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MELLRICHSTADT
Bürgerprotest gegen Schweinestall am Suhlesturm
Ein Plakat am Suhlesturm soll deutlich machen, dass Mastschweine und Legehennen in diesem Bereich nicht gewünscht sind.
Foto: J. Boxberger | Ein Plakat am Suhlesturm soll deutlich machen, dass Mastschweine und Legehennen in diesem Bereich nicht gewünscht sind.
Simone Stock
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:44 Uhr

Das Thema birgt Zündstoff. Seit in der Stadtratssitzung am 30. März über die Bauvoranfrage von Robert Mack auf Errichtung einer Lagerhalle mit Standortprüfung für Tierhaltung im Bereich des Suhlesturms abgestimmt wurde, brodelt es am Hainberg. Viele Bürger fürchten eine permanente Geruchsbelästigung samt Fliegenplage, wenn mehrere Tausend Freiland-Legehennen oder gar Mastschweine im Westen der Stadt, knapp 1000 Meter von der Wohnbebauung entfernt, gehalten werden. Die große Sorge um die Beeinträchtigung der Wohnqualität im größten „und schönsten“ Baugebiet der Stadt treibt die Bürger um.

387 Unterschriften gesammelt

Eine Initiative besorgter Anwohner hatte in den vergangenen drei Wochen Unterschriften am Hainberg gesammelt – 387 Frauen und Männer stehen mit ihrem Namen gegen „das Bauvorhaben mit Legehennen in Freilandhaltung beziehungsweise einen Schweinemastzuchtbetrieb“, das derzeit am Landratsamt in Bad Neustadt geprüft wird. Ihre Bedenken hatten Bernd und Carmen Betz, Stephan und Birgit Dietz sowie Fritz und Dagmar Ulsamer bereits in der vergangenen Woche schriftlich bei der Bauabteilung der Kreisbehörde eingereicht. Eine Kopie ging an Bürgermeister Eberhard Streit.

Emotionale Diskussion

Am Donnerstagvormittag wurden nun die Unterschriftenlisten in der Verwaltungsgemeinschaft an den Stadtchef übergeben. Auch Landwirt Robert Mack, selbst Stadtratsmitglied, kam zu dem Treffen, bei dem mehr als 20 Bürger die Gelegenheit nutzen, ihre Sorgen vorzutragen und zu hören, welche Pläne Mack verfolgt und was die Stadt tun könne, um das Vorhaben zu verhindern. Die mehr als zweistündige Diskussion, moderiert von Eberhard Streit, begann sachlich, schaukelte sich aber schnell emotional hoch. Dennoch – und das ist nicht selbstverständlich – waren alle Seiten am Ende bemüht, aufeinander zuzugehen und gemeinsam eine Lösung zu finden, mit der alle leben können. Ob dies gelingt, ist offen, aber das Tischtuch ist nicht zerschnitten. Das können alle Diskussionsteilnehmer als Erfolg verbuchen. Bereits im Vorfeld hatte der Stadtchef klar gemacht: „Wir wollen nicht hinter den Kulissen schimpfen, sondern miteinander und nicht übereinander reden.“

Dass der Mellrichstädter Stadtrat dem Vorhaben des Landwirts mit nur einer Gegenstimme seine Zustimmung gegeben hatte, war vielen Leuten sauer aufgestoßen. Bürgermeister Streit und Bauamtsleiter Christian Roßhirt nutzen daher die Gelegenheit, die rechtliche Grundlage zu erläutern, die maßgeblich für die Entscheidung des Gremiums ist. „Keine Einwendungen heißt nicht, dass uns das Vorhaben gefällt. Aber Einwände können wir nur geltend machen, wenn es rechtens ist“, machte der Stadtchef deutlich.

Stichwort Privilegierung

Hartmut Berrisch sah das anders: Ein einstimmiges Votum gegen den Stall hätte ein Zeichen gesetzt, das auch dem Landratsamt Signal gewesen wäre, glaubt er. Streit machte ihm da wenig Hoffnung, indem er auf die besonderen Rechte der Landwirte im Freistaat Bayern verwies. Das Stichwort lautet Privilegierung – Landwirte dürfen, anders als Privatleute, im Außenbereich der Gemeinden Anlagen und Gebäude errichten. Stimmt der Stadtrat dagegen, ersetzt das Landratsamt das behördliche Einvernehmen. Streit wies auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: „Eins muss klar sein: Wenn Robert Mack heute seinen Antrag zurückziehen würde, könnte morgen der nächste Landwirt kommen und die Prüfung eines Bauvorhabens beantragen.“

„Mellrichstadt verbaut sich seine Zukunft, wenn an dieser Stelle ein Stall gebaut wird“, kritisierte Bernd Betz, denn neues Bauland könne nur im Westen der Stadt ausgewiesen werden. „Doch wer baut da noch hin, wenn in der Nachbarschaft Mastschweine gehalten werden?“ Und wenn kein Zuzug mehr stattfindet, könnte Mellrichstadt in 20 Jahren zum „Altersheim des Landkreises“ verkommen, sagte Fritz Ulsamer.

Geruchsbelästigung befürchtet

Dass durch den Westwind unangenehme Gerüche nicht nur ans neue Baugebiet Heckenweg, sondern auch an den Bischofsberg und gar bis in die Stadt verbreitet werden könnten, ist ein Argument, das für gewaltig Unruhe in der Stadt sorgt. Robert Mack konnte die Gemüter auch nicht mit der Versicherung beruhigen, dass er selbst „definitiv nicht“ plant, an diesem Standort Tiere zu halten. Es gehe ihm lediglich darum, abzuklären, ob Tierhaltung möglich ist, wenn sein Nachfolger im Betrieb dies für wirtschaftlich nötig erachten würde. Die Krux: Wenn nun von Behördenseite grünes Licht etwa für Schweinehaltung gegeben wird, kann eine solche auch nicht mehr verhindert werden.

Die Diskussion, die die Bürger am Donnerstag im Sitzungssaal der VG führten, hatte am 30. März auch im Stadtrat stattgefunden, sagte der Bürgermeister. Er zeigte Verständnis für die Bedenken der Bürger, sieht sich jedoch die Hände gebunden. Eine Möglichkeit, Tierhaltung in diesem Bereich unrentabel zu machen, könnte allenfalls darin bestehen, dass das geplante Vorhaben im Wasserschutzgebiet des Zweckverbands Mellrichstädter Gruppe liegt. „Wenn das Wasserwirtschaftsamt hohe Auflagen macht, könnte es unwirtschaftlich werden, hier Schweine zu halten“, so Streit, der auch Vorsitzender des Wasserzweckverbands ist.

Möglichkeiten offenhalten

Ihm ist natürlich daran gelegen, dass die Entwicklung der Stadt nicht weiter eingegrenzt wird – Landwirtschaft, Industrie und Baugebiete machen ein Wachstum nur im Westen möglich. Was also, wenn nun auch dort ein neuer Stall entsteht? „Ich habe bei meiner Standortwahl nicht den ganzen Hainberg gegen mich aufbringen wollen“, beteuerte Robert Mack. Er bedauere, wie sich die Situation entwickelt habe, bat aber auch um Verständnis, dass er für seinen Betrieb Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft offenhalten möchte. Am jetzigen Standort im Hainbergweg sei er stark eingeschränkt.

Richtung Hainhof habe er die meisten Produktionsflächen, weshalb ihm dieser Standort am geeignetsten für die Erweiterung seines Hofes erschien. Zumal auch die Versorgungsleitungen für Wasser, Strom und Gas leicht erreichbar wären. Geplant seien derzeit eine landwirtschaftliche Halle, später sollen Anlagen zur Saatgutvermehrung, auf die sich sein Betrieb spezialisiert habe, dazukommen, möglicherweise auch ein Wohnhaus. „Aber man weiß nie, was kommt“, sagte Mack, weshalb er durch die Bauvoranfrage die Option auf Tierhaltung habe abklären wollen.

Lösungen gesucht

Die Bürgerrunde drängte darauf, auszuloten, ob Mack nicht Flächen tauschen könne, um im Osten der Stadt zu bauen. Bürgermeister Streit warf zu diesem Punkt ein, dass die Stadt durchaus bemüht gewesen sei, im Osten Land zu kaufen, um es für landwirtschaftliche Betriebe vorzuhalten. Allerdings scheiterten die Verhandlungen an den hohen preislichen Vorstellungen der Grundbesitzer, machte er deutlich. Zudem sei auch im Sonnenland Widerstand zu erwarten, wenn der Bau eines Maststalls angekündigt werde.

„Im Osten entwickelt sich kein Baugebiet mehr, aber das Sahnestückchen Hainberg bietet beste Voraussetzungen, auch für junge Familien. Das muss so bleiben“, waren sich Fritz Ulsamer und Hartmut Berrisch einig. Matthias Schulze Dieckhoff regte an, gemeinsam eine Lösung zu suchen, die für alle akzeptabel wäre. Möglicherweise könnte Ruhe in der Stadt einkehren, wenn bei der Bauvoranfrage Tierhaltung ausgeklammert werde. Robert Mack signalisierte in diesem Punkt Entgegenkommen. Bürgermeister Streit ist zudem aufgefordert, als Vermittler nach Tauschflächen im Osten zu suchen. Die Hausaufgabe für den Stadtrat lautet, darüber nachzudenken, was man tun könnte, um Tierhaltung im Westen zu verhindern, auch wenn Christian Roßhirt da wenig Hoffnung auf Erfolg machte. Positiv stimmte aber, dass sich am Ende alle Beteiligten die Hände reichten. Vielleicht findet sich nun doch noch im Gespräch miteinander eine einvernehmliche Lösung.

Kein Maststall für Schweine oder Legehennenbetrieb im Westen der Stadt in Richtung Hainhof: Carmen Betz (vorne, Mitte) und weitere Bürger vom Hainberg haben am Donnerstag eine Liste mit 387 Unterschriften an Bürgermeister Eberhard Streit übergeben. Landwirt Robert Mack (Dritter von rechts), der diesbezüglich eine Bauvoranfrage eingereicht hat, legte seine Argumente für die Standortwahl vor. Am Ende reichte man sich die Hand und will nun versuchen, gemeinsam eine gute Lösung für alle zu finden.
Foto: Simone Stock | Kein Maststall für Schweine oder Legehennenbetrieb im Westen der Stadt in Richtung Hainhof: Carmen Betz (vorne, Mitte) und weitere Bürger vom Hainberg haben am Donnerstag eine Liste mit 387 Unterschriften an ...
Blick in Richtung Stadt von dem Feld von Robert Mack, das der Landwirt für den Bau einer Maschinenhalle vorgesehen hat (rechts am Bildrand ist der Suhlesturm zu sehen).
Foto: ArchivFred Rautenberg | Blick in Richtung Stadt von dem Feld von Robert Mack, das der Landwirt für den Bau einer Maschinenhalle vorgesehen hat (rechts am Bildrand ist der Suhlesturm zu sehen).
 
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