelsbach hat drei Strophen des Kreuzbergliedes gedichtet.
Foto: Archiv Familie Handwerker | Unzweifelhaft: Der 2004 gestorbene Heimatdichter Albert Handwerker aus Unterelsbach hat drei Strophen des Kreuzbergliedes gedichtet.

Sucht man dagegen nach der Stadthymne der Wuppertaler, gibt das Internet etwas mehr her. Demnach hat der 1969 verstorbene Karnevalist Reinhard Triefenbach das "Lehnchen" geschrieben und komponiert. Auf der Plattform Wikipedia wird neben Triefenbach noch ein Heinz Schumacher als Co-Autor aufgeführt. Entsprechend behauptete vor Jahren auch ein Wuppertaler Journalist den "Skandal" mit dem geklauten Lied vom "Lehnchen" enthüllt zu haben. Ohne rot zu werden, würden die Rhöner die abgekupferte Hymne als ihr Kreuzberglied singen.

Das Kreuzberglied und der Blutdruck

Dass der Mann beim Thema "rot werden" keine Ahnung hat, mit wie viel Blutdruck stimulierender Inbrunst und anschließendem Gläserklang die Rhöner ihr Kreuzberglied schmettern, ist offensichtlich. Nur die Frage, wer denn nun von wem abgeschrieben hat, ist damit nicht beantwortet und muss wohl offen bleiben. Vielleicht kann ja ein Leser dieser Zeilen weiterhelfen.

'Mit seiner Schwebebahn...' Nachdem es mit der Seilbahn Richtung Rhön-Klinikum vorläufig nichts geworden ist, hat die Rhön im Vergleich zu Wuppertal nichts Gleichwertiges zu bieten.  
Foto: getty | "Mit seiner Schwebebahn..." Nachdem es mit der Seilbahn Richtung Rhön-Klinikum vorläufig nichts geworden ist, hat die Rhön im Vergleich zu Wuppertal nichts Gleichwertiges zu bieten.  

Und noch eine Frage bleibt: Wie soll künftig der Umgang der Rhöner mit der Stadt Wuppertal und deren Bewohnerinnen und Bewohnern aussehen? Da eine weniger friedliche Lösung für die Rhöner schon aufgrund ihres Charakters und des ungünstigen Verhältnisses der Bevölkerungszahlen nicht infrage kommt, lautet der Vorschlag: Hiesige Musikanten sollten sich einmal auf den Weg in die Stadt an der Wupper machen, das Tippen-Tappen-Tönchen hochsteigen und dort musikalisch und vielleicht mit einem Fass Klosterbier für das Kreuzberglied werben. Gegenbesuche erwünscht. Die Reisen und der Versuch einer musikalischen Versöhnung wären es wert.

 
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  • Hubertus Kiesel
    Eine Möglichkeit wäre, dass 2 Wuppertaler Unternehmer, die Ende der 50er bis Mitte der 70er Jahre, die Jagdpächter von Schönau und Sondernau waren, das Wuppertaler Lied mit in die Rhön brachten. Bei diversen Treibjagden könnte das Lied so in der Bevölkerung bekannt geworden sein.
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