"Wo kommen denn die ganzen Infizierten her?" Es ist eine Frage, die man im Zusammenhang mit der angespannten Corona-Situation dieser Tage in Rhön-Grabfeld öfter hört. Der Sieben-Tage-Inzidenzwert von 236,1 bedeutete am Dienstag (Stand: 3.09 Uhr) erneut unterfrankenweit den höchsten Wert und für den Landkreis einen neuen Negativrekord. Sechs neue Fälle sind dem Robert Koch-Institut (RKI) am Dienstag gemeldet worden.
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Eine schnelle Stabilisierung der Lage scheint noch nicht in Sicht. Erst recht nicht, wenn man sich die Zahlen aus dem Statusupdate des Landratsamtes zum Stand Dienstagvormittag (11 Uhr) ansieht. Demnach schnellte der Wert der aktuellen Fälle im Landkreis von 357 am Montag auf genau 400. Besorgniserregend waren auch die nunmehr 23 (Montag: 19) Infizierten, die sich wegen Corona in stationärer Behandlung befanden. Deshalb stellte auch Landrat Thomas Habermann im Gespräch mit dieser Redaktion fest: "Die Sterblichkeit und die Krankenhausbelegung ist so hoch wie im Frühjahr 2020."
Anteil der britischen Virusmutation nahezu bei 100 Prozent
Aber woher nun die vielen Infizierten? Für Habermann und das Landratsamt gebe es hierfür mehrere Erklärungen. Zum einen würde sich eine Infektion heute anders darstellen als noch vor einem Jahr. Bei der britischen Virusmutation, die im Landkreis mittlerweile nahezu bei jeder Neuinfektion festgestellt wird, handele es sich um ein "anderes Virus". Es sei offensiver und gefährlicher. Verbindungsarzt Dr. Helmut Klum ergänzte, dass bei der Nachverfolgung die Frage, wie lange man Kontakt mit einem Infizierten hatte, kaum noch eine Rolle spiele. Schon eine kurze Zeit miteinander könnte nun ausreichen, um sich zu infizieren oder das Virus weiterzugeben.
Ein weiterer Grund für die hohen Werte seien die vielen Einpendler aus den angrenzenden (Hochinzidenz-)Landkreisen. Alleine aus Schmalkalden-Meiningen und Hildburghausen sind es laut Erhebung des Landratsamtes 3900 täglich.
Jüngere Menschen mit Krankheitssymptomen
Zudem sind mittlerweile gerade jüngere Menschen vom Coronavirus betroffen und zeigen vermehrt auch Krankheitssymptome. Das hätte dann Auswirkungen auf die Übertragung, "da ein 30-Jähriger natürlich meistens mobiler und aktiver ist als ein 80-Jähriger", so Habermann. Neben bekannten Infektionsquellen wie Kitas, Schulen oder Sozialräumen in Betrieben sieht der Kreischef das größte Problem im Privatbereich. "Die Bürger haben den Instinkt und die Sensibilität für die Gefahr verloren. Man kann von einem 'Gewöhnungseffekt' sprechen", ist er überzeugt. Das habe sich nicht nur jüngst über die Osterfeiertage gezeigt.
Von Kontrollen im privaten Bereich hält der Landkreischef aber nichts. Es sei weder gewollt, an Haustüren zu horchen oder über Gartenzäune zu blicken, noch wäre dies überhaupt flächendeckend möglich. Das widerspräche seiner Ansicht nach auch dem Gedanken eines freiheitlichen Rechtsstaates.
Ehrlichkeit wichtig für erfolgreiche Nachverfolgung
Vielmehr appelliert er an die Bevölkerung, sich an die Regeln zu halten und im Falle einer Infektion ehrlich bei den eigenen Angaben (z. B. Aufenthaltsorte oder Kontaktpersonen) zu sein, wenn die Mitarbeiter der Kontaktnachverfolgung den Betroffenen anrufen. "Das ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Infektionsnachverfolgung und vor allem für die Unterbrechung der Infektionsketten", so Thomas Habermann.
Das "Contact Tracing Team", welches seit Ende 2020 gegenüber dem Landratsamt im ehemaligen "KiK" in der Spörleinstraße untergebracht ist, sorge dafür, dass derart viele Kontaktpersonen von Infizierten herausgefunden werden können. Von diesen wiederum stellen sich einige - auch anders als zu Beginn der Pandemie - später ebenfalls als positive Fälle heraus, was die Gesamtzahl im Landkreis (2828 zum Stand Dienstag) zudem in die Höhe treiben kann. Auch die Selbsttests vieler Bürger mit nahezu täglich positiven Ergebnissen gewinnen laut Klum mehr und mehr an Relevanz.
Landkreis will Daten zusammenstellen
Um Hotspots oder Infektionsketten fortan noch besser identifizieren zu können, will der Landkreis nun eine "werthaltige Datengrundlage zum Infektionsgeschehen" zusammenstellen, auch wenn dies einiges an personellem Mehraufwand bedeute. Helmut Klum nannte hierzu Praxisbeispiele aus dieser Woche.
Er berichtete von einer jungen Erzieherin aus dem Landkreis, die sich grundsätzlich nicht erklären konnte, wie sie sich infiziert hat. Sie zeigte kurz nach einem negativen Schnelltest-Ergebnis Symptome, wurde nach Hause geschickt und erhielt am nächsten Tag von ihrem Hausarzt ein positives PCR-Testergebnis. Ihr Vater vermutete eine mögliche Ansteckung im Kindergarten. Der Freund der Erzieherin wiederum zeigte kurz darauf ebenfalls Symptome, ein PCR-Test in wenigen Tagen soll bei ihm für Klarheit sorgen.
Auch von einem anderen Fall, in dem eine Person angab, lediglich einem Pärchen zur Verlobung gratuliert zu haben, erzählte der Arzt. Eine Feier habe es demnach nicht gegeben. Bei weiteren unterschiedlichen Gesprächen der Kontaktnachverfolgung wurde jedoch ein Name mehrmals als Kontaktperson angegeben.
Genauere Nachfragen zum Ansteckungsgrund
Wenn eine andere Infizierte angab, in den vergangenen Tagen lediglich im Supermarkt einkaufen gewesen zu sein, will man laut Thomas Habermann fortan auch hier genauer nachfragen, um womöglich den Ansteckungsgrund innerhalb des Marktes herauszufinden. Ein solches Nachverfolgungsgespräch erfordere psychologisches Feingefühl, "damit die Menschen nicht abblocken und offen erzählen." Von einer allgemeinen "Leichtsinnsbevölkerung" in Rhön-Grabfeld könne aber laut Helmut Klum pauschal keine Rede ein.
Impfzentrum zuletzt täglich in Betrieb
In Bezug auf die aktuelle Impfsituation sei das Impfzentrum laut Klum zuletzt auch am Samstag und Sonntag in Betrieb gewesen. Weiterhin werde alles verimpft, auch wenn Impfwillige mit vereinbartem Termin vor Ort abgewiesen werden, wenn sie bei der Registrierung womöglich falsche Angaben gemacht oder benötigte Nachweise gefehlt haben. Dann greife eine Nachrückerliste. Keine Impfdose werde unbenutzt weggeworfen, stellt Habermann klar.
Das bayernweit im Einsatz befindliche Impfprogramm habe zwar laut Thomas Habermann ab und an Schwächen und Ausfälle gezeigt. "Es gab aber noch keinen einzigen Fall, in dem das System eine Person zu Unrecht eingeladen hat", stellt er klar.
Wie soll denn eine Nachverfolgung möglich sein, wenn sich durch Einsperrmaßnahmen die Feierlichkeiten in Heimlichkeiten flüchten?
Nur mal so am Rande:
Weshalb wurde seitens politisch Corona-Verantwortlicher die Vorzeigepflicht eines Bundespersonalausweises vergessen?
Siehe "Pseudonymeintragungen" in Hamburg?
Schon vergessen?
Folglich dürfte sich die Kette (Rückverfolgung zum Infektionsgeschehen) nie mehr schließen lassen; oder?