Wenn ein Angehöriger unerwartet zum Pflegefall wird, ist das für den Pflegenden eine Herausforderung - emotional wie logistisch. Das beginnt schon bei täglichen Handreichungen. Wie bekommt man den Kranken vom Bett in den Rollstuhl und wie vom Rollstuhl in die Dusche? Wie wechselt man eine Windel? ImPflegeübungszentrum (PÜZ) in Mellrichstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) kann man das lernen: Pflegebedürftige und Angehörige können dort vorübergehend einziehen und angeleitet von Fachleuten Pflege üben.
Bayerisches Modellprojekt, das Nachahmer finden soll
Am Montag kam die Bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) zur Eröffnung. Das PÜZ, das unter der Federführung der Caritas-Sozialstation St. Kilian Mellrichstadt entwickelt wurde, ist bundesweit das erste seiner Art und gilt als bayerisches Modellprojekt. "70 Prozent aller Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt", sagt Huml. Dass die pflegenden Angehörigen Handgriffe, Hilfsmittel und Ausstattungsmöglichkeiten kennenlernen, sei wichtig für Zukunft der ambulanten Pflege.
Im PÜZ können Angehörige nicht nur grundlegende Pflege-Fertigkeiten lernen, sie erhalten auch Unterstützung bei Fragen zum Umbau im Haus, zu Hilfsmitteln oder zu Leistungen aus der Pflegeversicherung. Damit die Übungen unter realistischen Bedingungen stattfinden, können in den Appartements bauliche Hindernisse angebracht werden, wie sie der Pflegende auch zuhause vorfindet.
Das Konzept des neuen Zentrums ist darauf ausgelegt, Angehörigen und Pflegebedürftigen Sicherheit zu geben, Ängste zu nehmen und ihnen Mut zu machen. Oder aber, sie zu der Erkenntnis und Einsicht zu verhelfen, dass sie der häuslichen Pflege vielleicht nicht gewachsen sind und besser andere Versorgungsformen wählen sollten.
In den Anfangsjahren sei das PÜZ gedacht für Menschen, die plötzlich vor einer Pflegesituation stehen, erläuterte Gesundheitsministerin Melanie Huml am Montag. Sobald es mehr solcher Zentren gebe, könnten dort auch Auffrischungskurse oder Fortbildungen für Menschen stattfinden, die ihre Angehörigen schon länger pflegen.
Zwei Wohneinheiten mit Pflegebetten
Das PÜZ Mellrichstadt ist ein Pilotprojekt, das in ganz Bayern Nachahmer finden soll. Deshalb werde das Projekt von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt wissenschaftlich begleitet und evaluiert, erläuterte die Gesundheitsministerin.
Die beiden Appartements des Pflegeübungszentrums sind 35 Quadratmeter groß. Jede Wohneinheit hat ein Pflegebett, ein Ausziehsofa für Angehörige und ein Badezimmer. Außerdem gibt es einen Gemeinschaftsraum mit Küche. Bis zu drei Wochen können die Beteiligten im PÜZ wohnen. Finanziert wird die Unterbringung unter anderem von den Kranken- und Pflegekassen sowie der Caritas als Träger. Die Patienten müssen einen Eigenanteil von 30 Euro pro Tag zahlen. Unter professioneller Anleitung und Beratung lassen sich Assistenz- und Unterstützungssysteme ausprobieren und erkennen, welche Hilfsmittel und Umbaumaßnahmen daheim Erleichterungen bringen könnten.
Die Baukosten für das Pflegeübungszentrum neben der Sozialstation St. Kilian betrugen rund 325 000 Euro und wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, der Deutschen Fernsehlotterie sowie den Caritasstiftungen Würzburg und Rhön-Grabfeld mitfinanziert.
Für preiswürdig wurde das Pflegeübungszentrum schon lange vor seiner Eröffnung gehalten. Bereits Ende vergangenen Jahres nahm Angelika Ochs, Geschäftsführerin der Caritas Rhön-Grabfeld, den "Häusliche Pflege-Innovationspreis" für das Konzept ihrer beiden Mitarbeiterinnen Johanna Dietz und Ulli Feder entgegen.
Infos und Kontakt: Tel. 09776 - 8117-0
per Mail info@pflegeuebungszentrum.de, www.pflege-übungs-zentrum.de